Wissenschaft

#„Bakterien-Fresser“ mit Potenzial entdeckt

Sie gelten als mögliche Alternativen zu Antibiotika: Viren, die Bakterien befallen. Nun haben Forschende ein solches Virus entdeckt, das besonderes Potenzial im Kampf gegen Krankheitserreger entfalten könnte. Denn es tötet sogar ruhende Keime ab, die oft den Bekämpfungsmaßnahmen entgehen. Laborversuche und Tests an Mäusen zeigten, dass eine Kombinationsbehandlung mit dem Virus und einem Antibiotikum besonders effektiv solche inaktiven Keime auslöschen kann.

Krankheitserreger können auch selber krank werden: Ähnlich wie das Coronavirus und Co. uns befallen, haben es spezielle Viren auf Bakterien abgesehen. Diese sogenannten Bakteriophagen docken an die Oberfläche der Einzeller an und schleusen dann ihren genetischen Bauplan und weitere Programme in das Opfer ein. Sie zwingen das Bakterium dadurch, viele weitere Viren-Partikel herzustellen. Letztlich führt diese Infektion dazu, dass die Bakterienzelle stirbt, indem sie aufreißt und die viralen Erreger freisetzt. Anschließend machen diese sich auf die Suche nach weiteren Opfern. Bereits seit einiger Zeit arbeiten Wissenschaftler daran, diese Feinde der Bakterien zu unseren Verbündeten zu machen: Als Waffen gegen bakterielle Krankheitserreger könnten sie eine Alternative zu den Antibiotika darstellen, die durch Resistenzbildungen zunehmend ihre Wirksamkeit verlieren.

Problematischer Schlummerzustand

Solche Phagentherapien haben bereits erste Erfolge erzielt, doch um das Potenzial auszuschöpfen, scheint weitere Forschung nötig. Die Wissenschaftler um Enea Maffei von der Universität Basel haben sich nun mit einem Aspekt befasst, der auch beim Einsatz von Antibiotika ein Problem ist: Beide Verfahren sind gegen aktive Bakterien wirksam – schlummernde Keime können hingegen Behandlungen unbeschadet überstehen und erneut zur Quelle einer Infektion werden. Zur Erklärung: Wenn sich Bakterien in einem Ruhezustand befinden, läuft in ihnen zwar noch Stoffwechsel auf Sparflamme ab, aber Wachstum und Teilung ruhen. Genau an diesen Prozessen setzen allerdings die Wirkungen vieler Antibiotika an und auch Bakteriophagen schienen bisher auf den Befall von aktiven Bakterien angewiesen zu sein. Doch Maffei und seine Kollegen fragten sich, ob es vor dem Hintergrund der unzähligen Phagen-Arten nicht doch einige geben könnte, die sich auf den Befall von Bakterien im Ruhezustand spezialisiert haben.

Nach einer langen Suche, wurden die Forschenden tatsächlich fündig: Aus verrottendem Pflanzenmaterial isolierten sie ein bis dahin unbekanntes Virus, das dem Suchkriterium entsprach. Bei Versuchen mit Bakterien im Ruhezustand zeigte sich, dass der Erreger auch diese sonst so hartnäckigen Keime befallen und vernichten kann. Das Besondere war dabei: Das als Paride bezeichnete Virus kann eine besonders berüchtigte Bakterienspezies im Schlummerzustand knacken: Pseudomonas aeruginosa. Verschiedene Stämme dieser Mikrobe besiedeln Gewässer, Pflanzen und Erde. Bestimmte Versionen können aber auch lebensgefährliche Erkrankungen der Atemwege wie Lungenentzündungen beim Menschen auslösen. Versuche in Kulturschalen zeigten, dass das Virus 99 Prozent aller schlafenden Pseudomonas-aeruginosa-Bakterien abtöten konnte. Wie genau dies dem Erreger gelingt, müssen nun weitere Forschungsarbeiten klären. Doch die Wissenschaftler nehmen an, dass das Virus die befallenen Zellen mithilfe eines molekularen Mechanismus zum Erwachen zwingt. Dadurch kann es dann die Vervielfältigungsmaschinerie der gekaperten Zellen für seine Vermehrung auszunutzen – bis diese schließlich kollabieren.

Vielversprechende Testerfolge

Um auch das eine Prozent der Bakterien zu erwischen, das die Phagen offenbar nicht erledigen konnten, fügten die Forscher dem Kulturmedium das Antibiotikum Meropenem hinzu. Normalerweise zeigt es gegen Bakterien im Ruhezustand keinerlei Wirkung, da es nur die Zellwandsynthese bei wachsenden Bakterien attackiert. Die Kombination aus Paride-Phagen und Meropenem löschte jedoch die gesamte Bakterienkultur aus. Das Team führt dies auf die aktivierende Wirkung des Phagen zurück, die in Kombination mit dem Antibiotikum zum völligen K.-o.-Schlag führte.

Nach diesem Erfolg gingen die Forscher zu Tierversuchen über – sie testeten das Behandlungskonzept an Mäusen mit einer chronischen Infektion. Dabei zeigte sich: Allein wirkten die Phagen oder das Antibiotikum nicht besonders gut. Doch das Zusammenspiel erwies sich auch im lebenden Organismus als äußerst wirksam im Kampf gegen die Infektionen. „Damit konnten wir zeigen, dass unsere Entdeckung nicht einfach nur ein Labor-Artefakt ist, sondern auch klinisch relevant sein könnte“, sagt Maffei.

Vielleicht könnte demnach zukünftig eine Phagen-Antibiotika-Kombinationsbehandlung chronische Infektionen effektiv bekämpfen, bei denen sich möglicherweise viele der Erreger im Schlummerzustand befinden. Vor allem will sich das Team nun aber der Aufklärung des Mechanismus widmen, durch den der Phage die Bakterien zu erwecken scheint. Denn in den entsprechenden Genen ound Molekülen könnte weitreichendes Potenzial stecken: Darauf basierend könnten Substanzen entwickelt werden, die hartnäckige Schlummer-Bakterien aufwecken können. Ein solcher Wirkstoff könnte dann mit einem geeigneten Antibiotikum, das allein die Bakterien nicht restlos eliminiert, kombiniert werden. „Aber damit stehen wir erst am Anfang“, gibt Seniorautor Alexander Harms von der Universität Basel abschließend zu bedenken.

Quelle: Eidgenössische Technische Hochschule Zürich, Fachartikel: Nature Communications, doi: 10.1038/s41467-023-44157-3

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