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#Flaschenpost übernimmt Durstexpress: Dr. Oetker kündigt gute Verträge

Flaschenpost übernimmt Durstexpress: Dr. Oetker kündigt gute Verträge

In Zeiten der Lockdowns haben wir Lieferdienste lieben gelernt. Nicht nur für fertig zubereitetes Essen, auch Kisten mit Bier oder Mineralwasser lassen wir uns gern nach Hause bringen. Zwei der Top-Unternehmen dafür: Durstexpress und Flaschenpost. Für den Verbraucher scheinen diese beiden Unternehmen identisch. Doch hinter den Kulissen setzen sie auf zwei sehr unterschiedliche Geschäftsmodelle – mit sehr unterschiedlichen Arbeitsbedingungen. Nun werden einige Mitarbeiter*innen dafür abgestraft.

Nathaniel Flakin berichtet von dem bedenklichen Vorgang.

Unbekanntes Objekt
Flaschenpost kauft Durstexpress – und wirft offenbar nur die Mitarbeiter*innen mit den besseren Verträgen raus – Demo in Friedrichshain gegen die Praxis. Foto Nathaniel Flakin

Flaschenpost kauft Durstexpress: Bessere Konditionen werden mit Entlassung bestraft

Am 20. Januar wurde in einer Pressemitteilung verkündet, dass Flaschenpost Durstexpress übernehmen wird. Ein Start-up schluckt das andere, nichts Ungewöhnliches in der New Economy. Nur: Flaschenpost übernimmt alle Kund*innen von Durstexpress, aber nicht alle Mitarbeiter*innen. Hunderte Angestellte – nach Gewerkschaftsangaben bis zu 2.400 – haben Kündigungen erhalten.

Anfang Februar versammelten sich rund 200 Menschen vor der Durstexpress-Zentrale in einem der schicken ehemaligen Lagerhäuser am Wasser in Friedrichshain. René Rix, Fahrer bei Durstexpress, sprach von einer Bühne aus, die mit den rot-weißen Fahnen der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten geschmückt war, zu den Anwesenden. Ob sie schon einmal in der „Höhle der Bosse“ waren? „Da ist es wie im Hotel Adlon“, sagte Rix – während sein Arbeitsplatz in der Teilestraße in Tempelhof „nicht mal richtige Toiletten hat.“

Flaschenpost wird mit kostenloser Lieferung – die Rechnung zahlen auch die Angestellten. Foto: Imago/Teutopress

Die Lieferdienste boomen. Ein Fahrer schätzt, dass das Geschäft seit dem ersten Lockdown im März um 300 Prozent gestiegen ist. Kürzlich bezeichnete das Durstexpress-Management seine Mitarbeiter als „Helden“. Trotzdem wurde Rix und 450 anderen Arbeiter*innen in Berlin mitgeteilt, dass ihr Arbeitsverhältnis am 28. Februar enden wird. Im Zuge der Fusion mit Flaschenpost werden mehrere Durstexpress-Lager geschlossen. Auch in anderen Städten. Deshalb sind auch mehrere Dutzend Angestellte aus Leipzig und Dresden zu der Protestaktion nach Berlin gekommen. Mindestens vier Bundestagsabgeordnete nahmen ebenfalls teil, um in Berlin ihre Unterstützung zu zeigen – schließlich sind die Wahlen nicht mehr weit.

Durstexpress und Flaschenpost: Zwei unterschiedliche Geschäftsmodelle

Durstexpress mag wie eins dieser mutigen, wilden Start-ups wirken, tatsächlich aber wurde die Firma 2016 von Dr. Oetker gegründet – mehr als ein traditionelles Familienunternehmen, das Pudding verkauft. Die „Dr. August Oetker KG“ ist ein globaler Mischkonzern mit 400 Unternehmen und 7,4 Milliarden Euro Umsatz. Sie kontrolliert unter anderem die Radeberger-Brauereien und gilt schlicht deshalb technisch gesehen immer noch als Familienbetrieb, da sie sich eben in privater Hand befindet.

Die Flaschenpost hingegen ist ein echtes Start-up, gegründet 2016 in Münster. Es scheint, dass das Oetker-Konsortium Durstexpress aufgebaut hat, um mit Flaschenpost zu konkurrieren – aber schließlich aufgab. Ende letzten Jahres hat Oetker fast eine Milliarde Euro ausgegeben, um die Konkurrenz zu kaufen. Jetzt verschmilzt Oetker sein eigenes Unternehmen mit dem ehemaligen Konkurrenten.

Ein Lieferwagen von Durstexpress – die Arbeitsbedingungen waren besser als bei Flaschenpost. Foto: Imago/Bildgehege

Aber warum dann nicht alle Mitarbeiter von Durstexpress behalten? Eine schnelle Suche zeigt, dass Flaschenpost in Berlin derzeit einstellt. Das hat einen einfachen Grund: Durstexpress bot den Mitarbeitern traditionelle Arbeitsbedingungen, Flaschenpost setzte dagegen auf einen Start-up-Ethos.

Durstexpress-Mitarbeiter erklärten auf der Kundgebung, dass sie Verträge mit einer festen Stundenzahl pro Woche haben. Der Konkurrent garantiert dagegen nur eine minimale und maximale Stundenzahl. Das ist die Art von „Flexibilität“, die die „New Economy“ so liebt. Und Flaschenpost scheint das Panoptikum von Amazon zu kopieren: Ein Computer überwacht laut Mitarbeiter*innen eben jene im Sekundentakt und zeichnet sogar auf, wann sie auf die Toilette gehen.

Kein Wunder, dass Flaschenpost die Konkurrenz aussticht. Das klingt sehr „effizient“, nach einer Mischung aus Taylorismus und Big Brother. Da überrascht es nicht, dass Oetker die alten Durstexpress-Arbeitsverträge die Möglichkeit vorbehält, exakt die gleichen Arbeiter*innen mit viel schlechteren Bedingungen wieder einzustellen.

Werksgebäude der Dr. August Oetker KG in Bielefeld. Foto: Imago/Imagebroker

Auch Flaschenpost-Angestellte waren gestern auf der Kundgebung und bekundeten ihre Solidarität. In der kommenden Woche wollen die Beschäftigten in Berlin den ersten Betriebsrat in der Geschichte des Unternehmens gründen, um ein Stück weit Kontrolle über ihren Arbeitsplatz zu bekommen.

Dr. Oetker: Ein gnadenloses Vorgehen

Christoph Geznel, ein Arbeiter, der aus Leipzig gekommen war, rief seine Kolleg*innen auf, „die Verzweiflung in Kampfeswillen zu verwandeln.“ Seit anderthalb Jahren arbeitet er bei Durstexpress, trägt Getränkekiste auch gern mal vier Stockwerke hoch, dutzende Male am Tag. Knochenarbeit.

Man hatte ihm immer gesagt, dass sein Job sicher sei, und so kam die Kündigung wie ein Blitz aus heiterem Himmel. Er war immer bei einer Oetker-Firma angestellt, es ist also nicht so, dass die Besitzer gewechselt hätten. Aber wenn diese Eigentümer nicht fair spielen wollen, versprach Christoph, würden er und seine Kollegen „gnadenlos“ und „bis zum letzten Tag“ kämpfen.

Ein Riesenkonzern, der während der Pandemie enorme Gewinne gemacht hat, wirft Tausende von Arbeitern auf die Straße, um schlechtere Arbeitsbedingungen durchzusetzen. So viel zu einem „Familienunternehmen“.


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