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#Großleuchten über dem Atlantikwall

Großleuchten über dem Atlantikwall

Erasmus Schröter hat es den Betrachtern seiner Fotografien nie leichtgemacht. Zwar leuchten die wandfüllend groß abgezogenen Aufnahmen mitunter in den verwegensten Farben, grell wie die Zuckerschleckereien am Kiosk eines englischen Seebads, doch was Schröter von den frühen neunziger Jahren an in ausgeklügelter Logistik mit Hilfe gigantischer Scheinwerferbatterien mit einer neonleuchtenden Schminke überzog, waren bröckelnde Betonfassaden der Bunker des Atlantikwalls, ausrangierte Panzer und Düsenjäger im Dickicht eines Walds und Holzhütten spießbürgerlicher Laubenkolonien.

Freddy Langer

Freddy Langer

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das „Reiseblatt“.

So tauchte er in seinem Illusionstheater eine brüchige Welt in den künstlichen Glanz seiner Leuchtfeuer – und entblößte sie gerade nicht im Rampenlicht, sondern löste sie in Kunterbuntheit nahezu auf. Aber eben nur nahezu. Seine Bilder, die den verbliebenen Ruinen der Ausgeburten von Größenwahn ein Moment von Poesie verleihen, schön zu nennen ist keineswegs verkehrt – und doch sind sie eigentümlich grausam. Mitunter schimmert wie ein Wasserzeichen der Geist der schwarzen Romantik hindurch.

Sie steckten in maßgeschneiderten Tierkostümen

Erasmus Schröter kam 1956 in Leipzig zur Welt, wo er in den späten siebziger und frühen achtziger Jahren an der Hochschule für Grafik und Buchkunst studierte, sich in Schwarzweiß ausführlich mit den tristen Straßenzügen der Stadt auseinandersetzte, wie für eine ethnologische Studie Porträts junger Besucher der Diskothek „Eiskeller“ anfertigte und für Modeaufnahmen gemeinsam mit der Leipziger Designerin Gabriele Frauendorf deren schrille, wie man dort sagte: staatsferne Entwürfe inszenierte.

Erasmus Schröter, „Panzer P VI“, 1994



Bilderstrecke



Ein Moment von Poesie
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Fotografien von Erasmus Schröter

Auf den Höhepunkt trieben sie diese Einfälle 1986 für das Magazin „Tempo“, als sich die beiden in Bratislava noch einmal trafen und Freundinnen kecke Posen vor russischen Limousinen, aber auch neben Panzern einnehmen ließen. Schröter hatte da bereits seit einem Jahr gemeinsam mit seiner Frau, der Künstlerin Annette Schröter, die DDR verlassen und war nach Hamburg übersiedelt. Rasch hatte er dort Zugang zu den großen Illustrierten und Nachrichtenmagazinen gefunden – und für sie auch an seinen aufwendigen, mit bunten Lichtern inszenierten Bildern zu arbeiten begonnen. Im Jahr 1997 zogen Erasmus und Annette Schröter zurück nach Leipzig, wo sie zeitweise als Professoren ihrer früheren Hochschule arbeiteten und wo sie ihre Arbeit „Hasenland“ entwickelten, für das sie in maßgeschneiderte Tierkostüme stiegen und mit Holzgewehren bewaffnet die deutschen Mittelgebirge durchstreiften oder sich unter gigantischen Autobahnbrücken im mannshohen Gras wie einander Mut machend die Hände reichten.

Maskerade des Grauens

Was ist das für eine Welt, scheinen die beiden zu fragen, wo ist unser Standpunkt und: was ist unser Standpunkt? Die Künstlerfragen schlechthin. Erasmus Schröter suchte sie auch an der Ostseeküste bei Peenemünde zu beantworten, wo im Übungsareal der Marine der DDR zerbombte Schiffswracks im Dutzend aus dem Wasser ragten wie bei Caspar David Friedrich aus den Eisschollen, wenngleich man sie schwerlich als Symbole gescheiterter Hoffnung betrachten mag.

Für seine letzte große Serie besuchte Erasmus Schröter regelmäßig das seit 2011 jährlich in Leipzig stattfindende Gothic-Festival und porträtierte vor monochromem Hintergrund Männer, die dort in düster-schaurigen Kostümen und mit von künstlichem Blut verschmierten Gesichtern in Wettbewerben gegeneinander antreten. In der Maskerade des Grauens haben sie ihr Schönheitsideal gefunden und in der Ahnung des Todes ihr Spiel. Es ist genau der Balanceakt, den auch Erasmus Schröter zeitlebens gegangen ist. Am Ende begreift man, dass all seine Bilder letztlich nur um dieses Thema kreisen: den Tod. Nun ist er, wie erst jetzt bekanntwurde, in der Nacht zum vorigen Sonntag im Alter von vierundsechzig Jahren gestorben.

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