Wissenschaft

#Europa: Mehr als 61.000 Hitzetote im Sommer 2022

Der Sommer 2022 war in Europa der heißeste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Nun hat ein Forschungsteam mit Hilfe statistischer Methoden berechnet, dass europaweit wahrscheinlich über 61.000 Todesfälle direkt oder indirekt auf die Hitze zurückzuführen waren. Allein in Deutschland gab es demnach mehr als 8.000 Hitzetote. Vor allem ältere Menschen starben, wobei Frauen stärker betroffen waren als Männer. Aus Sicht der Forschenden unterstreichen die Ergebnisse, dass bisherige Maßnahmen zum Hitzeschutz noch nicht ausreichen.

Gerade für Risikogruppen stellen hohe Temperaturen ein großes Gesundheitsrisiko dar. Der Sommer 2022 war in Europa der wärmste seit Beginn der Wetteraufzeichnung und ging mit intensiven Hitzewellen, Extremtemperaturen, Dürren und Bränden einher. Das europäische Statistikamt Eurostat meldete für die Sommermonate 2022 eine deutliche Übersterblichkeit. Bislang war allerdings unklar, welcher Anteil davon auf die Hitze zurückzuführen ist. Denn direkte Auswirkungen der Hitze wie Sonnenstich oder Hitzeschlag tauchen als Todesursache nur selten auf. Stattdessen sterben vor allem Menschen mit bestehenden Grunderkrankungen wie Herz-Kreislauf-Problemen oder Lungenerkrankungen an der Hitze. In ihrem Totenschein steht dann jedoch nicht die Hitze, sondern die Grunderkrankung als Todesursache.

Viele Hitzetote auch in Deutschland

Um die Anzahl der Hitzetoten in Europa zu ermitteln, griff ein Team um Joan Ballester vom Institute for Global Health (ISGlobal) in Barcelona auf Temperatur- und Sterblichkeitsdaten aus Europa für den Zeitraum von 2015 bis 2022 zurück und erstellte auf dieser Basis epidemiologische Modelle. Diese erlauben es, die durchschnittliche Zahl der Toten und die Anteile verschiedener Todesursachen zu ermitteln. Weichen dann in einem Zeitraum die Mortalitätsdaten signifikant von diesem Schnitt ab, kann dies ein Hinweis auf eine Übersterblichkeit sein – einen ungewöhnlich großen Anteil von Sterbefällen, die auf einen nur in diesem Zeitraum wirkenden Einflussfaktor zurückgehen. Dies ermöglicht eine Zuordnung auch dann, wenn dieser Faktor nicht auf dem Totenschein steht.
Insgesamt flossen Daten für 823 Regionen in 35 europäischen Ländern mit insgesamt mehr als 543 Millionen Einwohnern in die Analyse ein.

Die Forschenden kommen zu dem Ergebnis, dass zwischen dem 30. Mai und dem 4. September 2022 schätzungsweise 61.672 Menschen in Europa direkt und indirekt in Folge der Hitze zu Tode kamen. In Deutschland starben demzufolge 8.173 Menschen durch die extrem hohen Temperaturen in diesem Sommer. Damit liegt Deutschland in Bezug auf die absoluten hitzebedingten Sterblichkeitszahlen auf Platz drei, hinter Italien (18.010 Todesfälle) und Spanien (11.018 Todesfälle). Die höchsten Sterblichkeitsraten im Verhältnis zur Bevölkerungszahl hatten Italien (295 Todesfälle pro Million), Griechenland (280 Todesfälle pro Million), Spanien (237 Todesfälle pro Million) und Portugal (211 Todesfälle pro Million).

Frauen über 80 am stärksten betroffen

Ursache für diese Häufung von Hitzetoten waren die extremen Bedingungen im Sommer 2022. Jede einzelne Woche im erfassten Zeitraum war im Jahr 2022 wärmer als der Durchschnitt der Vorjahre, wie das Team berichtet. Besonders hoch waren die Temperaturen in der Woche vom 18. bis 24. Juli 2022. Allein in dieser Woche, in der ganz Europa unter einer intensiven Hitzewelle litt, starben den Berechnungen zufolge 11.637 Menschen in Folge der Hitze. Insgesamt lagen die Sommertemperaturen in Europa mit durchschnittlich 20,3 Grad Celsius um 1,68 Grad höher als im Durchschnitt der Jahre 1991 bis 2020. Die höchsten Durchschnittstemperaturen verzeichnete Frankreich mit 2,43 Grad über dem Durchschnitt von 1991 bis 2020, gefolgt von der Schweiz (+2,30 °C), Italien (+2,28 °C), Ungarn (+2,13 °C) und Spanien (+2,11 °C).

Eine Analyse nach Geschlecht und Altersgruppen zeigte, dass Menschen über 80 Jahren mit Abstand am stärksten durch die Hitze gefährdet waren. In dieser Altersgruppe starben mehr Frauen als Männer in Folge der Hitze. „Bezogen auf die Bevölkerung schätzten wir die Zahl der hitzebedingten Todesfälle bei Frauen um 56 Prozent höher als bei Männern“, so das Forschungsteam. In den Altersgruppen bis 79 Jahre starben dagegen mehr Männer als Frauen. „Präventionspläne sollten auch darauf abzielen, geschlechts- und altersbedingte Ungleichheiten sowie andere Faktoren, die das hitzebedingte Sterberisiko beeinflussen, zu verringern“, schreiben Ballester und sein Team.

Bessere Präventionspläne erforderlich

Insgesamt kommt das Team zu dem Ergebnis, dass die bisherigen Maßnahmen, um insbesondere ältere Menschen zu schützen, nicht ausreichend waren. So starben im Sommer 2022 europaweit fast so viele Menschen wie im Sommer des Jahres 2003, das mit rund 70.000 zusätzlichen Todesfällen bisher das Jahr mit der höchsten hitzebedingten Sterblichkeit ist. „Der Sommer 2003 war ein außergewöhnlich seltenes Phänomen, selbst wenn man die bis dahin beobachtete anthropogene Erwärmung berücksichtigt“, erklärt Ballester. So traf die Hitzewelle 2003 die europäischen Länder weitgehend unvorbereitet. Die Gesundheitssysteme waren damals nicht auf klimabedingte Notfälle eingestellt, Präventionspläne existierten nicht. 2022 sei die Hitze dagegen aufgrund des Trends der vorangegangenen Jahre erwartbar gewesen, so die Forschenden.

„Die Tatsache, dass im Sommer 2022 mehr als 61.600 Menschen in Europa an Hitzestress gestorben sind, obwohl viele Länder im Gegensatz zu 2003 bereits aktive Präventionspläne haben, deutet darauf hin, dass die derzeit verfügbaren Anpassungsstrategien möglicherweise noch unzureichend sind“, sagt Ballesters Kollege Hicham Achebak. „Die in den letzten zehn Jahren beobachtete Beschleunigung der Erwärmung unterstreicht die dringende Notwendigkeit, die Präventionspläne neu zu bewerten und wesentlich zu verstärken.“ Andernfalls sei der Schätzung der Forschenden zufolge bereits ab 2030 jeden Sommer mit durchschnittlich 68.000 zusätzlichen Todesfällen zu rechnen.

Quelle: Joan Ballester (ISGlobal, Barcelona, Spanien) et al., Nature Medicine, doi: 10.1038/s41591-023-02419-z

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