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#Gaben ihm wirklich Polizisten die Daten am Telefon durch?

Gaben ihm wirklich Polizisten die Daten am Telefon durch?

Die Festnahme des dringend Tatverdächtigen im Fall der „NSU-2.0“-Drohschreiben gründet sich auf eine „Hypothese“. So nennt es die Staatsanwaltschaft Frankfurt. Demnach erscheint es „naheliegend“, dass der Beschuldigte unter der Vorgabe, Angestellter einer Behörde zu sein, bei Polizeidienststellen anrief, um nicht frei recherchierbare personenbezogene Informationen zu erfragen, die er dann in den Drohschreiben verwendete. Das lasse die festgestellten Datenabfragen in hessischen Polizeirevieren zu Personen, die Drohschreiben erhielten, „plausibel erscheinen“, so die Staatsanwaltschaft.

Die Ermittler gründen die Hypothese auf zwei Punkte: die Vorgeschichte des Tatverdächtigen sowie die Sprache, die er nutzte. Daran, dass der Tatverdächtige die Schreiben verfasste, gibt es offenbar wenig Zweifel. Über seine Sprache waren die Ermittler auf den 53 Jahre alten Alexander M. aufmerksam geworden.

Ähnlichkeiten „in Form und Duktus“

So stieß die Arbeitsgruppe „AG 211“ des hessischen Landeskriminalamts (LKA) nach Angaben der Staatsanwaltschaft bei der Überwachung und Auswertung relevanter Blogs auf Einträge eines Nutzers bei der rechtspopulistischen Online-Plattform PI-News. Die Einträge hätten „in Form und Duktus“ Ähnlichkeiten mit den Drohschreiben aufgewiesen. „Linguistische Begutachtungen“ durch das sprachwissenschaftliche Institut des Bundeskriminalamtes hätten eine hohe „Autorenübereinstimmung“ ergeben.

Aus den Kommentaren auf PI-News sowie von einem Profil einer Schachplattform, bei der der Verdächtige mit dem gleichen Bild aktiv gewesen sein soll, habe man mittels Abfrage bei Kommunikationsanbietern schließlich den Beschuldigten identifiziert sowie die Wohnanschrift ermittelt. Auch wenn er seine Spuren bei den Drohschreiben auch mit Hilfe ausländischer Server offenbar verschleiert hatte, gibt es also wenig Zweifel daran, dass M. der Verfasser der Drohschreiben gewesen sein dürfte.

Dass er die Abfragen der Daten bei der Polizei veranlasst haben soll, dafür spricht aus Sicht der Ermittler die Historie. Der Tatverdächtige ist polizeibekannt. Wegen mehrerer unter anderem rechtsmotivierter Straftaten war der arbeitslose Deutsche bereits verurteilt worden. Zudem soll er bereits häufiger als angeblicher Behördenmitarbeiter bei Behörden angerufen haben, um an Daten zu kommen. 1992 soll er bereits verurteilt worden sein, weil er sich als Kriminalbeamter ausgegeben habe, so die Staatsanwaltschaft.

In „umfangreichen Eingaben“ des Beschuldigten im Rahmen einer Korrespondenz mit dem Landesamt für Bürger- und Ordnungsangelegenheiten Berlin, in dem dieser geschildert haben soll, wie man bei Behörden unter missbräuchlichem Vorgehen personenbezogene Daten erheben könne, entdeckten die Ermittler „signifikante Übereinstimmung“ zu der in den Drohschreiben verwendeten Sprache.

Allerdings gibt es Zweifel daran, ob der Tatverdächtige die Daten tatsächlich telefonisch erfragt hat. Das zeigt sich am Beispiel von Seda Basay-Yildiz. Die Frankfurter Anwältin steht im Mittelpunkt des Falls. An sie ging das erste Drohschreiben im August 2018, damals noch per Fax. Bis zuletzt erhielt sie weitere Drohungen, mittlerweile per E-Mail.

Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz


Rechtsanwältin Seda Basay-Yildiz
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Bild: dpa

Im ersten Schreiben bedrohte der Verfasser auch Basay-Yildiz gesamte Familie. Namentlich nannte er alle Familienmitglieder, dazu die Adresse. Die Daten waren nicht öffentlich. Die Ermittler stellten danach rasch fest, dass es im ersten Frankfurter Polizeirevier kurz vor Eintreffen des Drohschreibens eine Abfrage der Daten gegeben hatte. Später gab es derlei Abfragen aus hessischen Polizeirevieren auch zu zwei weiteren Frauen, die Drohschreiben erhielten.

Eine umfangreiche Datenabfrage im Frankfurter Revier

Bevor das erste Drohschreiben an Basay-Yildiz ging, waren in dem Frankfurter Revier vom Account einer Polizistin verschiedene Datenbanken und polizeiliche Informationssysteme zu Basay-Yildiz’ Namen abgefragt worden, unter anderem wurde geschaut, ob etwas polizeilich gegen sie vorlag. Die Abfrage war umfangreich, sie dauerte rund zehn Minuten. Die Polizistin, über deren Account die Abfrage erfolgt sein soll, will sich daran aber bei einer Vernehmung wenige Wochen später nicht erinnert haben. Wie sich später herausstellte, war sie Teil einer Chatgruppe innerhalb des Reviers, die sich rechtsextreme Inhalte zuschickte. Just dort soll der Tatverdächtige zufällig angerufen haben?

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Basay-Yildiz erhielt im Laufe der Jahre mehr als ein Dutzend Drohschreiben, die mit „NSU 2.0“ unterschrieben waren. Die Anwältin wurde eng vom LKA betreut. Als sie umzog, sperrte die Behörde ihre neue Adresse. Trotzdem nannte der Drohschreiber diese kurz danach in einer neuen E-Mail. Telefonisch kann er kaum an sie gelangt sein. Bei einer Abfrage wäre das LKA benachrichtigt worden. Der Sicherungsmechanismus funktionierte: Dem Vernehmen nach erfolgte vor einigen Monaten einmal der Versuch einer Abfrage der Daten.

So soll eine Polizeidienststelle aus einem anderen Bundesland den Kontakt der Anwältin auf dem Telefon eines Verdächtigen unter Hunderten anderen gefunden haben. Die Namen wurden im Polizeisystem abgefragt. Das LKA wurde benachrichtigt, soll die Daten aber nicht herausgegeben haben. Wie soll der Tatverdächtige dann an sie gekommen sein?

Die Ermittler gehen dem derzeit nach. Bisher lägen noch keine Hinweise dafür vor, dass der Verdächtige die Daten abfragen ließ, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft am Mittwoch. Die Frage werde derzeit ermittelt. Gegen den Tatverdächtigen wird nun unter anderem wegen des Verdachts der Volksverhetzung, des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, der Bedrohung sowie der Beleidigung ermittelt. Er sitzt in Untersuchungshaft.

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