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#Frage am Freitag: Wie viel Platz brauchen wir zum Leben?

Frage am Freitag: Wie viel Platz brauchen wir zum Leben?

„Wieso, weshalb, warum?“ ist in der kollektiven Kindheitserinnerung unserer Redaktion der dauerhafte Lieblingsohrwurm gewesen, Karla Kolumna mit ihren tausend Fragen unser Vorbild. Denn ja: Wir sind wandelnde, redaktionelle Klischees, die es lieben, neugierige Fragezeichen an die Enden ihrer Sätze zu setzen. Jeden Freitag wollen wir ab jetzt ehrliche Antworten zu Themen wie „Sollten alle Menschen vegan werden?“ oder „Was passiert eigentlich in einer Krise?“ bekommen – und das von Menschen, die es wissen sollten. Wir fragen Expert*innen und lassen sie Zusammenhänge erklären.

Aber nicht nur! Weil wir Fragen mindestens genauso gerne beantworten wie wir sie stellen, geben wir auch selbst ehrliche Antworten – zu Fragen, die ans Eingemachte gehen. Habt ihr Fragen, die euch schon ewig im Kopf herum kreisen? Dann schreibt uns an [email protected]! 

Hängt unsere Lebensqualität von der Quadratmeterzahl ab?

Ich kann mich ehrlich gesagt nicht an das letzte Mal erinnern, an dem ich so viel Zeit zuhause verbracht habe. Während ich zu Pre-Pandemiezeiten meine leeren Wände und kleines WG-Zimmer immer mit den Worten „Ich bin eh nie zuhause“ gerechtfertigt habe (das sollte man übrigens auch nicht mehr tun) – bin ich mittlerweile gefühlt 29/7 daheim. Denn hier findet jetzt alles statt: Vom Home-Office und Online-Vorlesungen über virtuelle Wine-Tastings, die zu Trinkspielen führen und Yogastunden die zum Heimkino überleiten. „Zu dir oder zu mir?“ ist mittlerweile keine Frage mehr, die wir nach einer durchzechten Nacht unserem vermeintlich gut aussehenden Gegenüber stellen, sondern eine, die ebenso zum Alltag gehört wie Koch-Abende und Spaziergänge. Das Leben ist irgendwie kleiner geworden – sei es die Anzahl an Bars in unserem Viertel, der (Feier-) Freundeskreis oder schlichtweg der Platz zuhause. 

Das Leben ist irgendwie kleiner geworden – sei es die Anzahl an Bars in unserem Viertel, unser (Feier-) Freundeskreis oder schlichtweg der Platz zuhause. 

Und obwohl unsere Quadratmeter nicht weniger und unsere Decken nicht tiefer geworden sind, fühlt sich das neue Allrounder-Zuhause irgendwie komprimierter an als zuvor. Aber wie viel Platz brauchen wir eigentlich zum Leben? Wie groß muss mein WG-Zimmer oder meine Wohnung sein, um mich darin wohl zu fühlen? Entfaltet sich meine Kreativität nur bei ausreichend Raum und brauchen meine Gedanken den sprichwörtlichen Gang um zur finalen Idee zu kommen? Oder sind wir durch unsere Großraumbüros und mehrstöckigen Fitnessstudios von der Idee des kleinen, aber feinen Zuhauses abgekommen?

Mal die Hard Facts vorne weg: Jeder, der in Deutschland in einer der sieben größten Städte wohnt, das sind Berlin, Hamburg, München, Köln, Frankfurt, Stuttgart und Düsseldorf, lebt auf ungefähr vierzig Quadratmeter. Jede*r Zweite wohnt noch dazu mit mindestens einer anderen Person zusammen. Ersteres nimmt seit Jahren ab, letzteres zu. Dass Wohnungsnot in deutschen Großstädten also ein ziemliches Problem darstellt, überrascht wohl kaum noch jemanden (außer ihr habt eine freistehende Badewanne zuhause, dann vielleicht schon) und führt regelmäßig dazu, dass mehrere tausend Menschen auf die Straßen gehen, um gegen die steigenden Mietpreise und den damit einhergehenden Platzmangel zu protestieren. Dass wir auf genau jenem Platz momentan nicht nur essen, trinken und schlafen, sondern auch arbeiten, studieren und trainieren, macht die Sache natürlich nicht unbedingt einfacher. Aber steigt mit zunehmendem Wohnraum denn auch automatisch unsere Lebensqualität? 

