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#Bei den Edlen Wilden vom Lande

Bei den Edlen Wilden vom Lande

Der Topos von Edlen Wilden bezeichnet seit etwa dem sechzehnten Jahrhundert eine spezifische Sicht auf außereuropäische Völker als naturverbundene Wesen, unter deren wüst anzuschauendem Äußeren – Federn, Lendenschurz und so weiter – sich eine unverdorbene, reine, ja kindliche Seele befinden sollte. Für Autoren besonders im achtzehnten Jahrhundert war der Edle Wilde eine willkommene Gelegenheit, die eigene Zivilisation als zwar überlegen, aber auch korrumpiert, dekadent und unnatürlich darzustellen. So wurden Naturvölker zum Vehikel der Zivilisationskritik, im allerbesten Fall ließ sich diese Verklärung wenigstens noch gegen Konzepte wie Sklaverei und Ausbeutung der Kolonien in Stellung bringen. Manchmal, wenn man Juli Zehs neuen brandenburgischen Dorfroman liest, kommt einem dieses Motiv wieder in den Sinn.

„Über Menschen“ handelt von Dora, einer Berliner Werbetexterin, die vor Corona und ihrem in vielerlei Hinsicht fanatischen Lebensgefährten aufs platte Land flieht. Hinter ihr liegt das Berliner Agenturleben mit dem Fahrrad „Gustav“ – ja, das Fahrrad hat einen Namen –, dem Partner Robert (der Karikatur eines Gutmenschen, der Greta Thunbergs Reden mit religiösem Eifer folgt), dem üblichen Gewese um laktosefreie Kaffeespezialitäten und der Hündin „Jochen“ in einer Kreuzberger Altbauwohnung. Also das, was einem als Erstes einfällt, wenn man an Berlin denkt. Vor ihr liegt ein verwilderter Garten, in dem ein Gemüsebeet entstehen soll, denn noch besser als Bio ist selbst angebaut. Nun stellt sich aber heraus: Das ist gar nicht so einfach, das mit dem Garten.

Nachbarn bringen Saatkartoffeln und Möbel

Und dann ist da natürlich die wunderbare Natur. Ach, der Wald! Den hat Dora schon immer geliebt: „Dieses riesige, atmende Wesen, voller Leben und Betriebsamkeit und zugleich von unerschütterlicher Ruhe. Der Wald will nichts von ihr. Er braucht keine Unterstützung. Er kümmert sich mit großem Erfolg um sich selbst. Zwischen Bäumen, die größer und älter sind als ein Mensch, kommt sich Dora auf erleichternde Weise unbedeutend vor.“ Endlich einmal nicht darüber nachdenken, ob man beim Einkaufen den Leinenbeutel vergessen hat, es könnte so schön sein, wäre da nicht diese platitüdenhafte Sprache. Aber gehen wir mal davon aus, es hier mit einem Unterhaltungsroman zu tun zu haben und nicht mit Literatur, und konzentrieren uns auf die Handlung.

Schriftstellerin Juli Zeh.


Schriftstellerin Juli Zeh.
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Bild: dpa

Das Gutsverwalterhaus in dem Ort namens Bracken, das zwischenzeitlich als Dorfkindergarten fungierte und dann lange leerstand, ist groß und billig. Dort richtet sich Dora ein, so gut es geht, Platz ist genug da für Hund und Laptop. Bald lernt sie ihre Nachbarn kennen: Gote, den Dorfnazi, der nebenan wohnt und ihr ab und zu ungefragt Möbel hinstellt, weil sie keine hat. Das Paar Tom und Steffen, der eine Florist, der andere Kabarettist. Die alleinerziehende Mutter Sadie, die Nachtschichten schiebt, um über die Runden zu kommen. Die Nachbarn bringen Saatkartoffeln für das frisch angelegte Gemüsebeet vorbei oder nehmen Dora mal mit zum Einkaufen. Knorrige Menschen, das Herz am rechten Fleck. Also das, was einem als Erstes einfällt, wenn man an Brandenburg denkt – oder wenn man auch schon Zehs früheren Roman „Unterleuten“ gelesen hat.

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