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#„Für die Polizei ist ein kritischer Moment erreicht“

„Für die Polizei ist ein kritischer Moment erreicht“

Die Expertenkommission zur Aufarbeitung rechtsextremer Chats in der hessischen Polizei hat die bisherige Krisenkommunikation scharf kritisiert. Zugleich gab sie, wie es von Innenminister Peter Beuth (CDU) beauftragt worden war, eine Reihe an Empfehlungen heraus, wie die Polizei ihre Rolle in der Gesellschaft künftig wahrnehmen sollte, um sich nicht mehr dem Verdacht auszusetzen, die gesamte Organisation sei durchzogen von rechten Strukturen.

Die Kommissionsvorsitzende, die Verfassungsrechtlerin Angelika Nußberger, sagte am Montag bei der Vorstellung des Berichts, es sei in den etwa 70 Gesprächen, die mit Opfern der NSU 2.0-Drohbriefserie, Angehörigen der Polizei, Journalisten und Vertretern der Zivilgesellschaft geführt worden waren, deutlich geworden, wie schleppend auf die Missstände innerhalb der Organisation reagiert worden sei. So sei immer noch nicht sichergestellt, dass polizeilich unbefugte Datenabfragen dem betreffenden Beamten auch zugeordnet werden könne.

Zudem habe die Kommission wahrgenommen, dass viele der Chat-Inhalte von Beamten geradezu nicht ernst genommen worden seien, offenbar, weil nicht bis zur Basis kommuniziert worden sei, um was für Inhalte es sich tatsächlich gehandelt habe. Laut Nußberger sehe man dadurch „eine Gefahr der Verharmlosung“.

„Verrohter Fremdenhass“

Deutliche Worte dafür fand der stellvertretende Vorsitze, Jerzy Montag, Richter am Bayerischen Verfassungsgerichtshof und ehemaliger Bundestagsabgeordneter. Er plädierte dafür, „Ross und Reiter zu nennen“, wenn man über die Chat-Inhalte spräche. Wie sonst sollen nicht beschuldigte Beamte wissen, dass es sich bei den ausgetauschten Nachrichten um die schlimmste Art von antisemitischen, fremdenfeindlichen und menschenverachtenden Inhalten handele, die man sich nur vorstellen könne, „versehen mit Smileys und Likes“.

Man habe es „mit Bildern zu tun, die einem den Atem nehmen“. Menschen mit Behinderungen würden herabgewürdigt, dunkelhäutige Menschen würden rassistisch beleidigt, der Tod von Flüchtlingen als wünschenswert dargestellt. Zudem werde der Nationalsozialismus verherrlicht, Massenmord als nachahmenswert dargestellt. Frauenhass werde „verbunden mit gewaltverherrlichenden Perversionen“. Das, was die Kommission zu sehen bekam, sei „roh und gehässig, völlig empathielos gegenüber dem Leid von Menschen.“

So ist laut Montag auf einem der Bilder das Vernichtungslager Auschwitz gezeigt und als „Juden-Herberge“ betitelt. Auf einem weiteren ein lachender Adolf Hitler, der auf einen rauchenden Kamin zeigt, mit den Worten: „Da geht eine jüdische Familie dahin.“ Ein weiteres Bild zeigt ein „Häufchen Asche“, wie Montag mit belegter Stimme weiter referiert. „Darunter steht: Ein junges jüdisches Mädchen. Verbunden mit widerlichen sexuellen Erläuterungen“.

Doch auch „verrohter Fremdenhass“ wirft Montag den mehr als hundert Beamten, die sich in den Chat-Gruppen aufgehalten haben, vor. Zu sehen ist der zwei Jahre alte syrische Flüchtlingsjunge Alan Kurdi. Das Bild, wie er tot am Strand lag, ging um die Welt. In das Bild wurde der Fußball-Star Ronaldo montiert, so dass es scheint, als ziele er „aus vollem Lauf auf den Kopf der Leiche“. Darunter steht: „Der beste kick, den Ronaldo je tat.“

Jerzy Montag sagte, es sei auffällig, dass kein Mitglied der Chat-Gruppen Widerspruch erhoben oder sich bei Vorgesetzten gemeldet habe. Er führt es unter anderem darauf zurück, dass sich ein Beamter, der einen solchen Verstoß melde, automatisch selbst mit belaste und dies zu einem Dienstverfahren gegen sich selbst führt. Deshalb spreche die Kommission die Empfehlung aus, für solche Fälle das Disziplinarrecht zu ändern und es den Beamten, die ein solches Fehlverhalten der Kollegen melden wollen, „eine Handreichung zu geben“.

Neues Leitbild empfohlen

Doch das ist nur eine Empfehlung von vielen. Die Kommission fordert ferner, dass sich die Polizei ein neues Leitbild gibt, das dann auch „gelebt“ werde. Nußberger sagte, es habe auch früher ein Leitbild gegeben, das mit dem Politikwechsel jedoch nicht mehr weitergeführt worden war. Zudem soll die Aus- und Fortbildung verbessert werden, um die Polizei zu einer „lernenden Organisation“ werden zu lassen. Sowohl Datenschutz als auch Rechtsextremismus und Umgang mit Opfern, „insbesondere auch von gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“, müssen „Themen von besonderem Gewicht sein“. Auch die Öffentlichkeitsarbeit, die über Fehlverhalten kommuniziere, müsse verbessert werden. Nußberger sagte: „Für die Polizei ist ein kritischer Moment erreicht.“

Innenminister Peter Beuth (CDU) sagte, einige der Empfehlungen, wie etwa die striktere Sicherheitsüberprüfung von Polizeianwärtern durch den Verfassungsschutz, seien bereits angestoßen worden. Es gebe eine eigene Stabsstelle dafür, die sich nun um die Umsetzung der Empfehlungen kümmere. Er sei dankbar für diesen „kritischen Blick von außen“. Die Polizei sehe er nun in der Pflicht, „an einer Fehlerkultur zu arbeiten, die von innen wächst“.

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