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#Gesetz der Gewalt in Putins Russland

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Anhand der Geschichte des Aufstiegs und Absturzes Jewgenij Prigoschins lässt sich erzählen, wie in Wladimir Putins Russland die Gewalt der Gesetze durch das Gesetz der Gewalt ersetzt worden ist. Weil es so schrill und blutig ist, legt Prigoschins Schicksal so unverhüllt wie kein anderer Fall bloß, wie das Regime funktioniert, das Putin und seine aus den sowjetischen Geheimdiensten stammenden Weggefährten seit fast einem Vierteljahrhundert geschaffen haben.

Als Putin Anfang des Jahrhunderts an die Macht gekommen ist, hat er angekündigt, den russischen Staat nach dem Chaos der Neunzigerjahre wieder stark zu machen. Im ersten Jahrzehnt nach dem ­Ende der Sowjetunion stand der russische Staat der Gewalt sich auf offener Straße bekämpfender krimineller Organisationen machtlos gegenüber. Auf allen Ebenen, von Städten über die Regionen bis hin zur Regierung in Moskau hatten die Gewinner des Übergangs vom Sozialismus zum Kapitalismus nicht nur einstige Staatsbetriebe privatisiert, sondern auch die staatlichen Institutionen in ihre privaten Dienste gestellt.

Unter der Losung von der „Diktatur der Gesetze“ versprach Putin, den russischen Staat wieder zu einem Staat zu machen. Geschehen ist das Gegenteil. Die staatlichen Institutionen in Russland sind heute nur noch eine Fassade, Gesetze gelten noch viel weniger als in den schlimmsten Zeiten der Neunzigerjahre.

Ein Vorschlaghammer von Progoschin

Es gibt im russischen Recht Paragraphen, nach denen ein gewaltsamer Aufstand unter Strafe steht. Es gibt eine Staatsanwaltschaft, die Aufrührer danach anklagen müsste, und Gerichte, die sie in einem ordentlichen Verfahren verurteilen könnten. Doch nichts davon ist passiert, nachdem Prigoschin und einige Tausend schwer bewaffnete Kämpfer seiner Wagner-Miliz Ende Juni die Staatsführung heraus­gefordert haben. Mit ihnen wurde erst verhandelt, dann wurden sie im Kreml von Putin empfangen.

Dass Prigoschin nicht vor Gericht gestellt, sondern durch einen spektakulären Anschlag demons­trativ getötet wurde, ist das logische Ende dieser Geschichte. Denn wäre Russland ein Land mit einem auf geschriebenem Recht gegründeten Staat, dann hätte es auch die Truppe nie gegeben, der er seinen Einfluss verdankte. Private Militärorganisationen wie Wagner sind in Russland gesetzlich verboten. Auf ihre Gründung und ihren Betrieb stehen theoretisch hohe Haftstrafen. Putin selbst sagte drei Wochen nach Prigoschins Aufstand unter Hinweis auf die Rechtslage: Wagner gibt es nicht.

Prigoschin im Mai an einem unbekannten Ort bei einem Statement


Prigoschin im Mai an einem unbekannten Ort bei einem Statement
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Bild: AP

Diese Organisation, die es nicht geben konnte, hat fast zehn Jahre lang in ganz Russland ehemalige Soldaten und Geheimdienstler als Kämpfer angeworben, hatte im Süden Russlands einen großen Truppenübungsplatz, hat in Syrien, ­Libyen, der Zentralafrikanischen Republik im Auftrag der russischen Machthaber gewaltsam deren geopolitische Interessen vorangetrieben und dabei Gewinne gemacht, indem sie sich in diesen Ländern nach Raubrittermanier Rohstoffquellen aneignete.

Vom russischen Staat hat diese illegale Truppe – nach Angaben Putins – allein im ersten Jahr des Kriegs gegen die Ukraine umgerechnet etwa 850 Millionen Euro erhalten. Sie ist von diesem Staat mit Kriegswaffen ausgerüstet worden und hat von ihm die Erlaubnis erhalten, in Gefängnissen Gewaltverbrecher mit dem Versprechen einer Amnestierung zu rekrutieren. Als Wagner das Video der brutalen Ermordung eines angeblich Fahnenflüchtigen mit einem Vorschlaghammer verbreitete, war das der russischen Justiz keine Reaktion wert. Prigoschin kokettierte öffentlich mit dieser Tat. Kremltreue Politiker zeigten sich stolz mit Vorschlaghämmern, die sie von ihm geschenkt bekommen hatten.

Der Krieg gegen die Ukraine hat die Radikalisierung des russischen Regimes beschleunigt, die nach den ersten Massenprotesten gegen Putin im Winter 2011/12 begonnen hat. Es versucht nun nicht mehr, seine Gewalttätigkeit zu kaschieren, wie es das noch nach dem Giftanschlag auf Alexej Nawalnyj im Sommer 2020 tat. In den Gerichtsverfahren gegen Oppositionelle wird nun nicht einmal der Anschein ordentlicher Prozesse gewahrt; es werden immer häufiger lange Haftstrafen für fiktive Taten verhängt.

Die Tötung Prigoschins ist ein Markstein in der Radikalisierung Putins und seiner Leute, weil erstmals ein dem ganzen Land bekanntes Mitglied der russischen Elite getötet wurde. Richteten sich Repression und Gewalt bisher gegen Menschen, die das System von außen bekämpften, so traf es nun einen Mann, der dessen Teil war. Prigoschin hatte sich ja nicht gegen Putin gewandt: Sein Fehler war, dass er es in einem jener Machtkämpfe ohne Regeln übertrieben hatte, die im Umfeld Putins seit je ausgetragen werden. In Moskau fallen die letzten Hemmungen.

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