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„Heroisches Imperium“

Bilder vom Krieg: Seit die russischen Truppen in die Ukraine einfielen, stehen sie uns täglich vor Augen, roh, nah, oft unerträglich. Sie zeigen zerbombte Gebäude in Charkiw, Massengräber in Butscha, aufsteigenden Rauch nach Raketeneinschlag in Kiew und Ruinen von Wohnhäusern in Mariupol. Wir haben Aufnahmen von Schutzsuchenden in U-Bahn-Stationen gesehen, Flüchtenden und Verwundeten, toten Soldaten und massakrierten Zivilisten, einem ukrainischen Präsidenten im olivfarbenen T-Shirt und einem russischen Kriegsherrn, der sich als Dirigent einer „Spezialoperation“ geriert, seine Gegenüber demütigend am grotesk langen Tisch.

In Putins Russland darf von Krieg keine Rede sein – jedenfalls nicht in Zusammenhang mit der Ukraine. Weit entfernt, an Spaniens Costa del Sol jedoch, wo neben Urlaubern aus aller Welt auch russische Oligarchen gerne das mediterrane Lebensgefühl genossen, präsentiert Russland sich derweil vor aller Augen als durch und durch kriegerische Nation, die ihre Existenz und Größe dem immerwährenden Kampf verdankt. Das Staatliche Russische Museum in Sankt Petersburg unterhält in Málaga eine Zweigstelle und zeigt dort seit einem Jahr eine inzwischen hochumstrittene Ausstellung. „Krieg und Frieden in der russischen Kunst“ lautet der Titel der Schau, die andere Bilder versammelt als jene, die unsere Nachrichten beherrschen.

Schlachtengemälde im Großformat

Als glorreicher Marsch durch die Historie ist der Ausstellungsparcours angelegt, als geopolitische Expansionsgeschichte eines Imperiums, in der politische Systemwechsel eher Fußnoten sind. Vorauseilend stecken Wandtexte den historischen Deutungshorizont ab. Die Orientierungspunkte: Russland, christlich geboren in Gestalt der Kiewer Rus, besiegt die Tataren im Osten, erringt im Baltikum den Zugang zur Ostsee, verteidigt sich gegen Napoleon, ringt die Aggression des nationalsozialistischen Deutschlands nieder, wird Supermacht. Der Zerfall der Sowjetunion als Resultat demokratischer Reformen wird in drei Sätzen eilends referiert. In der Ausstellung bleibt diese Antiklimax unsichtbar. Das letzte Gemälde zeigt ein Idyll am „Tag des Sieges“, gemalt in Öl 1975 von Gleb Sávinov, einem Künstler der Leningrader Schule. Sein Genrewerk zeigt im Stil eines vom Erbe der europäischen Avantgarden überhauchten sozialistischen Realismus eine Bauernfamilie beim Mahl unter freiem Himmel – ein Bild des Friedens. Auf dieses hin führen in einem halben Dutzend Säle militärische Historiengemälde im Großformat.

Málagas Bürgermeister Francisco de la Torre erhält 2018 von Putin die Puschkin-Medaille. Er hat sie inzwischen zurückgegeben - nicht aber die Zweigstelle des Russischen Museums in seiner Stadt geschlossen.


Málagas Bürgermeister Francisco de la Torre erhält 2018 von Putin die Puschkin-Medaille. Er hat sie inzwischen zurückgegeben – nicht aber die Zweigstelle des Russischen Museums in seiner Stadt geschlossen.
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Bild: Picture Alliance

Ein heiliggesprochener Nationalheld nach dem anderen in Aktion, zwecks patriotischer Rückversicherung retrospektiv imaginiert: Alexander Newski nach dem Zurückschlagen des Deutschen Ordens, gemalt 1945 von Wladimir Serov; Iwan der Schreckliche, erster Zar und Überwinder der Mongolen, gleichfalls in der Stalin-Ära wie König Artus gemalt von Pawel Sokolow-Skalya. Seeschlachten des Nordischen Kriegs, der Krieg gegen die Grande Armée (ohne brennendes Moskau), der Russisch-Osmanische Krieg und der Krimkrieg werden ebenso aufgerufen wie ekstatisches Losstürmen im Ersten Weltkrieg.

Versammelt sind höfische Auftragskunst und sowjetische Propaganda, aber auch Bilder von Wassili Wereschtschagin mit pazifistischer Note und Doppeldeutiges wie Kasimir Malewitschs „Rote Kavallerie“ von 1932 – sieht linientreu aus, lässt jedoch die Revolutionäre ins abstrakte Nirgendwo galoppieren. Gleichwohl: Der Krieg als Vater aller russischen Dinge, hier wird er gefeiert, ohne an Afghanistan, Tschetschenien, Georgien, Syrien und die Annexion der Krim denken zu lassen. Die Exponate eigneten sich auch zur Illustration von Putins Geschichtsverständnis.

Wie kann das sein? Der konservative Langzeitbürgermeister Málagas, Francisco de la Torre, sorgte dafür, dass das Russische Museum 2015 eine Niederlassung in Andalusien eröffnete. Seither bespielt es eine ehemalige Tabakfabrik in städtischem Besitz mit Wechselausstellungen aus dem Petersburger Bestand. Prestige, Tourismusförderung, ein Geschenk für die reichen Russen im nahen Marbella – das war wohl das Kalkül, und zum Dank nahm de la Torre die Puschkin-Medaille für Förderung russischer Kultur aus der Hand Putins persönlich entgegen. Nach der Invasion in die Ukraine war der Fall aber eigentlich klar: keine Kooperation mit staatlichen russischen Stellen.

Doch de la Torre laviert seit Wochen herum, ob die Krieg-und-Frieden-Schau im „Museo Ruso“ oder gleich das ganze Museum zu schließen sei oder ob es nicht eine Brücke baue – bis der Stadtrat dieser Tage zumindest das Aus für die Ausstellung beschloss. Eine Provinzposse, mag man denken, doch eine lehrreiche. Wer Augen hat, zu sehen, hätte schon vor dem Überfall auf die Ukraine merken können, welch fragwürdige Botschaft der staatliche Museumsbetrieb mit der Ausstellung in Málaga sendet. Am 3. Mai endet sie. Bis dahin ist der Eintritt frei.

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