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#Flutkatastrophe im Ahrtal: Ein gefährlicher Wiederaufbau

Flutkatastrophe im Ahrtal: Ein gefährlicher Wiederaufbau

An der Ahr dürfen laut rheinland-pfälzischer Landesregierung vorerst nur 34 Häuser im sogenannten Gefährdungsbereich nicht wieder aufgebaut werden. Die allermeisten Hausbesitzer erhielten „die Gewissheit, dass sie an Ort und Stelle sanieren können“, sagte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer dazu. Dreyer verkündete die Entscheidung im Sinne einer Erleichterung für die Bürger. Aber das gilt nur auf den ersten Blick.

Eine Neuauflage der Katastrophe lässt sich mit den nun beschlossenen Maßnahmen zum Wiederaufbau wohl kaum verhindern. Mitte Juli wurde der gesamte Talboden überschwemmt, Tausende Häuser wurden von den Fluten zerstört oder beschädigt. Das Überschwemmungsgebiet wurde zwar deutlich ausgeweitet, halbe Ortschaften befinden sich jetzt darin. Allerdings folgt daraus wenig: Häuser ohne gravierende Schäden dürfen ohne Auflagen wiederaufgebaut werden, und dafür gibt es viel Geld. Eine hochwasserangepasste Wiederherstellung wird nur empfohlen.

15 Milliarden Euro für neue Häuser

Davor hatten Wissenschaftler gewarnt. Sie raten dringend zu breit angelegten baulichen Anpassungen an Extremhochwasser, zudem zu umfassenden Maßnahmen auch im Straßenbau, in der Landwirtschaft, im Weinbau und nicht zuletzt zu großen Rückhaltebecken an den Zuflüssen der Ahr. Derlei drastische Schritte scheut die Politik. Das ist verständlich, denn der Wiederaufbau muss rasch gehen, andernfalls droht das Ahrtal zu verwaisen; das Baurecht setzt zusätzlich Schranken.

Trotzdem hätte eine Förderung des Wiederaufbaus zwingend an hochwasserangepasste Maßnahmen gebunden werden müssen. Stattdessen sendet die Politik ein widersprüchliches Signal an die Bürger: Ihr lebt nun im Überschwemmungsgebiet und müsstet gewarnt sein – aber wir kommen gerne dafür auf, alles so aufzubauen, wie es einmal war.

Im Überschwemmungsgebiet werden die Menschen kaum mehr eine Elementarversicherung abschließen können. Für den Wiederaufbau ihrer Häuser nach heutigem Standard erhalten sie nun 80 Prozent, in Ausnahmefällen sogar 100 Prozent der Kosten. Die Regel gilt auch für Unternehmen, die zudem Einkommensausfälle erstattet bekommen. Dafür stellen Bund und Länder allein für das Ahrtal rund 15 Milliarden Euro bereit, das entspricht ungefähr einem Jahreshaushalt von Rheinland-Pfalz.

Die enormen Beträge lassen sich wohl damit erklären, dass die Katastrophe mitten in den Bundestagswahlkampf fiel. Vielleicht will die Politik größeren Unmut verhindern, immerhin waren die Bürger nicht vor den Fluten gewarnt worden. Zudem fiel die Katastrophe in eine (Pandemie-)Zeit, in der der Staat für alles Mögliche einspringt. Aber was wird passieren, wenn die nächste Flut als Folge eines Starkregenereignisses bald einige Kilometer weiter östlich durch ein Tal rauscht, etwa im Westerwald? Trägt der Staat dann wieder die Kosten? Wieder 15 Milliarden Euro nur für ein Tal? Das ist kaum wahrscheinlich.

Leben am Fluss ist ein Risiko

Die Politik muss den Menschen deutlich machen, dass das Leben am Fluss ein (zunehmendes) Risiko ist. Dabei ist es wenig hilfreich, für die Kosten aufzukommen, aber kaum Auflagen zu machen. Auflagen würden vor künftigen Katastrophen schützen und zugleich das Bewusstsein für das Risiko schärfen. Auch wenn mancherorts an der Ahr noch die Hochwassermarken von früher gepflegt werden, hatte das Tal doch jene von Wissenschaftlern oft beklagte „Hochwasserdemenz“ ereilt. Die Erinnerung an frühere Fluten war so gut wie weg. Dabei entsprach die Flut vom Juli ungefähr jener von 1804.

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Die Politik sollte den Menschen deutlich machen, dass sie sich wappnen müssen, dass sich ein derartiges Ereignis jederzeit wiederholen kann und dass der Blick in Statistiken trügt. Die extremen Fluten an der Ahr traten zuletzt im Abstand von rund 200 Jahren auf. Doch würde eine Katastrophenflut schon im nächsten Jahr dem nicht widersprechen, wenn dann eine jahrhundertelange Pause folgte. Ohnehin dürfte sich der Klimawandel kaum an derlei Statistiken halten. Die Frequenz von Starkregenereignissen wird eher zunehmen.

Das Ahrtal müsste anderen Kommunen vielmehr ein Beispiel sein, beim hochwasserangepassten Bauen, aber auch beim Aufbau eines Warnsystems, das auf verschiedenen Säulen ruht, nicht nur wie bisher auf Apps und künftig auf SMS. Es braucht auch Sirenen, dazu regelmäßige Übungen, um die Erinnerung an die Gefahr eines Hochwassers präsent zu halten.

Rheinland-Pfalz, Rech. Hochwasserschäden in der Eifel



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Hochwasser im Ahrtal
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Déjà-vu der Katastrophe
Bild: Christoph Hardt/Geisler-Fotopres

Und es braucht ein rasches Einschreiten der zuständigen Stellen im Falle einer Gefahr. Die rheinland-pfälzischen Behörden waren in der Katastrophennacht über die zu erwartenden horrenden Pegelstände informiert, sie warnten und evakuierten aber nicht. Es starben 134 Menschen, mehr als 760 wurden verletzt. Die Frage, warum es so weit kam und welche Lehren daraus zu ziehen sind, sucht nun ein Untersuchungsausschuss im Mainzer Landtag zu beantworten. Er sollte sich beeilen.

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