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#Hemmungslos herumballern

Seit C/O Berlin vom Alten Postfuhramt in Berlin-Mitte ins ehemalige Amerika-Haus am Bahnhof Zoo gezogen ist, hat sich die Einrichtung zu Deutschlands erster Adresse für Fotografie entwickelt – und man staunt, wie es den Machern selbst nach den rasch aufeinanderfolgenden Präsentationen von Klassikern wie Irving Penn und William Klein, Robert Frank und William Eggleston gelingt, die Hürde für die nächste Präsentation stets noch höher zu heben.

Freddy Langer

Redakteur im Feuilleton, zuständig für das „Reiseblatt“.

Nun mit Daido Moriyama, dessen Werk der Kuratorin Sophia Greiff die Möglichkeit eröffnet hat, fern einer Präsentation einzelner, museal gerahmter Abzüge die Räume mit Aufnahmen in Farbe und Schwarz-Weiß so auszukleiden, dass dem Besucher die Bilder regelrecht um die Augen gehauen werden.

Da stoßen bis zu sechs Dutzend Fotografien raumhoch aneinander und addieren sich wie im Stakkato zur Vermessung von Moriyamas Welt: ein Betonmischer neben dem Kopf einer Schaufensterpuppe, anzügliche Werbung aus dem Rotlichtviertel neben Kippen in einem Aschenbecher. Was aber aussehen mag wie aus dem Ruder gelaufen, ist ein Konzept ganz im Sinne des Künstlers.

Selbstporträt, 1971


Selbstporträt, 1971
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Bild: Daido Moriyama/Daido Moriyama Photo Foundation

Daido Moriyama, 1938 in Osaka geboren, ist der radikalste Vertreter der Straßenfotografie, die sich zwar bis in die Anfänge des Mediums zurückverfolgen lässt, die aber erst in den Fünfziger- und Sechzigerjahren im Fahrwasser der emotionalen und stark persönlich gefärbten Bilder von William Klein zur eigenen Gattung wurde.

Auch Moriyama hatte sich zunächst Klein zum Vorbild genommen, dessen grobes Korn, die harten Kontraste und den vermeintlichen Verzicht auf alle Regeln der Komposition, indem er mit körperlich spürbarer Kraft, wenn nicht sogar Aggression in seine Motive eingedrungen ist.

Grüße aus Amerika, späte Sechzigerjahre


Grüße aus Amerika, späte Sechzigerjahre
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Bild: Daido Moriyama/Daido Moriyama Photo Foundation

Anfangs nutzte Moriyama die ästhetischen Mittel, um am Schnittpunkt von Faszination und Unwohlsein die Amerikanisierung Japans nach dem Krieg zu dokumentieren – bis hin zu seinen Persiflagen der Suppendosen von Andy Warhol. Später ging er mit Japans Sensationspresse ins Gericht und entnahm für die Serie „Accident“ Zeitungsfotografien von Prominenten, Unfällen und anderen Katastrophen stark gerasterte Details, mit denen er die Fotografie als Medium konkreter Aussagen infrage stellte.

Ein Gedanke, der ihn nun antrieb, die Welt in seinen Bildern zu verrätseln und sie in winzige Ausschnitte zu zerlegen, die er bei Spaziergängen fast schon erschnüffelte – um Moriyamas Metapher zu benutzen, der damals, Anfang der Siebzigerjahre, das Bild eines Straßenköters als Selbstporträt veröffentlichte.

Nur ein Jahr später folgte als letzte Konsequenz einer Desillusionierung die Serie „Farewell Photography“, für die Moriyama zusammentrug, was bei ihm durch Unschärfen und Fehlbelichtungen an Ausschuss zusammengekommen war und womit er seine Karriere in avantgardistischer Manier hätte beenden können.
Stattdessen wurde er der womöglich produktivste Fotograf überhaupt, indem er seither ohne Unterlass ablichtet, was immer ihn umgibt. In manchen Jahren veröffentlicht er ein Dutzend Bücher, und er illustriert die eigene Zeitschrift „Record“, mittlerweile dreiundfünfzig Ausgaben.

Gibt es, fragt er, jenseits der Bilder überhaupt noch eine Welt – ballert mit der Kamera hemmungslos um sich und schafft sich sein eigenes, verzauberndes Universum.

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