Wissenschaft

#Globale Migrationsmuster kartiert

Migration ist in Deutschland und vielen anderen Ländern ein politisch kontroverses und viel diskutiertes Thema. Genaue Daten zu den Mustern weltweiter Zu- und Auswanderung fehlten allerdings bislang. Eine neue Studie hat nun für den Zeitraum von 2000 bis 2019 einen hochauflösenden globalen Datensatz erstellt, der die jährliche Nettomigration nicht nur zwischen verschiedenen Ländern, sondern auch auf regionaler und globaler Ebene erfasst. Dies erlaubt Rückschlüsse auf Ursachen der Migration. Demnach spielen klimabedingte Dürren bislang eine geringere Rolle als sozioökonomische Faktoren. Andere Klimafaktoren wie Überflutungen wurden allerdings noch nicht erfasst.

Weltweit verlassen Menschen ihre Heimat und ziehen in andere Regionen oder Länder. Die Ursachen dafür sind vielfältig: Manche fliehen vor Kriegen und Unterdrückung, für manche macht der Klimawandel ihre Herkunftsregion zunehmend unbewohnbar, und manche erhoffen sich bessere wirtschaftliche Bedingungen in der Ferne. Für die Zielländer dieser Migration kann die Zuwanderung Vorteile mit sich bringen, darunter eine höhere Produktivität durch mehr Arbeitskräfte. Es stellt jedoch auch die gesellschaftliche Infrastruktur und das Sozialsystem vor Herausforderungen. Bislang wurde die Zu- und Auswanderung vor allem auf Länderebene erfasst. Um jedoch Migrationsbewegungen im Detail analysieren zu können, wären Daten auf regionaler und globaler Ebene erforderlich.

Migration auf regionaler Ebene

„Es bestand ein echter Bedarf an einem solchen Datensatz, aber er existierte nicht“, sagt Venla Niva von der Aalto Universität in Finnland. „Also haben wir beschlossen, ihn selbst zu erstellen.“ Für über 2000 Verwaltungskreise in 216 Ländern weltweit kombinierte ihr Team die Geburts- und Sterberaten mit der allgemeinen Bevölkerungsentwicklung und berechnete so, welchen Anteil die Migration hat. Ihre Daten fassten die Forschenden in einer interaktiven Karte zusammen, die für den Zeitraum zwischen 2000 und 2019 für jede Region die jährliche Nettomigration anzeigt, also das Ergebnis von Zu- und Abwanderung.

Erste Auswertungen der Daten zeigten komplexe Muster. Beispielsweise trifft die verbreitete Annahme, dass Menschen aus ländlichen Regionen in die Städte ziehen, nur teilweise zu. „Es gibt die weit verbreitete Meinung, dass die städtischen Gebiete die Menschen aus den ländlichen Gebieten anziehen, aber das war nicht überall der Fall. Es gibt zum Beispiel viele Orte in Europa, wo das Gegenteil der Fall ist“, sagt Nivas Kollege Matti Kummu. „Auch in Teilen Indonesiens, des Kongo, Venezuelas und Pakistans war eine Migration von den Städten in ländliche Gebiete zu beobachten, und bei einer Analyse auf der Ebene der Gemeinden wird das Bild noch komplexer.“ Insgesamt lebt der Analyse zufolge ein Drittel der Weltbevölkerung in Provinzen, in denen ländliche Gebiete mehr Zu- als Abwanderung aufweisen.

Sozioökonomische Faktoren als Indikator

Auf der Suche nach Ursachen für regionale und weltweite Wanderungsbewegungen kombinierten Niva und ihr Team ihren Datensatz mit weiteren Informationen. Für Rückschlüsse auf sozioökonomische Faktoren nutzten sie den Human Development Index (HDI) der Vereinten Nationen. Dieser bezieht unter anderem das Bruttonationaleinkommen, die Lebenserwartung und die durchschnittliche Schulbesuchsdauer ein und gibt so einen Überblick über den Wohlstand eines Landes. Um klimabedingte Migrationsursachen zu erfassen, wählten die Forschenden den globalen Trockenheitsindex, der Niederschläge, Verdunstung und Trockenheit weltweit erfasst.

„Wenn man die verschiedenen Faktoren zusammen betrachtet, zeigt die Analyse, dass sozioökonomische Faktoren für die bisherige Nettomigration eine größere Rolle gespielt haben als das Klima“, sagt Niva. So verzeichnen Gebiete mit hohem Human Development Index unabhängig von ihrer Trockenheit mehr Zu- als Abwanderung. Das gilt zum Beispiel für Regionen auf der Arabischen Halbinsel, in Nordamerika, Australien und im nördlichen Mittelmeerraum. Allerdings blieben bei der Analyse weitere mögliche klimabedingte Veränderungen außen vor – darunter Umweltkatastrophen wie Tsunamis und Wirbelstürme sowie die kurzfristige oder dauerhafte Überschwemmung von Gebieten. Auch die Kapazität der jeweiligen Regionen für Anpassungen an den Klimawandel berücksichtigte die aktuelle Auswertung nicht.

Die Ärmsten können nicht auswandern

Zugleich zeigte sich, dass die Auswanderungsraten in Regionen mit sehr niedrigem Human Development Index geringer waren als in Regionen in der Mitte der Skala. „Es sind nicht die Ärmsten der Armen, die vor Umweltkatastrophen oder Umweltveränderungen fliehen. Migration ist eine Anpassungsmethode, die von Menschen genutzt wird, die in der Lage sind, umzuziehen“, sagt Niva. „Insgesamt ist die Migration komplexer, als man gemeinhin annimmt. Unsere Ergebnisse tragen zur Diskussion darüber bei, wo und wie Migration stattfindet – es handelt sich nicht um ein eurozentrisches Phänomen, denn die meisten Migrationsbewegungen finden in anderen Teilen der Welt statt.“

Ihren Datensatz haben die Forschenden frei zugänglich im Internet publiziert und auch bereits anderen Forschungsteams zur Verfügung gestellt. „Unsere Daten bieten verschiedene Möglichkeiten für die künftige Erforschung menschlicher Migration innerhalb und zwischen Verwaltungsgrenzen – beispielsweise in Verbindung mit extremen Wetterbedingungen, Katastrophen und Konflikten“, schreibt das Team. „Die Erfassung von Migrationsmustern nicht nur zwischen Ländern, sondern auch innerhalb von Ländern ist für die Gestaltung der Politik, die internationale Zusammenarbeit und die gemeinsame Verantwortung von entscheidender Bedeutung.“

Quelle: Venla Niva (Aalto University, Espoo, Finland) et al., Nature Human Behaviour, doi: 10.1038/s41562-023-01689-4

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!