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#Farblandschaften als Gesicht

Farblandschaften als Gesicht

Das Wiesbadener Kunsthaus zeigt derzeit eine Gemäldeserie der in Frankfurt lebenden chinesischen Künstlerin Chunqing Huang mit Namen „Painter’s Portrait“. Es sind abstrakte, durch energischen Pinselstrich bewegte Kompositionen, die durch ihre Farbwahl, Faktur und Linienführung westliche Künstlerfiguren in Gestalt ihrer malerischen Signatur beschwören. Wer die Kunsthalle betritt, kann einige von ihnen schon von Weitem identifizieren. So erschließen sich die schwarz umrandeten Formen in unvermischtem Orange, Gelb und Blau sofort als Hommage an Marianne von Werefkin, die in glühenden Lilatönen auf Braun schraffierten Rechteckbänder sind unverkennbar von Marc Rothko inspiriert, und die schlierigen Vertikalstreifen, aus denen hautfarben kaulquappenartige Gestalten hervortreten, erscheinen wie ein Konzentrat des malerischen Denkens von Edvard Munch. Doch bei den meisten der Bilder, die während der letzten fünf Jahre entstanden sind, ist der „Porträtierte“ nicht wirklich auszumachen, beim gelbgrünen Linienknäuel gemahnen allenfalls graphisch strukturierte Konturen an den gemeinten Max Ernst, und das pastos grüne Dickicht zieht eine äußerst entfernte Summe der Dschungelwelten eines Henri Rousseau.

Ihr entpersönlichender Fernblick auf die westliche Kunst macht aber auch den Reiz des Werks von Chunqing Huang aus, die, 1974 im ostchinesischen Heze geboren, nach einem Studium an der Pekinger Kunstakademie um die Jahrtausendwende nach Deutschland kam, um an der Städelschule weiter zu lernen. Zu ihrer Ausbildung in ihrer Heimat gehörte auch ein Training in Kalligraphie, das eine besondere Körperhaltung und Atemtechnik erfordert, um das Schriftzeichen in seiner visuellen Gestalt zu verselbständigen. In der Schreibmotorik scheint indes auch der künstlerische Impetus von Chunqing Huang zu wurzeln, die individuell charakteristische Bewegungsfiguren, Energielinien, Rhythmusstrukturen in abstrakter Expression fixiert. Mit dem Projekt „Painter’s Portrait“ verarbeitet sie ihre Eindrücke von klassischen, modernen sowie postmodernen Künstlern des Westens, mit denen sie sich auf Reisen durch Europa und in die Vereinigten Staaten vertraut machte. Ihre Bildnisse extrapolieren, wie ihre Künstlermodelle den Pinsel geführt haben würden, übersetzt in ihre eigene visuelle Sprache.

Nervenzentrum mit Blutspuren: „Adolph Menzel“ von Chunqing Huang.



Bilderstrecke



Chunqing Huang in Wiesbaden
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Farblandschaften als Gesicht

Den Porträtcharakter der rund fünfzig Werke unterstreichen ihre vergleichsweise kleinen und – mit wenigen Ausnahmen – vertikalen Formate. Die kulturelle Form lässt sie also als Gesichtsdarstellungen lesen. Tatsächlich ballen sich bei einigen die Malgesten wie zu einem Nervenzentrum zusammen, etwa bei der von Erd- und Bluttönen durchwirkten Aneignung von Adolph Menzel. Freilich, die meisten ähneln Farblandschaften aus pastos tanzenden Flächen (Matisse) oder leuchtenden Gewächsen (Schlemmer). Am unmittelbarsten erschließt sich eine Nähe der Bildnisse von Chunqing Huang zu Alexej von Jawlensky, insbesondere zu dessen späten abstrakten Köpfen, die, suprematistische Zeichenhaftigkeit mit Ikonenästhetik verbindend, Undarstellbares sichtbar vor Augen führen. Umso glücklicher, dass die Kuratoren dieses Projekts in einer Intervention fünf Bildnisse, darunter den Orange-schwarz-blau-beige-Fleckerlteppich „Jawlensky“ von Chunqing Huang, in die ständige Schau des Museums Wiesbaden integrieren, wo der russischstämmige Künstler seine letzte Lebensphase verbrachte, weshalb in unmittelbarer Nachbarschaft mit der Chinesin eine ganze Serie von dessen Nichtgesichtern ihre Gegenstandsaufzehrung schon vorexerziert.

Painter’s Portrait. Im Kunsthaus, Wiesbaden; bis zum 22. August, die Intervention im Museum Wiesbaden bis zum 29. August. Das schöne Katalogbuch kostet 20 Euro.

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