Wahrscheinlich nicht. Denn, dass es sich auch auf kleinstem Raum ziemlich glücklich und gemütlich seinen Lebtag verbringen lässt, zeigt schon allein der Tiny House Trend, der die letzten Jahre völlig durch die Decke gegangen ist. Von heute auf morgen hat sich Instagram in ein Glamping-Fotoalbum aus magnetischen Pflanzenhaltern, faltbaren Herdplatten und ausziehbaren Duschkabinen verwandelt. Es schien als hätte sich die halbe Welt dazu entscheiden, ihre sieben Sachen zu packen und sich auf und davon zu machen. Plötzlich fuhren alle meine Freunde wochenlang mit dem VW-Bus ihrer Eltern durch Portugal und sogar meine Großeltern fingen an, ihre jahrelange Liebe für All-Inclusive-Hotelurlaube gegen ein schickes, kleines Wohnmobil einzutauschen. Reportagen über den minimalistischen Lebensstil nahmen sämtliche Prime-Time-Sendezeiten ein und als man dachte, es geht nicht mehr, kam Marie Kondō um die Ecke. Gefühlt wurde da der Tatort abgeschafft.

Denn obwohl ein Dach über dem Kopf einnes unserer grundlegendsten Bedürfnisse ist, ist es noch lange nicht der heilige Gral zur Glückseligkeit.

Wohlbefinden muss also anderswo liegen, als in der reinen Quadratmeterzahl unserer vier Wände. Das wird einem auch bewusst, wirft man einen Blick auf die drei lebenswertesten Städte der Welt: Wien, Zürich, München. Hier wohnen die meisten Menschen nicht, weil sie sich für wenig Geld in pompösen Altbau-Villen amüsieren können, sondern weil alle drei Städte besonders vielfältig sind, sowie vor allem eins – grün. Schwingt man sich hier auf’s Fahrrad, ist der nächste Park und die obligatorische Frischluft nicht weit, was sich wiederum positiv auf die psychische Gesundheit und Zufriedenheit der Menschen auswirkt. Denn obwohl ein Dach über dem Kopf eines unserer grundlegendsten Bedürfnisse ist, ist es noch lange nicht der heilige Gral zur Glückseligkeit. Auch wenn dieser physische Schutz uns Unterschlupf und Sicherheit bietet, sehnen wir uns als Menschen ebenso nach sozialer Nähe, Zugehörigkeit, Wertschätzung, Anerkennung und Selbstverwirklichung. Und die geht nicht von einem Raum, sondern von uns selbst aus.

Vielleicht kommt es am Ende also nicht darauf an, wie viel Platz wir haben, sondern wie wir ihn nutzen – und wo. Ich glaube, wir brauchen an unserem Wohnort eine gesunde Kombi aus selbst auserkorenen safe spaces und public spaces. Zufluchtsorte im Zufluchtsort. Miniversen, wenn man so will: Einen Sessel, auf dem nicht gearbeitet wird. Eine Parkbank nebenan, auf der man einmal am Tag kurz in die Sonne blinzelt. Oder eine Playlist die, bestückt mit mächtigen Songs, als Soundtrack für den Feierabend, das Wochenende, die Kochsession oder einfach nur die spontane Lernpause fungieren kann. Tanzen geht auch auf der Stelle – ganz egal, wie viel Platz außenrum.

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