Wissenschaft

#Haus- und Wildkatze mieden sich lange

Zwischenartlichen Kreuzungen auf der Spur: Obwohl Haus- und Wildkatze gemeinsam Nachwuchs hervorbringen können, kam es während ihrer rund 2000 Jahre langen Co-Existenz in Europa kaum zu Hybridisierungen. Dies zeigt eine Untersuchung von paläogenetischem Material aus Funden beider Arten. Die seltenen Paarungen sind dabei wohl vor allem auf Verhaltensunterschiede zurückzuführen. Wie am Beispiel Schottlands deutlich wird, kommt es bei kritisch kleinen Beständen der Wildkatze aber dann schließlich doch zu den problematischen Vermischungen, berichten die Wissenschaftler.

Sie ähneln sich zwar, doch es handelt sich eindeutig um zwei verschiedene Arten: Die Europäische Wildkatze (Felis silvestris) streifte schon lange in unseren Wäldern umher, bevor der Mensch „seine Mietze“ in ihrem Lebensraum etablierte. Die Hauskatze (Felis catus) geht dabei vor allem auf die in Nordafrika und dem Nahen Osten verbreitete Falbkatze (Felis lybica) zurück. Ab vor etwa 2000 Jahren brachte der Mensch das Haustier bis in die letzten Winkel Europas. Seit damals teilt sie sich also ihr Verbreitungsgebiet mit der einheimischen Europäischen Wildkatze. Da die beiden Arten gemeinsam fruchtbaren Nachwuchs hervorbringen können, liegt nahe, dass es schon früh zu Hybridisierungen gekommen sein könnte. In welchem Ausmaß das „Fremdgehen“ im Laufe der jahrhundertelangen Co-Existenz stattfand, ist allerdings unklar geblieben.

Felinen „Seitensprüngen“ auf der Spur

Dieser Frage hat sich nun ein internationales Forscherteam mit Mitteln der Paläogenomik gewidmet. Die Wissenschaftler gewannen dazu genetisches Material von Wild- und Hauskatzen: Es stammte von 48 modernen Individuen und 258 Haus- beziehungsweise Wildkatzen, die vor bis zu 8500 Jahren gelebt haben. Es handelte sich dabei um Überreste von archäologischen Fundorten in verschiedenen Teilen Europas, die durch Radiokarbondatierungen zeitlich eingeordnet werden konnten. Das gewonnene Erbgut wurde anschließend sequenziert, analysiert und verglichen. Anhand bestimmter genetischer Spuren ließ sich dabei nachweisen, inwieweit es in den letzten 2000 Jahren zu einem Genfluss zwischen den beiden Katzenarten gekommen war.

Wie das Team berichtet, verdeutlichen ihre Ergebnisse, dass Haus- und Wildkatze sich im Verlauf ihre Co-Existenz überraschend wenig mischten. Dies spiegelt sich in dem relativ geringen Erbe von Felis silvestris bei unseren heutigen Stubentigern wider: Die Abstammung der meisten modernen Hauskatzen lässt sich zu weniger als zehn Prozent auf Wildkatzen zurückführen. Bei den Wildkatzen der letzten 2000 Jahre fanden die Forscher sogar keine oder nur sehr geringe Spuren der Hybridisierung im Erbgut. Die Ergebnisse bestätigen damit rückblickend moderne Hinweise darauf, dass die beiden Arten Paarungen zumindest normalerweise meiden.

„Unsere Untersuchungen zeigen, dass die Biologie der Hauskatze so weit von der der Wildkatze abweicht, dass sie sich eher nicht kreuzen würden“, sagt Seniorautor Laurent Frantz von der Ludwig-Maximilians-Universität München. „Das liegt wahrscheinlich daran, dass sich Hauskatzen und Wildkatzen an sehr unterschiedliche ökologische Nischen angepasst haben und verschiedenes Verhalten an den Tag legen: Ein Aspekt ist dabei, dass Wildkatzen mehr Einzelgänger sind, während Hauskatzen in viel größerer Dichte leben können“, so Frantz.

Kleine Populationen fördern Hybridisierung

Den Forschenden zufolge zeichnet sich allerdings ab, dass die langanhaltende reproduktive Isolation derzeit in einigen Teilen des Verbreitungsgebiets der Wildkatze durch menschliche Einflüsse aufgehoben wird. Denn wenn die Population der Art durch Störungen oder Zerstückelungen des Lebensraums sehr klein wird, lassen sich die Wildkatzen aus Mangel an innerartlichen Partnern auch mit Hauskatzen ein.

Besonders deutlich wird dies im Fall der Bestände Schottlands. Vor allem seit den 1960er-Jahren schwindet dort die Separierung, wie die Wissenschaftler in einer von der Universität Bristol geleiteten separaten Studie nachweisen konnten. Damit droht die Wildkatze dort zunehmend zu einer wilden Hauskatze zu werden und somit ihre Artidentität zu verlieren. „Diese Hybridisierung ist eine Folge der modernen Bedrohungen. Lebensraumverlust und Verfolgung haben die Wildkatze in Großbritannien an den Rand des Aussterbens gebracht“, sagt Jo Howard-McCombe, Erst-Autorin der Studie zu den schottischen Wildkatzen.

Die neuen Erkenntnisse können deshalb nun dazu beitragen, die Art in Zukunft besser zu schützen, etwa in Bezug auf Schutzprogramme und Wiederansiedlungen, sagen die Wissenschaftler. Für Deutschland deuten aktuelle Ergebnisse zwar darauf hin, dass die Populationen noch nicht dem gleichen Hybridisierungsdruck ausgesetzt sind. Dennoch ist Aufmerksamkeit für das Problem geboten. Dazu sagt Frantz abschließend: „Wir bräuchten mehr genomische Daten, um die Situation in Zukunft überwachen zu können und zu verhindern, dass wir mit den gleichen Problemen wie in Schottland konfrontiert werden“.

Quelle: Ludwig-Maximilians-Universität München, University of Oxford, Fachartikel: Current Biology, doi: 10.1016/j.cub.2023.08.031

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