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#Feindliche Familienübernahme

„Feindliche Familienübernahme“

„In falschen Händen“ ist ein physiognomischer Film. Er geht beinahe gänzlich auf in der fein abgestuften Mimik eines einzigen Gesichts, in dessen ruhelos miteinander ringenden Zügen. Die Kamera von Rebecca Meining begibt sich auf Abenteuerreise auf diesem Antlitz, zoomt noch näher heran, bis allein die Augen die gesamte Dramatik zu tragen haben. Konzentrierter geht es nicht. Und auch hier finden schnelle Wechsel statt, die ganze Abgründe überbrücken.

Eben noch strahlen sie vor Glück, diese Augen, dann sind sie geweitet vor Angst. Eine Trauer schwimmt in ihnen, eine Tränenfeuchte, die sich aber nicht zur Träne verdichtet. Dann wieder ist da etwas Entrücktes im Blick, das sich schlagartig verhärtet, bedrohlich wird, aber die Bedrohung schnell wieder überstrahlt. Alles steht und fällt mit der Fähigkeit, diese so stark verdichtete Unberechenbarkeit glaubhaft auszudrücken, und Katharina Schlothauer, die Darstellerin des unheimlichen Kindermädchens Manu, kann es bravourös.

Natürlich handelt es sich nicht im wörtlichen Sinn um ein Solo. Es gibt weitere handlungsrelevante Figuren und einen klar konturierten, von Regisseur Mark Monheim überzeugend inszenierten Erzählbogen. Beides aber spielt sich nicht nach vorn. Der Plot ist so einfach, dass er kein großes Aufhebens von sich macht, und die Nebenfiguren sind eher dafür da, sich in den Blicken der traumatisierten Protagonistin zu spiegeln. Dass Manu, die offenbar vor etwas davongelaufen ist, von einem Mann (Aurel Manthai) verfolgt wird, wissen wir von der ersten, vorgreifenden Einstellung an. Er wird sie in München aufspüren.

Manu freundet sich derweil auf einem Spielplatz mit Nika (Pegah Ferydoni) an, einer zweifachen Mutter, die darunter leidet, kaum mehr Zeit für ihren Beruf als Modedesignerin zu haben. Auch ihr Mann Tom (Florian Stetter) ist beruflich stark eingespannt. Weil sich Manu, gerade auf Jobsuche, mit Nikas Sohn Leon (Sole Inan Aktas) bestens versteht – Tochter Clara ist noch ein Baby –, ergibt es sich schnell, dass sie als Kindermädchen angestellt wird. Toms Skepsis, schließlich wisse man doch gar nichts über diese Fremde, verebbt: Sie macht das mit den Kindern hervorragend, und dazu sieht noch überragend gut aus.

Umkehrung der üblichen Psychopathen-Narration

Dass dennoch etwas nicht stimmt, bemerken nicht nur die Zuschauer. Auch Nika und Tom stehen immer wieder verdutzt vor Grenzüberschreitungen durch die Babysitterin. Aber sie wollen nicht wahrhaben, dass darin ein Problem liegt, denn es lebt sich in der neuen Situation sehr viel angenehmer. Mehr und mehr scheint Manu die Familie von innen zu übernehmen. Holger Joos, als Autor einiger der besseren „Tatort“-Episoden hervorgetreten („Der Tod ist unser ganzes Leben“, „Blut“, „Freies Land“, „Unklare Lage“), hat sich also eines bekannten Thriller-Sujets angenommen. Zu den prominenteren Vorlagen gehört sicher „Die Hand an der Wiege“ (1992) von Curtis Hanson, eine komplexe Rachegeschichte um eine bösartige Nanny, die eine Familie zerstören will. Monheims Film ist offener. In Umkehrung der üblichen Psychopathen-Narration beginnt es düster, doch dann fällt immer mehr Licht ins Geschehen. Kurz: „In falschen Händen“ ist mehr Psychodrama als Psychothriller.

Dass der Film „In falschen Händen“ ruhig inszeniert wurde und sich ganz auf die Protagonistin fokussiert, ist seine Stärke, die kleinere Schwächen überdeckt. So wirken die Szenen, in denen Nika und Tom ihre Arbeitsbelastung beklagen, zu ausgestellt: „Ich weiß einfach überhaupt nicht, wie ich das hinkriegen soll … kannst Du vielleicht morgen ein bisschen früher Schluss machen?“ „Ey, sorry, ich hab einen Container voller Schreibtische in Holland am Zoll hängen. Ich muss morgen in München sein.“

Etwas zu sehr nach Baukastenprinzip wird das Bedrohliche integriert: dunkle Bilder, Verfolgung in einer Tiefgarage, Untermalung durch Spannungsmusik. Gelungen ist, dass die emotionalen Verwicklungen leise angespielt werden. Tom fühlt sich einen Tick zu wohl, wenn Manu beim Wochenendausflug Nikas Stelle einnimmt, und die Konkurrenz zwischen Manu und Nika in Bezug auf Leons Zuneigung wächst zwar, aber zögerlich. Erst als Manus Vergangenheit in die Handlung einbricht, kommt die Frage auf, ob man ihr vertrauen kann. Da aber geschieht etwas, das die Gewichte verschiebt.

So ist Monheim, Joos und natürlich den Darstellern, allen voran Katharina Schlothauer, ein souveränes, von innerer Spannung lebendes Drama gelungen, das in der eher unspektakulären, früh angedeuteten Erklärung der Vorgänge noch nicht seine Auflösung findet. Weiterhin schwankt die Heldin zwischen Verdrängung und Kontrollverlust, jetzt sogar mehr denn je. Das steigert sich bis zu einem emotional dichten Turm-Finale, das sich so deutlich wie treffend an Alfred Hitchcocks alle Identitätsebenen verschwimmen lassenden Thriller „Vertigo“ anlehnt. Ganz zurückverlagert auf das Gesicht der Protagonistin wird die Handlung hier noch einmal, auf einen Reflex in ihren Augen, um dann würdevoll symbolisch die ersehnte Weite zu suchen.

In falschen Händen, heute um 20.15 Uhr, im ZDF.

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