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#Fischverhalten im Bann invasiver Ratten

„Fischverhalten im Bann invasiver Ratten

Die Natur ist von teils erstaunlich komplexen Verknüpfungen geprägt, verdeutlicht eine Studie: Invasive Ratten auf tropischen Inseln können demnach indirekt das Verhalten von Fischen in den umliegenden Riffen verändern. Die Nager verringern die Populationen der Seevögel, wodurch weniger Nährstoffe ins Wasser gelangen. Am Beispiel des algenfressender Juwelen-Riffbarsche zeigt sich, dass dieser Effekt wiederum das Territorialverhalten von Bewohnern der Unterwasserwelt beeinflussen kann. Damit sind möglicherweise weitere Auswirkungen auf das Ökosystem verbunden, sagen die Wissenschaftler.

Bei vielen „Machenschaften“ des Menschen liegen die Folgen für die Natur klar auf der Hand: Bestimmte Eingriffe oder Umweltveränderungen wirken sich direkt negativ auf spezielle Lebewesen aus oder schädigen Ökosysteme grundlegend. Es können allerdings auch Dominoeffekte auftreten, wenn etwa weitere Lebewesen von einer akut geschädigten Art abhängig sind. Solch komplexe Folgen können auch im Fall der Verschleppung von Tier- und Pflanzenarten in neue Lebensräume auftreten. Ein berühmt-berüchtigtes Beispiel ist dabei die Invasion der Hausratte auf vielen tropischen Inseln. Die Allesfresser kamen dort als blinde Passagiere der Seefahrt an und machten sich anschließend über viele Lebewesen der empfindlichen Ökosysteme her. Unter anderem sind dort die Seevogelarten stark betroffen: Die Invasoren fressen deren Eier, wodurch die Populationsdichten auf befallenen Inseln bis zu 720 Mal geringer sein können als auf rattenfreien.

Nager-Invasion mit weitreichenden Effekten

Die Wissenschaftler um Rachel Gunn von der Lancaster University sind nun der Frage nachgegangen, ob dies sogar zu einem Dominoeffekt führen könnte, der von den Ratten bis ins Korallenriff reicht. Dazu gab es eine konkrete Vermutung. Sie basiert auf der Grundlage, dass Ratten durch den Schaden an den Vogelpopulationen den angestammten Nährstoffkreislauf im Bereich der Inseln stören können. Denn Seevögel fliegen zur Nahrungsaufnahme auf den offenen Ozean hinaus und kehren zum Nisten auf die Inseln zurück. Dort lagern sie dann mit ihrem Kot Nährstoffe ab, die teilweise ins Meer gespült werden und die umliegenden Korallenriff-Ökosysteme düngen, erklären die Wissenschaftler.

Im Rahmen ihrer Studie haben sie nun fünf befallene und fünf rattenfreie Inseln eines abgelegenen Archipels im Indischen Ozean miteinander verglichen. Wie sie berichten, zeigte sich zunächst, dass der mineralische Nährstoffgehalt im Meerwasser um die von Ratten befallenen Inseln tatsächlich vergleichsweise gering ist. Dies prägt wiederum deutlich den Bewuchs mit feinen, grasartigen Algen in den Riffen: Sie entwickeln einen geringeren Energiegehalt, stellten die Forscher fest. Wie sich dies auf algenfressende Fische auswirken kann, untersuchten sie dann am Beispiel der Juwelen-Riffbarschart Plectroglyphidodon lacrymatus. Diese Fische pflegen ihre eigenen kleinen Algenwiesen im Riff und attackieren normalerweise andere Fischarten, die ihren „Farmen“ zu nahe kommen.

An der Verteidigung gespart

Durch ihre Unterwasserforschung und die Auswertungen von Videoaufzeichnungen von zahlreichen Juwelen-Riffbarschen konnten die Wissenschaftler zeigen: Die Fische der an rattenbefallenen Inseln angrenzenden Riffe besitzen deutlich größere Reviere als die Vergleichsexemplare. Wie die Videoaufnahmen dokumentierten, verteidigen sie diese interessanterweise viel weniger vehement als die Juwelen-Riffbarsche in den Riffen der rattenfreien Inseln. Wie die Forscher erklären, ist dies offenbar darauf zurückzuführen, dass sich der Verteidigungsaufwand durch den geringeren Nährstoffgehalt des Algen-Futters für die Fische energetisch nicht mehr lohnt. “Wir belegen damit, dass invasive Ratten sowohl einen Einfluss auf terrestrische als letztendlich auch auf marine Ökosysteme haben können“, sagt Gunn.

Möglicherweise reicht der Dominoeffekt sogar noch weiter, sagen die Wissenschaftler: “Die Algenzucht durch die Riffbarsche beeinflusst das Gleichgewicht von Korallen und Algen im Riff”, betont Gunn. “Außerdem kann Ihre Aggressivität gegenüber anderen Fischen die Art und Weise beeinflussen, wie sich die Riffbewohner in dem Ökosystem bewegen und es nutzen. Wir können zwar nicht genau sagen, welche Folgen die Verhaltensänderungen genau haben, aber Ökosysteme entwickeln über lange Zeiträume ein empfindliches Gleichgewicht, sodass jede Störung Auswirkungen auf das gesamte Netzwerk haben könnte”, sagt Gunn.

Neben dem grundlegenden Einblick in die Komplexität von ökologischen Verknüpfungen zeigt die Studie auch erneut die Bedeutung des Kampfes gegen die invasiven Nager auf den tropischen Inseln auf, sagen die Wissenschaftler. “Den Studienergebnissen zufolge hat die Beseitigung der Ratten das Potenzial, mehrere, ökosystemübergreifende Vorteile zu bringen“, sagt Gunn abschließend.

Quelle: Lancaster University, Fachartikel: Nature Ecology & Evolution, doi: 10.1038/s41559-022-01931-8

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