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#Für die Rentenlücke fehlt das Kapital

Für die Rentenlücke fehlt das Kapital

Der Rentenexperte Bernd Raffelhüschen ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, der große soziale Phänomene auf das Individuum herunterbrechen kann. Für das demographische Problem seien Babyboomer verantwortlich, weil sie zu wenig Nachwuchs auf die Welt gesetzt hätten. „Wie viele Kinder haben Sie eigentlich?“, fragt er dann direkt. 1987 hat er sich zum ersten Mal in einem wissenschaftlichen Paper mit der Kapitaldeckung der Rente befasst, 1989 seine Dissertation mit Simulationsrechnungen abgeschlossen. Seither verfolgte er, wie andere Länder (Norwegen und Schweden zum Beispiel) die Kapitaldeckung konsequent einführten und Deutschland zögerlich.

Philipp Krohn

Redakteur in der Wirtschaft, zuständig für „Menschen und Wirtschaft“.

Zuletzt vor vier Jahren legte der Finanzprofessor, der am Freiburger Forschungszen­trum Generationenverträge wirkt, mit der Fondsgesellschaft Union Investment einen „Vorsorgeatlas“ vor, der einige detaillierte Daten zur Altersvorsorge in Deutschland bündelt. Wieder wurden nun für alle 20- bis 65-jährigen Deutschen die Rentenansprüche berechnet und mit der realen Versorgung verglichen. Danach können die 36 Millionen gesetzlich Versicherten im Durchschnitt damit rechnen, dass sie 47 Prozent ihres letzten Einkommens im Ruhestand erhalten.

Legt man die Lebensstandardsicherung mit 60 Prozent des letzten Einkommens fest, schaffen das zwei Drittel dieser Altersgruppe ausschließlich mit Zahlungen aus der ersten Schicht (also aus der gesetzlichen Rente, Beamtenpensionen, berufsständischen Ansprüchen oder der Rürup-Rente). Die 20 Millionen Deutschen mit zusätzlichen Ansprüchen aus der zweiten (kapitalgedeckte Vorsorge: betriebliche Altersversorgung, Riester) und dritten Schicht (Immobilien, Geldvermögen) kämen im Durchschnitt über diese 60-Prozent-Marke.

Gruppen mit höchsten Vorsorgebedarf profitieren am meisten

Das sei ein passables Ergebnis, findet Raffelhüschen. Doch sei nicht davon auszugehen, dass der Status quo beizuhalten sei. „Auf die 47 Prozent kommt man künftig nur noch durch höhere Lasten auf die Arbeit oder durch Steuern“, sagt der Freiburger Professor. Wenn jüngere Menschen in einigen Jahren 25 Prozent Beitragssatz zahlen müssten, würden sie sich mit älteren Bevölkerungsgruppen vergleichen, die verantwortlich für den Geburtenrückgang seien. Deshalb müssten diese finanziell geradestehen. „Aber auch die neue Bundesregierung scheint dazu nicht gewillt“, sagt er.

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Die Riester-Rente werde in ihrer Wirkung unterschätzt, heißt es in dem Vorsorgeatlas, dessen Urheber Union Investment Marktführer im Vertrieb dieses Vorsorgeprodukts ist. Auch Raffelhüschen steht durch Aufsichtsratsmandate bei Finanzdienstleistern und sein Engagement für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft in der Kritik einiger Interessengruppen. Tatsächlich zeigen die Daten der Publikation, dass besonders die Gruppen mit dem höchsten Vorsorgebedarf, also junge Leute, Frauen und Niedrigverdiener, vom Riester-Modell profitieren. Liege die Lohnersatzquote im Durchschnitt aller Riester-Kunden bei 13,9 Prozent, betrage sie bei jungen Leuten 16,5 Prozent, bei Frauen 16,9 Prozent und bei Beziehern von Einkommen unter 1100 Euro im Monat 20,6 Prozent.

Höherer Bundeszuschuss

In der Altersgruppe der 20- bis 30-Jährigen verfügen 43,2 Prozent über einen Vertrag. Gerade in dieser Kohorte sind die Ansprüche auf eine Betriebsrente mit 2,7 Prozent besonders niedrig. Das gilt auch für die Gruppe der Geringstverdiener, die in ähnlichem Ausmaße mit Betriebsrentenansprüchen ausgestattet sind. Und auch hier ist die Riester-Beteiligungsquote mit 43,9 Prozent besonders hoch. „Eigeninitiative und mehrere Säulen halten die Altersvorsorge tragfähig“, sagt Hans Joachim Reinke, Vorstand der Union Investment: „Aber das demographische Problem wird bleiben. Bis 2045 gibt es doppelt so viele Rentner.“

Die Bemühungen der drei Parteien, die sich zu Koalitionsgesprächen zusammengefunden haben, eine aktienbasierte Altersvorsorge aufzubauen, seien zu begrüßen, sagte Raffelhüschen. Allerdings werde sie nicht das Problem beheben, dass geburtenstarke Jahrgänge von 1960 an im kommenden Jahrzehnt in die Rente gehen werden. „Hätten wir die Kapitaldeckung Anfang der Neunziger gemacht, hätten zwei bis drei Prozent des Einkommens in Aktien angelegt wie in Norwegen, hätten wir es geschafft“, kritisiert er. Die Wissenschaft habe damals Vorschläge gemacht. Die Politik sei nicht bereit gewesen. Das rot-grüne Kabinett mit den Ministern Riester, Schmidt und Müntefering habe wichtige Sanierungsschritte vollzogen. Die Minister Scholz (Rentengarantie), Nahles (Rente mit 63) und Heil (doppelte Haltelinien) hätten dies konterkariert. Das Ergebnis werde ein höherer Bundeszuschuss sein.

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