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#Für Kiew wäre schon ein Patt gut

„Für Kiew wäre schon ein Patt gut“

Am 110. Tag des russischen Angriffs auf die Ukraine hat deren Präsident seinen Bürgern die Befreiung ihres Landes versprochen. Man werde das gesamte Territorium zurückerobern, die Besatzer aus allen Regionen vertreiben, sagte Wolodymyr Selenskyj am Montagabend in einer Videobotschaft. Er nannte den Donbass, Cherson, Melitopol und Mariupol, ja, sogar die Krim, die 2014 von Russland annektiert worden war. Jeder Besatzer dort solle wissen: „Dies ist nicht das Land, wo ihr Frieden haben werdet!“

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Was der Präsident nicht erwähnte: Seine Streitkräfte erleiden gerade eine Niederlage. Von einer Befreiung der Gebiete, die sie seit Kriegsbeginn verloren haben, sind sie weit entfernt, von der Krim zu schweigen. Vielmehr erobern russische Truppen Stück für Stück die Stadt Sewerodonezk im Bezirk Luhansk. Dort toben seit Wochen die heftigsten Kämpfe, dort haben die Russen ihre Truppen konzentriert. Inzwischen sollen sie das Stadtzentrum kon­trollieren, von siebzig Prozent der gesamten Stadt ist die Rede. Sie haben die letzte Brücke von dort nach Lyssytschansk zerstört, was den ukrainischen Soldaten den Rückzug erschwert. Noch sind sie nicht eingeschlossen, aber nach Einschätzung westlicher Beobachter ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Industriestadt fällt. Moskau hätte dann ein weiteres Kriegsziel erreicht: die Kontrolle über das gesamte Gebiet Luhansk.

Beide Seiten haben hohe Verluste erlitten. Westliche Fachleute schätzen, dass schon bis zu 20.000 russische Soldaten gefallen sind. Das Heer soll ein Drittel seiner Kampfkraft eingebüßt haben, die gesamte Armee 15 bis 20 Prozent – und das in bloß dreieinhalb Monaten. Über die ukrainischen Verluste war lange Zeit wenig bekannt. Die Geheimdienste machten dazu keine Angaben, Kiew ebenso wenig. Anfang dieses Monats nannte Selenskyj erstmals eine Zahl: Jeden Tag würden sechzig bis hundert Soldaten getötet und bis zu 500 weitere verwundet, sagte er in einem Interview. Vorige Woche sprach sein Berater Mychajlo Podolyak dann schon von hundert bis zweihundert Toten am Tag.

„Verluste von 200 Soldaten am Tag kann die Ukraine nicht lange durchhalten“

Das ist eine hohe Zahl. Fachleute haben lange Zeit unterstellt, dass die ukrainischen Verluste geringer als die russischen seien. In der jetzigen Phase dürften sie aber mindestens genauso hoch sein, wenn nicht höher. Auch die Zahl der Verwundeten springt ins Auge. Im Donbass hatten die Ukrainer zu Kriegsbeginn zehn Brigaden stationiert, zusammen 40 000 Soldaten. Das waren die erfahrensten und schlagkräftigsten Einheiten der Armee. Sie dürften inzwischen stark dezimiert sein. Zwar verfügt das Land – anders als Russland, das die Generalmobilmachung scheut – über eine riesige Zahl von Reservisten, doch können sie die Kampfkraft nur zum Teil ersetzen. „Verluste von 200 Soldaten am Tag werden für die Ukraine nicht lange durchzuhalten sein“, sagt ein westlicher Geheimdienstvertreter der F.A.Z..

Die ukrainischen Truppen stehen, vor allem nachts, unter Dauerfeuer aus russischen Artilleriestellungen. Die Russen sind dabei klar im Vorteil, sie haben zehn- bis fünfzehnmal mehr Geschütze, wie der stellvertretende Chef des ukrainischen Militärgeheimdienstes, Vadym Skibitskyj, zuletzt dem „Guardian“ sagte. Außerdem ist die Munition für Mörser und Haubitzen aus sowjetischer Produktion inzwischen weitgehend aufgebraucht. Man verschieße 5000 bis 6000 Granaten am Tag, so Skibitskyj. Auch die osteuropäischen Partner hätten kaum noch Reserven.

Die ukrainische Führung hatte ein solches Szenario frühzeitig vorausgesehen und um westliche Geschütze gebeten. Die sind normiert, das NATO-Kaliber beträgt 155 Millimeter. Das ist etwas größer als der sowjetische Standard, 152 Millimeter. Nach Angaben von Verteidigungsminister Oleksij Resnikow haben die Partner auch geliefert. Inzwischen seien fünf Typen von Haubitzen im Einsatz, insgesamt 150 Stück. Die Munitionsbestände lägen zehn Prozent höher, als es zu Kriegsbeginn für die alten Sowjetsysteme der Fall gewesen sei. Allein die Vereinigten Staaten hatten Kiew mehr als 200.000 Granaten zugesagt. Die westlichen Geschütze haben eine höhere Reichweite als die russischen, und sie treffen ihre Ziele präziser. Trotzdem können sie die schiere Übermacht der Russen nicht ausgleichen. Derzeit gelingt es der Armee im Osten lediglich, „den Vormarsch der Russen zu verlangsamen und ihnen einen hohen Preis aufzuerlegen“, sagt der westliche Geheimdienstmann.

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