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#Feindselige Seminarkultur für Frauen

Feindselige Seminarkultur für Frauen

Die Volkswirtschaftslehre ist noch immer eine Männerdomäne, Frauen sind klar unterrepräsentiert. Das beginnt schon beim Anteil der weiblichen Studenten und verschärft sich, je weiter es die wissenschaftliche Karriereleiter nach oben geht. Die Spitzenposten in Lehre und Forschung gehen überwiegend an Männer. Gerade einmal rund 20 Prozent der VWL-Professuren sind in Deutschland mit Frauen besetzt, und in vielen anderen Ländern sieht es nicht besser aus. In Amerika etwa sind nur 13 Prozent der Ökonomie-Professoren weiblich; unter den Assistenzprofessoren sind es immerhin 25 Prozent.

Svea Junge

Die Gründe dafür werden zunehmend diskutiert – und auch erforscht. Neue Erkenntnisse liefert eine Untersuchung der Ökonominnen Alicia Sasser Modestino, Justin Wolfers, Pascaline Dupas und Muriel Niederle, die das National Bureau of Economic Research (NBER) vor kurzem als Arbeitspapier veröffentlicht hat. Sie fanden heraus, dass Frauen während Forschungspräsentationen, sogenannten Seminaren, nicht nur mehr Fragen erhalten als ihre männlichen Kollegen, sondern diese auch häufiger herablassend oder feindselig sind.

Für die Erhebung der Daten rekrutierten die Forscherinnen Doktoranden, die Hunderte ökonomische Fachvorträge in ganz Amerika beobachteten. Darunter war auch eine hohe Zahl sogenannter „Job Market Talks“ – Präsentationen, die einen wichtigen Teil des Bewerbungsprozesses an den Fakultäten der Universitäten ausmachen. Dass Frauen bei der Vorstellung ihrer Arbeiten mehr Zwischenfragen gestellt bekommen, kann aus Sicht der Forscherinnen durchaus Nachteile für ihre Karriere haben: „Eine höhere Unterbrechungsrate hat das Potential, die Qualität des Vortrags sowohl für den Vortragenden als auch für das Publikum zu verringern“, schreiben sie. Denn wer ständig unterbrochen wird, verliert eher den Faden, und den Zuhörern fällt es schwerer, dem Vortrag zu folgen.

Noch schwerer als die bloße Menge wiegen nach Einschätzung der Forscherinnen aber die Art und der Ton der Fragen, mit denen sich Frauen konfrontiert sehen. Dass die Seminarkultur in der VWL aggressiver ist als in anderen Disziplinen, wird kaum bestritten. Die Forscher konnten aber erstmals zeigen, dass Frauen stärker als ihre männlichen Kollegen feindseligen und herablassenden Fragen ausgesetzt sind. Das ist vor allem deshalb problematisch, weil Seminare eigentlich – insbesondere jungen Ökonomen – eine Plattform bieten sollen, auf der sie ihre Forschung verbreiten und Feedback zu ihrer Arbeit erhalten können.

Aggressive Seminarkultur wirkt abschreckend

„Viele von uns haben Geschichten von Freunden und Kollegen gehört, deren schlechte Erfahrungen in Seminaren sie dazu gebracht haben, neu zu bewerten, ob eine Karriere in der VWL wirklich die beste Wahl für sie ist“, schreiben die Autoren. Insofern lieferten die Studienergebnisse einen ersten Beweis für einen möglichen Zusammenhang zwischen der aggressiven Seminarkultur in der VWL und der anhaltenden Unterrepräsentation von Frauen. Einen Hinweis auf das potentiell problematische Klima in der Disziplin liefert auch der Umstand, dass die Forscherinnen die an der Erhebung beteiligten Doktoranden als Ko-Autoren der Untersuchung aufführen wollten. Viele lehnten es jedoch ab, ihre Namen zu veröffentlichen – aus Angst vor Repressalien.

Überraschend sind die Ergebnisse nicht, haben doch zahlreiche Untersuchungen in den letzten Jahren gezeigt, dass Frauen in der VWL sich anders behandelt fühlen als ihre männlichen Kollegen: Sie sehen sich nicht nur mit größeren Hürden bei der Veröffentlichung ihrer wissenschaftlichen Aufsätze in Fachzeitschriften konfrontiert, sondern sie werden auch seltener als Männer eingestellt und haben schlechtere Chancen, befördert zu werden. In einer 2019 veröffentlichten Umfrage der American Economic Association (AEA), der größten Ökonomenvereinigung der Welt, unter 9000 aktuellen und ehemaligen Mitgliedern gab fast die Hälfte der weiblichen Befragten an, dass sie Erfahrungen mit Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts gemacht hätten.

63 Prozent der Frauen gaben zudem an, von Kollegen nicht respektiert worden zu sein, und nur eine von fünf Frauen gab an, „mit dem allgemeinen Klima“ zufrieden zu sein. Die Umfrage enthüllte auch, dass viele Frauen es vermeiden, auf einer Konferenz zu sprechen, weil sie Belästigungen oder eine respektlose Behandlung befürchteten. Modestino, eine der Studienautoren, warnte unlängst in der „New York Times“: „Wir verlieren auf diese Weise eine Menge Ideen.“ Auch deshalb mahnen die Autoren des NBER-Papers Reformen an. Einige Universitäten haben schon reagiert und neue Regeln eingeführt. Sie reichen von einfachen Maßnahmen, dass in den ersten zehn Minuten keine Fragen gestellt werden dürfen, die Hand gehoben werden muss, um vom Vortragenden aufgerufen zu werden, bis zum Einsatz eines Moderators.

Judith Chevalier, Ökonomieprofessorin aus Yale und Vorsitzende des Ausschusses für Gleichstellung der AEA, fürchtet, dass diese Regeln die grundlegenden Probleme im Umgang mit weiblichen Kollegen nicht lösen können. „Seminare sind öffentlich – während Seminaren ist das Benehmen gut“, sagte sie der „New York Times“. Es könne nicht die Rede von einem Sieg sein, selbst wenn das Problem der Seminare gelöst werde. Dafür sei es notwendig, die Strukturen insgesamt zu hinterfragen: „Sind wir voreingenommen, wenn wir Mitarbeiter einstellen? Sind wir voreingenommen, wenn wir Mentoren sind? Sind wir in Seminaren voreingenommen? Sind wir voreingenommen, wenn wir befördern?“

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