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#Göttingen will seine Universitätsbibliothek kleinsparen

Die Universitätsbibliothek von Göttingen gehört zu den ältesten und prestigereichsten ihrer Art. Seit 1734 sammelt und präsentiert sie das, was man heute Medieneinheiten nennt: bedeutende Handschriften, gewichtige Sammlungen, Nachlässe berühmter Gelehrter wie Carl Friedrich Gauß und Georg Christoph Lichtenberg. Sie rühmt sich, das Konzept der modernen Forschungsbibliothek geschaffen zu haben, das von Stanford bis Sankt Petersburg imitiert worden ist. Man rechnet sie heute zu den führenden Forschungsbibliotheken im Land. Braucht so ein Haus einen Direktorenposten? Man sollte doch meinen: ja.

Kürzlich bekam die Bibliothek im Auftrag der Universitätsleitung Besuch von der Boston Consulting Group (BCG). Den Beratern schwebt vor, die Bibliothek auf nicht näher definierte Kernaufgaben zu reduzieren, was konkret heißt, dass weite Teile ihrer Verwaltung wie Controlling, Personal oder Finanzen der Zentralen Universitätsverwaltung integriert werden sollen. Zu prüfen sei außerdem, ob die Bibliothek noch eine Direktion brauche. Optimierung und Bündelung im Hinblick auf die Ressource Zeit, heißt das in einem nach außen gelangten Papier. Nach Vorstellung der Empfehlungen im Senat soll die „schwierige, aber notwendige“ Verschlankung bis Sommer 2024 abgeschlossen sein.

So arbeitet man absehbar aneinander vorbei

Es ist nicht ungewöhnlich, dass Umstrukturierungen Widerstand provozieren, und selbst Kritiker des Plans gestehen zu, dass die Universität sparen muss. Bezweifelt wird aber, dass der Umbau die erhofften Synergien heben würde, und zwar gerade deshalb, weil er betriebswirtschaftlich nicht durchdacht sei. „Die namensgleichen Verwaltungseinheiten, die miteinander verzahnt werden sollen, sind inhaltlich oft vollkommen unterschiedlich“, sagt ein ausgewiesener Fachmann, der nicht namentlich genannt werden will. „Die Gruppe Forschung und Services entwickelt beispielsweise keine Software für die Verwaltung, sondern für Forschungsprojekte Göttinger Wissenschaftler und der Niedersächsischen Akademie der Wissenschaften zu Göttingen, unter anderem, um die von den Drittmittelgebern geforderte digitale Nachnutzung digitaler Forschungsdaten zu sichern.“

Eine Institution ohne eigene Leitung, die nicht mehr frei über ihr Personal und ihre Finanzen verfügt, werde nicht nur schlanker, sondern kopflos. Inhaltlich eng verbundene Abteilungen würden von außen gesteuert und absehbar aneinander vorbeiarbeiten.

Man könnte den Plan als verrückte Idee von Unternehmensberatern abtun, die keine Vorstellung von einer modernen Forschungsbibliothek haben. Bedenklich ist, dass die Universitätsleitung deren Vorstellungen zu teilen scheint. Die Nachfrage, was das Präsidium unter den Kernaufgaben einer Bibliothek versteht, lässt die Universität unbeantwortet. Gemeint ist wohl, die Bibliothek auf die Bücher- und Medienausleihe zu beschränken. Das hätte mit dem Profil einer modernen Forschungsbibliothek nur wenig zu tun. Eine Universitätsbibliothek hat heute mehr Aufgaben denn je. Sie muss ihre Bestände digitalisieren und kontinuierlich neuen Medienumgebungen anpassen. Mit der allseits erwünschten Umstellung des Publikationssektors auf Open Access wächst ihr die Aufgabe zu, die Budgets für Publikationen zu verwalten und Wissenschaftler beim Publikationsvorgang zu beraten.

Inhaltlich nicht durchdachte Patentrezepte

Außerdem muss sie die Interessen der Bibliotheken gegenüber den für ihre gewieften Verhandlungstaktiken bekannten Großverlagen vertreten. Die Universitätsbibliothek Göttingen gehört zu den Verhandlungsführern bei den mit den Großverlagen ausgehandelten Nationallizenzen. Zudem ist sie am Aufbau der Nationalen Forschungsdateninfrastruktur beteiligt, einem Projekt, dem der Koalitionsvertrag hohe Priorität gibt. Derzeit laufen an der Bibliothek rund achtzig Projekte, die in Zukunft von außen administriert werden müssten.

Die Empfehlungen der Consultants erscheinen vor diesem Hintergrund seltsam realitätsfern. In der Beraterwelt werden Bibliotheken immer noch als Relikte der Gutenberg-Galaxis gehandelt, obwohl sich das spätestens mit der Corona-Pandemie als moderner Mythos erwiesen hat. Auf einem Treffen der Bi­bliotheksmitarbeiter war von Zerschlagung und Abwicklung die Rede. Eigentlich sei der Vorschlag zu hanebüchen, um realisiert werden zu können, sagt ein Kritiker, der nicht namentlich genannt werden will, dieser Zeitung. Wetten will er darauf nicht.

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