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#Gestern am Abgrund

Gestern am Abgrund

Das „Young Adult“-Fließband läuft wie geschmiert. Die neueste Lieferung nennt sich „Panic“, eine Verfilmung des gleichnamigen Jugendbuches von Lauren Oliver. Die Story ist unverschämt platt: Highschool-Absolventen feiern den Sommer mit Mutproben, einem Spiel namens „Panic“, und wer „Panic“ gewinnt, kann mit dem Preisgeld aus der öden Kleinstadt ausbrechen. Doch wie effektvoll platt in diesem Fall ausfällt: Die Serie „Panic“ aus dem Hause Amazon ist nämlich haarsträubend spannend, obwohl sie bloß von einem Sommer nach der Schule erzählt, dem Sommer zwischen dem alten und einem unbestimmten neuen Dasein, der Partys, der Küsse und Tränen.

Und mittendrin Heather (Olivia Welch), ein Backfisch aus ärmlichen Verhältnissen. Sie ist eigentlich viel zu klug, um „Panic“ zu spielen. Die Begeisterung ihrer Klassenkameraden, die dem Start des Wettbewerbs entgegenfiebern, geht ihr vollkommen ab. Aber sie ist erzürnt: Der erhoffte Job für den Sommer fällt flach, und das mühsam fürs College Gesparte hat Heathers Mutter (Rachel Bay Jones), eine Trinkerin, die neben Heather noch die putzige Lily (Kariana Karhu) durchzubringen versucht, angeblich für die Reparatur ihres Autos verwendet.

Letzteres ist der Moment, in dem Heather an ihrem Schicksal und Carp, einem traurigen, um einen Wasserturm gebauten Provinznest, verzweifelt. Wut wird zu Mut: Wir sehen, wie sie zur nächtlichen Eröffnung von „Panic“ stürmt, den vereinbarten Treffpunkt findet, eine mordssteile Klippe, die über einem See aufragt und alle Anwesenden – von der charmant unterbelichteten Natalie (Jessica Sula) bis zum großmäuligen Ray (Jack Nicholsons Sohn Ray) – durch einen waghalsigen Sprung von der Kante ins schwarze Nichts verblüfft. Der dramatische und natürlich auch symbolische Höhepunkt von Folge eins.

Die „Panic“-Tradition hätte ein Opfer mehr, wäre Heather in jener Nacht nicht im Wasser gelandet: Bei der letzten Ausgabe der Mutproben im Vorjahr kamen eine Teilnehmerin, die mit verbundenen Augen eine Straße überqueren sollte, und ein Teilnehmer, der russisches Roulette spielen musste, ums Leben. Entsprechend alarmiert ist Carps Polizei um Sheriff Jimmy Cortez (Enrique Murciano). Es ist vielleicht nicht die allerstärkste Truppe, die er da um sich versammelt hat, doch nicht einmal die „Panic“-Teilnehmer wissen, wer sich hinter den mysteriösen Organisatoren und Juroren des Spiels verbirgt. Heather, Natalie, Ray und Dodge (mimt bald auch den Riff in Spielbergs „West Side Story“: Mike Faist), ein erst neulich nach Carp gezogener Barista mit Rodeo-Fähigkeiten, erfahren wie alle anderen Teilnehmer von den Mutproben allein in „Pretty Little Liars“-Manier über kleine Rätsel.

Hernach setzen sie jedoch brav um, was ihnen befohlen und mit Punkten vergolten wird: Ein Wink, und sie balancieren zwischen den Türmen eines Silos auf einem Brett. Ein Befehl, und sie durchqueren ein Maisfeld voller Tierfallen. Als wäre „Panic“, vom Preisgeld einmal abgesehen, die letzte, die eigentliche Reifeprüfung vor der Entlassung ins brutale Leben da draußen. Als wäre das Leben da draußen im Grunde noch sehr viel schlimmer als alles, was man hier durchstehen muss.

Auf der Tonspur liegen unterdessen geschmackvoll ausgewählte Indie-Popsongs und ein leicht bontempi-orgelnder, im Retrostil gehaltener Synthie-Soundtrack, für den keine Geringere als Isabella Summers, also die Keyboarderin „Isa Machine“ von Florence and the Machine, und Brian H. Kim verantwortlich zeichnen. Beides trägt enorm zur Atmosphäre der Serie bei.

Auch die Handfertigkeit der Romanautorin Lauren Oliver, die „Panic“ mitproduzierte und das Drehbuch verfasste, gehört lobend erwähnt. Die von ihr erfundenen Charaktere sind nämlich keineswegs so eindimensional, wie man nach der ersten Begegnung mit dem Chefproleten Ray, seinem Rivalen Dodge oder dem Bücherwurm Bishop (Camron Jones) erwartet. Selbst im Handlungsstrang, der von den Polizisten erzählt, ist erstaunlich Bewegung, und mit einem tierischen Auftritt gelingt Oliver, die 2010 mit dem Bestseller „Wenn du stirbst, zieht dein ganzes Leben an dir vorbei, sagen sie“ bekannt wurde, überdies so etwas wie ein unvergesslicher Serienmoment.

Panic läuft bei Amazon Prime.

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