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#Gerechtigkeit statt Harmonie

Gerechtigkeit statt Harmonie

Wir werden vermutlich in den kommenden zehn Jahren immer wieder das Scheitern von Aufarbeitungsprozessen in der katholischen und vielleicht auch in der evangelischen Kirche erleben. Was in diesen Wochen in Köln geschieht, ist jedenfalls ein Warnzeichen für alle, die bei dem Thema Aufarbeitung nach vorne preschen, ohne die Komplexität des Themas zu bedenken: Ein um die Wiedergewinnung von Glaubwürdigkeit bemühter Kardinal ist gescheitert. Er hat für sich selbst die Latte höhergelegt, als er springen konnte. Als er das merkte, rief er den Betroffenenbeirat herbei, damit dieser ihm beim Springen helfe. Und genau damit hat er seine Glaubwürdigkeit noch mehr beschädigt.

Es wäre aber zu einfach, diese und andere Fehlleistungen in den Aufarbeitungsprozessen der vergangenen Jahre bloß an der Unfähigkeit von leitenden Personen festzumachen. Im Hintergrund wirken vielmehr Dynamiken zusammen oder auch gegeneinander, in denen nicht nur die Bischöfe gefangen sind, sondern auch große Teile der kirchlichen und publizistischen Öffentlichkeit, die die Bemühungen der katholischen Kirche und ihr Scheitern kritisch begleitet. Dass die Kirche im Modus einer umgekehrten Echternacher Springprozession – ein Schritt vor, zwei Schritte zurück – trotz aller Aufarbeitungs-Bemühungen seit dem Jahr 2010 immer wieder zurückfällt, hat mit zwei Schlüsselthemen zu tun, die naheliegen, wenn man aufarbeiten will, die aber auch Fallen enthalten: 1. Wiedergewinnung der Glaubwürdigkeit. 2. Beteiligung der Betroffenen.

Als Rektor des Berliner Canisius-Kollegs brach der Jesuit Klaus Mertes 2010 das Schweigen über die sexuelle Gewalt, die andere Ordensleute Schülern angetan hatten.


Als Rektor des Berliner Canisius-Kollegs brach der Jesuit Klaus Mertes 2010 das Schweigen über die sexuelle Gewalt, die andere Ordensleute Schülern angetan hatten.
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Bild: Picture-Alliance

Seit dem Bekanntwerden der Missbrauchs-Fälle am Berliner Canisius-Kolleg vor mehr als elf Jahren ringt die katholische Kirche um die Wiedergewinnung ihrer Glaubwürdigkeit. Der Verlust derselben macht nicht nur die Bischöfe besorgt, sondern auch die engagierten Laien in der Kirche sowie alle, die davon überzeugt sind, dass eine dauerhafte Schwächung der Kirchen kein konstruktiver Beitrag für eine humanere Gesellschaft ist. Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) thematisierte bereits im Frühjahr 2010 die Krise der Glaubwürdigkeit mit deutlichen Worten. Insbesondere mit Präventionsprogrammen versuchten die Bistümer seither, einen Akzent zu setzen. Doch es brauchte erst die MHG-Studie, die im Herbst 2018 veröffentlicht wurde, ehe sich eine Mehrheit der Bischöfe eingestand, dass das Glaubwürdigkeitsproblem tiefer liegt; dass die Krise nicht nur eine Priesterkrise, sondern auch eine Bischofskrise ist; dass Missbrauch nicht nur in der Missetat von Tätern an schutzbefohlenen Personen besteht, sondern auch in der Unfähigkeit – in einigen Fällen sogar im Unwillen – der Leitung, diese Verbrechen disziplinarisch aufzuarbeiten.

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Bischöfe begannen, sich mutiger zu der Erkenntnis durchzuringen, die der Soziologe Franz-Xaver Kaufmann schon im April 2010 in der FAZ formuliert hatte; dass das Glaubwürdigkeitsproblem eines der Institution selbst ist, ihrer dysfunktionalen Verfassung, ihres Verlustes von Kontakt mit der Wirklichkeit. Diese Selbsterkenntnis führte zu einem neuen Schulterschluss zwischen Laien und Bischofskonferenz, sozusagen einer Aufbruchsstimmung im Alarmzustand. ZdK und Deutsche Bischofskonferenz (DBK) beriefen den „Synodalen Weg“ ein, die DBK versprach eine Neuregelung des Verfahrens für Anerkennungszahlungen und vereinbarte zusammen mit dem Unabhängigen Beauftragten der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs (UBSKM) „Standards für eine unabhängige Aufarbeitung“, zu denen wesentlich auch die Bildung von Betroffenenbeiräten in den Diözesen sowie deren Beteiligung an der Aufarbeitung gehört.

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