Wissenschaft

#Gen für Herzfehler beim Down-Syndrom identifiziert

Viele Menschen mit Down-Syndrom haben einen angeborenen Herzfehler. Ursache ist die zusätzliche Kopie des Chromosoms 21. Welches der 230 Gene auf Chromosom 21 allerdings dafür verantwortlich ist, war bislang unklar. Nun haben Forschende eines der verantwortlichen Gene identifiziert. Dazu untersuchten sie das Herzgewebe von menschlichen Embryos mit und ohne Trisomie 21 sowie ein Mausmodell des Down-Syndroms. Die Ergebnisse weisen auch auf einen möglichen Behandlungsansatz hin: Bekamen die Down-Syndrom-Mäuse bereits im Embryonalstadium ein Medikament, das die Aktivität des Gens unterdrückt, war ihr Herzfehler weniger stark ausgeprägt.

Etwa eines von 800 Neugeborenen hat eine dritte Kopie des Chromosoms 21. Diese sogenannte Trisomie 21 führt zu einer Vielzahl von Symptomen, die unter dem Begriff Down-Syndrom zusammengefasst werden. Dazu zählen kognitive Beeinträchtigungen, veränderte Gesichtszüge und körperliche Fehlbildungen. Rund jeder zweite Mensch mit Down-Syndrom kommt mit einem Herzfehler zur Welt. Oft sind die Herzkammern nicht vollständig voneinander getrennt, was zu einer verringerten körperlichen Leistungsfähigkeit und einer niedrigeren Lebenserwartung führt. Betroffene müssen sich oft schon im Säuglingsalter einer risikoreichen Operation unterziehen und ihr Leben lang überwacht werden.

Untersuchungen an embryonalen Herzen

Um alternative Therapiemöglichkeiten zu entwickeln, ist es entscheidend, die Ursachen der Herzprobleme zu finden. Damit hat sich ein Team um Eva Lana-Elola vom Francis Crick Institute in London nun beschäftigt. „Diese klinisch bedeutsame Herzpathologie ist das Ergebnis einer dritten Kopie von einem oder mehreren der etwa 230 Gene auf Chromosom 21“, erklären die Forschenden. „Welche Gene der Herzpathologie zugrunde liegen, war allerdings unklar. Deshalb sind auch die Krankheitsmechanismen weitgehend unbekannt.“

Um diese Frage zu klären, untersuchte das Team zunächst zehn Herzen von menschlichen Embryos, die in der 13. oder 14. Schwangerschaftswoche abgetrieben und der Wissenschaft zur Verfügung gestellt worden waren. Fünf davon stammten von Embryos mit Trisomie 21, fünf von Embryos mit normaler Chromosomenanzahl. Bei der Analyse stießen die Forschenden auf mehrere Gene von Chromosom 21, die in den Down-Syndrom-Herzen deutlich stärker abgelesen wurden.

Krankheitsmechanismen auf der Spur

Doch welche dieser Gene sind tatsächlich ursächlich für die Herzfehler? Das untersuchten die Forschenden mit Hilfe von Mäusen, bei denen sie von den Regionen des Genoms, die dem menschlichen Chromosom 21 entsprechen, eine zusätzliche Kopie erzeugten und so ein Down-Syndrom hervorriefen. Tatsächlich wiesen die Herzen der auf diese Weise genetisch veränderten Maus-Embryonen die gleichen krankhaften Prozesse auf wie bei menschlichen Embryonen mit Down-Syndrom – ein erster Einblick in mögliche Krankheitsmechanismen. Dazu zählten eine verringerte Zellteilung, ein abgeschwächter Energiestoffwechsel und verstärkte Immunreaktionen.

Im nächsten Schritt nutzten Lana-Elola und ihr Team Mäuse, bei denen nur ein Teil der relevanten Gene in dreifacher Ausführung vorlagen. Dabei erfassten sie jeweils, wie sich die verdreifachten Gene auswirkten und ob dies zu Herzfehlern führte. Auf diese Weise grenzten sie die in Frage kommenden Gene immer weiter ein, bis sie schließlich auf eines stießen, ohne dessen Verdreifachung es nicht zu Herzfehlern kommt. Dabei handelt es sich um ein Gen namens Dyrk1a, das unter anderem für die Zellteilung im sich entwickelnden Herzen verantwortlich ist und zudem die Funktion der Mitochondrien beeinflusst, den Kraftwerken der Zelle.

Medikament verhindert Herzfehler bei Mäusen

„Die zusätzliche Kopie von Dyrk1a war verantwortlich für die meisten festgestellten Veränderungen in den sich entwickelten Mäuse-Herzen mit Down-Syndrom“, schreibt das Team. Den Ergebnissen zufolge ist die Verdreifachung von Dyrk1a erforderlich, damit sich ein Herzfehler entwickelt, reicht aber allein nicht aus. Mindestens ein weiteres Gen muss also zusätzlich beteiligt sein. Dieses möchte das Team in zukünftigen Studien identifizieren.

Schon Dyrk1a bietet aber einen potenziellen Ansatzpunkt für Therapien. Um mögliche Behandlungsoptionen zu testen, verabreichten die Forschenden Down-Syndrom-Mäusen bereits in einem frühen Embryonalstadium ein Medikament, das die übermäßige Funktion von Dyrk1a unterdrückt. Und tatsächlich: „Unsere Forschung zeigt, dass die Hemmung von DYRK1A die Veränderungen in Mäuseherzen teilweise rückgängig machen kann“, berichtet Lana-Elolas Kollege Victor Tybulewicz.

Noch nicht einsatzreif für Menschen

Für Menschen eignet sich die Behandlung in dieser Form allerdings nicht, denn das Herz bildet sich schon während der ersten acht Wochen der Schwangerschaft – deutlich bevor ein potenzielles Down-Syndrom üblicherweise erkannt würde. Die Behandlung käme in diesem Fall also zu spät. „Die Hoffnung ist, dass ein DYRK1A-Hemmer auch später in der Schwangerschaft oder am besten sogar noch nach der Geburt eine Wirkung auf das Herz haben könnte“, sagt Tybulewicz. „Dies sind Möglichkeiten, die wir derzeit untersuchen.“

Quelle: Eva Lana-Elola (Francis Crick Institute, London) et al., Science Translational Medicine, doi: 10.1126/scitranslmed.add6883

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