Wissenschaft

#Fossilien belegen frühe Präsenz des Homo sapiens in Südostasien

Wann kamen die ersten Vertreter des Homo sapiens nach Südostasien? Bisher galt die Zeit vor rund 50.000 Jahren als wahrscheinlichster Zeitpunkt für die Besiedlung durch unsere Vorfahren. Doch neue Funde in einer Höhle im Norden von Laos verschieben diese Zeit jetzt tausende Jahre in die Vergangenheit. Dort haben Wissenschaftler ein Stück eines Schädels und ein Schienbein-Fragment entdeckt, die vom Homo sapiens stammen, aber ihren Datierungen zufolge schon mehr als 70.000 Jahre alt sind. Nach Ansicht des Teams legt dies nahe, dass es schon vor der Hauptwelle der Migration unserer Vorfahren nach Asien mehrere Vorstöße des Homo sapiens gab. Doch diese Pionier-Populationen konnten sich offenbar nicht dauerhaft halten.

Lange schien klar, dass der anatomisch moderne Mensch erst vor rund 200.000 Jahren in Afrika entstand und sich vor 50.000 bis 60.000 Jahren über den Nahen Osten nach Europa und Asien ausbreitete. Doch in den letzten Jahren haben neue Fossilfunde diese Zeitlinie widerlegt. 300.000 Jahre alte Homo-sapiens-Relikte in Marokko zeigten, dass unsere Art früher entstand als gedacht. Funde im Nahen Osten und auf der Arabischen Halbinsel belegten die Präsenz des Homo sapiens in dieser Region schon vor 120.000 bis 180.000 Jahren. Und auch in Südostasien wird das Bild immer unübersichtlicher: Obwohl Genomstudien nahelegen, dass die ersten Vorfahren der heutigen Bewohner vor rund 50.000 Jahren eintrafen, wurden auf Sumatra Zähne des Homo sapiens entdeckt, die schon rund 70.000 Jahre alt sind. In Australien wurden Homo-sapiens-Relikte aus der Zeit vor 65.000 Jahren gefunden.

Fossilfunde in Nordlaos

„Diese Funde deuten auf ein komplexes Ausbreitungsmuster hin, das nur schwer mit den aktuellen genetischen Belegen zu vereinbaren ist“, erklären Sarah Freidline von der University of Central Florida in Orlando und ihre Kollegen. Eine mögliche Erklärung wäre jedoch, dass die archäologischen Funde von frühen, erfolglosen Vorstößen des Homo sapiens stammen. Demnach könnten erste Gruppen des modernen Menschen zwar schon lange vor der großen Besiedlungswelle vor rund 50.000 Jahren in Südostasien eingetroffen sein, sie konnten sich dort aber nicht dauerhaft halten. Diese Pionier-Populationen starben wieder aus. Ähnliches wird auch für die Besiedlung Europas durch den Homo sapiens angenommen. Weitere Belege für diese „Pionier“-Theorie liefern nun neue Funde und Datierungen aus der Tam-Pà-Ling-Höhle im Norden von Laos. In dieser im Hochland, rund 300 Kilometer von der nächsten Küste entfernt liegenden Höhle wurden schon im Jahr 2009 mehrere Knochen von frühen Vertretern des Homo sapiens entdeckt.

Die Datierung dieser Relikte erwies sich jedoch als schwierig, weil gängige Methoden wie die Radiokarbon- oder Uran-Blei-Datierungen nicht möglich waren. Einziger Anhaltspunkt war eine Datierung des Sediments mithilfe der Lumineszenzmethode. Mit ihr lässt sich ermitteln, wann ein Mineral zuletzt dem Licht der Bodenoberfläche ausgesetzt war. Den damaligen Datierungen nach stammte die Fundschicht der TPL-1 bis TPL-5 getauften menschlichen Relikte demnach aus der Zeit vor mehr als 46.000 Jahren. Seither hat das Forschungsteam jedoch weitere Ausgrabungen in der Höhle durchgeführt und dabei in zwei tieferliegenden Schichten zwei weitere menschliche Fossilien zutage gefördert. Beim Fundstück TPL-6 handelt es sich um ein Fragment der vorderen linken Schädelseite, bei TPL-7 um den Teil eines Schienbeins. Vergleichsanalysen zufolge stammen beide Knochenfragmente von einem Homo sapiens. „Die klaren Affinitäten der TPL-Fossilien zum Homo sapiens legen nahe, dass diese Menschen von einer zierlichen Population des Homo sapiens abstammten, entweder in Afrika, im Nahen Osten oder vor Ort“, schreiben Freidline und ihre Kollegen.

„Pionier“-Gruppen kamen schon vor gut 70.000 Jahren an

Die neuen Fossilien und nähere Analysen der Fundschichten ermöglichten dem Team auch genauere Datierungen durch Lumineszenz- und zwei Uran-Blei-Tests. Das Ergebnis: „Die Datierungen zeigen übereinstimmend, dass die ältesten Fossilien aus Tam Pà Ling zwischen 95.000 und 65.000 Jahre alt sind“, berichten die Forschenden. „Diese Fossilien repräsentieren damit einige der ältesten diagnostizierbaren craniomandibulären Relikte des Homo sapiens in Südostasien. Nach Ansicht der Wissenschaftler erhärten diese Funde und ihre Datierung damit die Annahme, dass es schon vor mehr als 70.000 Jahren frühe, wahrscheinlich erfolglose Vorstöße des Homo sapiens aus Afrika und dem Nahen Osten nach Südostasien gab. „Die zierliche Ausprägung des Schädelknochens TPL-6 deutet darauf hin, dass dieser Mensch von einer Population graziler Einwanderer abstammte und nicht das Ergebnis einer lokalen Evolution oder Mischung des Homo erectus und Denisova-Menschen war“, erklären sie. Dies werfe ein neues Licht auf die Frühgeschichte Südostasiens und die frühen Ausbreitungsbewegungen des Homo sapiens.

„Auf Basis dieser Funde sowie den Fossilien des Homo erectus, Homo floresiensis und Homo luzonensis und eines Denisova-Zahns aus Nordlaos erweist sich Südostasien damit als eine Region, die im mittleren bis späten Pleistozän eine reiche Vielfalt an Vertretern der Gattung Homo aufwies“, schreiben Freidline und ihre Kollegen. Die Lage der Tam-Pà-Ling-Höhle weitab von der Küste legt ihrer Ansicht auch nahe, dass die frühen Vertreter unserer Art sich nicht nur entlang der Küsten über Südostasien verbreiteten, sondern auch die bewaldeten Gebiete im Inland durchstreiften. „Wir können noch einiges von den Höhlen und Wäldern Südostasiens lernen“, sagt Co-Autorin Kira Westaway von der Macquarie University in Sydney.

Quelle: Sarah Freidline (University of Central Florida, Orlando) et al., Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-38715-y

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!