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#Experimente mit dem Tintenstrahldrucker

„Experimente mit dem Tintenstrahldrucker“

Das Raster, hat die amerikanische Kunsthistorikerin Rosalind Krauss einmal in einem klugen Essay bemerkt, stehe seit dem frühen zwanzigsten Jahrhundert paradoxerweise für Originalität, obwohl sein „Copyright“ schon in der Antike abgelaufen sei. Wieder und wieder stießen Künstler zu dieser „Figur avantgardistischer Kunstpraxis“ vor, als sei dies der Ursprung ästhetischer Reinheit und Freiheit, ja, sie entdeckten das „Grid“ wie in einem Akt persönlicher Erfindung. In Wirklichkeit begäben sie sich in ein „Gefängnis, in dem der gefangene Künstler sich selbst frei fühlt“. Tatsächlich ist das Raster ein Dauerbrenner der Moderne – von Hilma af Klint bis zum Kölner-Dom-Fenster von Richter.

Vera Molnar entdeckte es in den Fünfzigern als Ansatz für sich, als sie „Kreuz und X“ mit Bleistift und Buntstift zeilenweise aneinanderreihte. Das tat sie als junge Künstlerin noch mit der Hand, weshalb ein jedes Zeichen anders aussieht als die übrigen und die Zeilen leicht schwingen, die Ordnung insgesamt zu schwirren beginnt, sobald man etwas länger hinschaut. Mit diesem einfachen Vokabular hatte der frühe Piet Mondrian Ansichten von Meer und Mole abstrahiert. Auch die 1924 in Budapest geborene, in Paris lebende Künstlerin hatte mit ihrer einfachen Zeichnung die Struktur des Rasters nicht noch einmal neu erfunden, für ihre Praxis aber ein Tor aufgestoßen: Sie skizzierte damit Möglichkeiten, mit dem Raster irgendetwas anzustellen, das seine Statik verflüssigt.

Wohl folgerichtig begegnete Molnar in Paris in den Fünfzigern einem Kollegen wie François Morellet, den ähnliche Intuitionen auf dem Gebiet der konkreten Kunst umtrieben. Während ihr Ehemann François als Leiter des Pariser Centre de Recherche Expérimentale et Informatique des Arts Visuelle wissenschaftlich über die Wahrnehmung forschte, vertiefte sie sich künstlerisch in die Informationsästhetik, die Max Bense in Ulm propagierte, und fing um 1974 an zu programmieren und den Computer zeichnen zu lassen. Dafür hatten sich damals schon Frieder Nake und Georg Nees nachhaltig interessiert.

Simulation menschlicher Ungeschicktheit

„Job from Molnar“ steht über den überzeugendsten Blättern ihrer Ausstellung „Unterbrechungen – Lücken“, die das Leopold-Hoesch-Museum der Künstlerin in einer konzentrierten Werkauswahl widmet. Der Hochleistungscomputer vermerkte mit der Dachzeile den Druckauftrag, dessen Print seinerzeit noch Stunden beanspruchte. Er barg auch für die Künstlerin stets Überraschungen. Mit ihrem Mann hatte Molnar 1974 ein Programm in „Fortran“, einer Programmiersprache der Gründerzeit, geschrieben, um die Redundanz und Monotonie eines Rasters aus kleinen Quadraten „zu brechen“ – dies ohne jede persönliche, „romantische“ Handschrift.

Unterbrechungen Lücken: Aus der Vera Molnar-Ausstellung im Leopold-Hoesch-Museum in Düren





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Vera Molnar in Düren
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Vera Molnar in Düren

Berechnet wurden in ihren Programmen die Abweichung, der Zufall, das Unberechenbare. Dem Auge hat es in Blättern mit Titeln wie „Sehr kleine Unordnung“ und „2500 Trapeze A“ einiges zu bieten. Die Vierecke drehen sich leicht aus dem Raster, scheinen aufs Blatt gesprenkelt, ein „leichtes Zittern“, so Molnar, ergreife Besitz von ihnen durch die „Simulation von menschlicher Ungeschicklichkeit“, die sie in das Programm injiziert habe. In der Sprache der Kybernetik bestand die Aufgabe darin, den Quadraten „nicht die gleiche Erscheinungswahrscheinlichkeit zuzuweisen“. All diese Blätter sind in ihrem reduzierten Formenangebot überraschend vital, von einem anonymen Geist animiert, ausgesprochen schön.

In der Folge experimentiert Molnar mit dem Tintenstrahldrucker, überfordert das Gerät gezielt, zwingt es zu Fehlern, indem sie ihm absichtlich zu viel Tinte eingibt, woraufhin die Düse den Überfluss in dicken Rändern von schwarzen Balken zu Papier bringt. So reihen sich dunkle Bahnen aneinander, die das Weiß des Papiers in „Überlappenden Anordnungen“ in unterschiedlicher Farbtiefe einfärben. Keineswegs eine Spielerei von gestern, sondern ein Prinzip, auf dem ein heutiger, international gefeierter Künstler wie Wade Guyton sein gesamtes Œuvre aufbaut. Auch Handschrift – in Gestalt von Briefen der Mutter oder des Monogramms von Albrecht Dürer – lässt Molnar in ihr Werk eingehen, dann jedoch als abstrakte Rekonstruktion durch den Rechner.

Ein Foto von 2012 zeigt die Künstlerin, damals schon auf die Neunzig zugehend, auf dem Fußboden im Atelier vor eigenen Entwürfen. Noch heute bereichert sie ihr Œuvre um neue Ideen. Für Düren hat sie eine begehbare Box mit Schwarzlicht entwickelt, in der grün ein zerschnittenes Viereck leuchtet – wie eine Echokammer für das „Schwarze Quadrat“ von Kasimir Malewitsch, auf jeden Fall als aus Ausweis ungebrochener Energie.

Vera Molnar. Unterbrechungen – Lücken. Hoesch-Museum, Düren; bis 6.11. Kein Katalog.

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