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#Heikle Vorlieben eines Comiczeichners

„Heikle Vorlieben eines Comiczeichners“

Das Festival international de la bande dessinée von Angoulême, der Höhepunkt des französischen Comicjahrs, naht (26. bis 29. Januar), und es ist der Jubiläumsjahrgang: zum fünfzigsten Mal. Da kommt es denkbar unpassend, dass eine der geplanten Hauptveranstaltungen nun einer heftigen Polemik ausgesetzt ist: die Werkausstellung, die Bastien Vivès ge­widmet sein sollte.

Der Achtunddreißigjährige ist einer der produktivsten und innovativsten Zeichner seiner Generation. Bekannt geworden ist er mit „Der Geschmack von Chlor“ (2008), „Polina“ (2011), „Eine Schwester“ (2017, kürzlich auch verfilmt) und seiner Corto-Maltese-Fortsetzung „Schwarzer Ozean“ (2021). Vivès bewegt sich souverän zwischen den Genres, deckt ein weites Spektrum zwischen Krimi, Superhelden-Manga („Lastman“, seit 2013), Erotik und Bildungs­erzählung ab.

Eine Begabung, zweifellos. Aber auch ein Grenzgänger und Polemiker, der mit spätpubertärem Überschwang ausprobiert, was noch gezeichnet werden darf. In seinen Comics fällt eine Vorliebe für große Oberweiten auf. Und wer sich in die dezidierten Erotika vorwagt, stößt auf Provokantes: Vivès wird Pädopornographie vorgeworfen. „Petit Paul“ (2018) etwa zeigt einen zehnjährigen Jungen mit übergroßem Gemächt, das bei den Frauenfiguren Begierden weckt. Der Band wurde nicht zensiert, aber die Buchgroßhändler Gibert Joseph und Cultura vertreiben ihn nicht. „Petit Paul“ ist kein Einzelfall, sondern führt frühere Darstellungen kindlicher, teils inzestuöser Sexualität fort, etwa im Band „Les Melons de la colère“ oder „La Décharge mentale“ von 2018. Auf Deutsch sind diese Bände gar nicht erst erschienen.

Kokettieren mit Inzest

Vivès’ Einlassungen zu diesen Aspekten seines Werks sind zweifelhaft. Im Grunde bemüht er das Kompensationsargument, etwa in einem Interview: „Da ich Inzest nicht im echten Leben begehen werde und da ich keine ältere Schwester habe, mit der ich es tun könnte, tue ich es in meinen Büchern.“ Kunst als Mittel, sich Dinge vorzustellen, die man sich real nie erlauben würde – 2005 hatte Vivès in einem Forum nach einem pädophilen Manga gesucht (das Netz vergisst nichts). Aber auch der Phantasie sind Grenzen gesetzt, die ihm offenbar nicht bewusst sind; sie gründen im Unterschied zwischen privater Vorstellung und künstlerischer (also öffentlicher) Darstellung. Außerdem liegt der Verdacht nahe, dass Phantasie zur Praxis ermutigen könnte.

Vivès, der in den sozialen Netzwerken oft rüpelhaft auftritt, hat sich mit dem feministischen Flügel seiner Zunft überworfen. Den Stil von Zeichnungen über ungleiche Arbeitslast der Geschlechter bezeichnete er auf Facebook als kindisch, die Autorin Emma als „mongoloide Idiotin“. Er wollte deren Unterstützer überwacht sehen und wünschte Emma Schlimmes: „Ich hätte gern, dass einer ihrer Gören sie ersticht und einen Comic darüber macht, wie er sie erstochen hat, und dass er bei jedem Like sodomisiert wird.“ Da hilft alle Reue nichts.

Niemand weiß, was die Ausstellung gezeigt hätte

In der Ausstellung „In den Augen von Bastien Vivès“ wäre keines der heiklen Werke gezeigt worden. Abweichend vom Prinzip einer Werkschau, hatte man Vivès aber „carte blanche“ gegeben, er konnte die Ausstellung nach Gusto kuratieren und hat eigens neue Zeichnungen geschaffen; was diese zeigen, ist nicht be­kannt. Seine Kritiker attackieren primär frühere Publikationen und die öffentliche Person, da Vivès ein zentraler Repräsentant der Jubiläumsausgabe des Festivals gewesen wäre.

Arnaud Gallais, Mitglied der Unabhängigen Kommission zu Inzest und sexueller Gewalt gegen Kinder (Ciivise), hat die Online-Petition „Pädokriminalität: Für ein Absetzen der Bastien Vivès-Ausstellung auf dem Comic-Festival von Angoulême“ lanciert; bis Donnerstagmorgen hat sie 110 000 Unterschriften gesammelt. Mehrere Prominente, etwa die Feministin Caroline De Haas und die Schauspielerin Andréa Bescond, unterstützen sie; eine zweite, kleinere Unterschriftenaktion kam hinzu. Es folgten Beleidigungen und handfeste Drohungen; Vivès behält sich vor, Anzeige zu erstatten.

Die Drohungen, auch gegen die Organisatoren, sind schließlich der offizielle Grund, aus dem nun die Ausstellung abgesagt wurde. Die „Sicherheitsbedenken“, so das Festival in einer Erklärung, seien so weit gegangen, dass man körperliche Attacken befürchtet habe. Damit rückt es von seiner Linie ab, die Meinungsfreiheit hochzuhalten.

Auch seine Kommunikationsstrategie überzeugt wenig, wie der Kontext zeigt: Nur zwei von zehn geplanten Ausstellungen sind Autorinnen gewidmet – da wirkte die von Vivès wie das I-Tüpfelchen. Insgesamt überrascht, dass die so avantgardistische, weltoffene Comicszene Frankreichs sich derzeit verhält wie eine abgekapselte Nischenkultur.

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