Wissenschaft

#Hektometersteine

Auf der Heimfahrt von einem beruflichen Termin in Hamburg geriet ich in einen Stau, der mich zwang, zwei Stunden lang im Schneckentempo über die Autobahn zu kriechen. Als ich schließlich eine Abfahrt erreichte, setzte ich kurzentschlossen den Blinker und verließ die Autobahn. Nach wenigen Kilometern erreichte ich ein mittelalterliches Städtchen, das von einer Stadtmauer geschützt wurde. Auf dem Platz vor einem der Stadttore stand im Schatten einer weit ausladenden Linde ein Brunnen, um den ein Wirt ein paar Tische und Stühle gestellt hatte. Nur noch ein Tisch war frei. Ich setzte mich und bestellte eine Tasse Kaffee.

Plötzlich räusperte sich jemand vor mir laut. Ich hob den Blick und sah einen alten Mann in Wanderkleidung mit einem Rucksack auf dem Rücken und einem Stab in der Hand vor mir stehen. Er verbeugte sich leicht und sagte: „Müller. Wilhelm Müller. Darf ich mich setzen?“ Natürlich hatte ich nichts dagegen. „Ich komme aus Berlin und bin hier zum Wandern, denn das ist mir von Kindesbeinen an eine große Lust“, sagte er. „Sind Sie auch ein Wandervogel?“ Erst in diesem Moment schien er zu bemerken, dass ich Anzug und Krawatte trug. Bevor ich etwas erwidern konnte, beantwortete er sich seine Frage selbst. „Offensichtlich nicht. Sollten Sie aber unbedingt werden.“ Nachdem er sich ein Glas Bier bestellt hatte, fuhr er fort: „Ich bin nicht mehr der Jüngste, und steile Anstiege fallen mir zunehmend schwerer. Deshalb wandere ich gerne auf stillgelegten Bahnstrecken, die zu Rad- und Wanderwegen umgebaut wurden. So kann ich ohne große Mühe auch ein Gebirge durchwandern.“ Er trank einen Schluck und fuhr dann fort: „Heute Morgen habe ich schon bei Sonnenaufgang den Gasthof verlassen, um auf dem Bahndamm, der hier ganz in Nähe vorbeiläuft, in die nächste Stadt zu wandern. Wenn ich wandere, habe ich durch jahrzehntelange Übung immer die gleiche ­Geschwindigkeit. Nach einiger Zeit kam ich zu ­einem Hektometerstein, dessen Zahl aus zwei Ziffern bestand.“ „Hektometerstein?“, unterbrach ich ihn. Das Wort hatte ich noch nie gehört. „Sie meinen sicherlich einen Kilometerstein.“ Wilhelm Müller schüttelte den Kopf. „An den meisten alten Bahnstrecken stehen im Abstand von jeweils hundert Metern Steine, die die Strecke in Hektometern angeben, also in Vielfachen von 100 Meter. Beispielweise bedeutet die Zahl 123 auf einem solchen Stein 123 Hektometer, was 12,3 Kilometern entspricht. Deshalb spricht der Fachmann von Hektometersteinen, während der Laie sie nicht ganz korrekt als Kilometersteine bezeichnet.“ Der alte Mann schnaubte ein wenig verächtlich. „Um wieder auf meinen Hektometerstein zurückzukommen. Ich setzte mich darauf und machte eine kleine Rast. Dann wanderte ich weiter. Nach einer genau einstündigen Wanderung erreichte ich einen Hektometerstein, dessen Zahl kurioserweise aus denselben zwei Ziffern bestand wie die Zahl auf dem anderen Stein, aber in umgekehrter Reihenfolge. Wieder machte ich eine Pause, bevor ich weiterging. Nachdem ich erneut eine Stunde gewandert war, erreichte ich dann einen Hektometerstein, dessen Zahl dreiziffrig war. Die zwei Ziffern der ersten beiden Hektometersteine kamen auch auf dem dritten Hektometerstein vor.“ Mehr aus Höflichkeit als aus Interesse fragte ich ihn, welche Zahlen denn auf den Hektometersteinen gestanden hätten. Aber daran konnte sich der Mann nicht mehr erinnern.

Kennen Sie die Zahlen auf den drei Steinen?



COGITO
RÄTSELN SIE MIT!

Teilnehmen kann jeder, außer den Mitarbeitern des Verlags und deren Angehörigen. Der Rechtsweg ist ausgeschlossen.
Schicken Sie Ihre Lösung bitte bis zum 30. April 2025:

*“ zeigt erforderliche Felder an

Geschlecht*

Hidden

Kennung des Gewinnspiels

Hidden

obj


… UND DAS GIBT ES ZU GEWINNEN

Zu gewinnen gibt es drei Exemplare vom „Atlas des Unerwarteten“. Darin stellt der Reisejournalist Travis Elborough 45 ganz besondere Orte auf unserem Planeten vor (auf allen Kontinenten außer der Antarktis). Sie sind außergewöhnlich, skurril oder sogar bizarr. Es geht um unterirdische Städte, eine Muschelgrotte, die schwimmenden Inseln der Urus, den „Triumph des Kleinen Mannes“ in London, ein kleines Haus, das eine ganze Insel bedeckt, eine russische Ortschaft, die dem Schach geweiht war und vieles mehr. Jeder Ort wird ausführlich beschrieben und mit eindrucksvollen Fotos sowie hilfreichen Karten vorgestellt – eine abwechslungsreiche und stets unterhaltsame Lektüre. „Die manchmal unvorstellbaren und fast immer unbewohnbaren Orte erinnern uns an die andauernde Fremdartigkeit unseres Planeten“, schreibt der Autor.
Weitere Informationen: www.kosmos.de


Die Lösung des Rätsels finden Sie demnächst hier und in der Juli-Ausgabe 2025

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!