Wissenschaft

#Historischer Unterwasser-Vulkanausbruch bei Santorini

Die griechische Insel Santorini erhielt durch einen großen Vulkanausbruch vor rund 3600 Jahren ihre heutige Sichelform. Doch historische Schriften berichten von einem weiteren, jüngeren Ausbruch im Frühsommer des Jahres 726 nach Christus. Mit Hilfe von Sedimentbohrungen haben Geologen diesen Ausbruch nun verifiziert. Die neuen Erkenntnisse legen nahe, dass die Eruption unter Wasser stattfand und wesentlich stärker war als bisher vermutet. Das hat auch Auswirkungen auf heutige Gefahrenbewertungen. So könnte der Vulkan Santorinis auch heute gefährlicher sein als angenommen.

Santorini ist nicht nur ein beliebtes Ferienziel, sondern auch eines der am besten untersuchten Vulkansysteme weltweit. Die heutige Form der Insel entstand bei einem großen Ausbruch des Vulkans Kameni um das Jahr 1600 vor Christus. Damals stürzte die entleerte Magmakammer ein und bildete einen riesigen Krater, eine sogenannte Caldera. Die heutige Insel liegt am Rand dieses mit Wasser gefüllten Kraters. Typisch für solche Caldera-Systeme ist, dass sie sich nach und nach wieder mit Magma füllen.

„Wie andere große Vulkansysteme auch, durchläuft Santorini sogenannte Caldera-Zyklen“, erklärt Jonas Preine von der Universität Hamburg. „Nach einem sehr großen Ausbruch beginnt der neue Zyklus mit kleinen, aber häufigen Ausbrüchen, während sich das Vulkansystem wieder langsam mit Magma füllt. Anschließend reift es weiter, die Ausbrüche werden größer, aber seltener, bevor das System reif ist, einen neuen Caldera formenden Ausbruch hervorzubringen.“ Diese Zyklen erstrecken sich oft über zehntausende Jahre. Aktuell befindet sich Santorini in der Phase, in der sich wieder Magma ansammelt. Der Vulkan ist aber noch weit entfernt von einem erneuten Caldera formenden Ausbruch. Seit 197 vor Christus sind zahlreiche kleinere Eruptionen dokumentiert. Große Ausbrüche hielt man bislang allerdings für unwahrscheinlich.

Historische Eruption

Neue Forschungsergebnisse von Preine und seinem Team stellen diese Annahme nun allerdings in Frage. Anhand von seismischen Reflexionsdaten sowie Untersuchungen von Bohrkernen mit Sedimentproben von innerhalb und außerhalb der Caldera haben die Forschenden einen Ausbruch des Kameni im frühen Mittelalter untersucht. Historische Schriften berichten von einer starken Eruption im Frühsommer des Jahres 726 nach Christus. Demnach soll das Meer gekocht haben und große Bimssteine seien bis an die Küste Kleinasiens geschwemmt worden. Konkrete Belege für einen Ausbruch dieses Ausmaßes fehlten allerdings bislang. So fanden sich auf Santorini an Land kaum Ablagerungen, die eigentlich von einer solchen Eruption zurückbleiben müssten.

Doch wie die aktuelle Studie zeigt, sieht es unter Wasser ganz anders aus: „Unsere Analyse zeigt die Ablagerungen einer submarinen explosiven Eruption, die bis zu 3,1 Kubikkilometer Bimsstein und Asche produzierte“, berichtet das Team. Bis zu 40 Meter dicke Schichten aus Bimsstein und Asche finden sich noch heute im Meeressediment. „Das passt zu den historischen Berichten über die Eruption im Jahr 726 nach Christus.“ Die weitgehend fehlenden Ablagerungen an Land sind dadurch zu erklären, dass der Ausbruch unter Wasser stattfand.

Einfluss auf heutige Gefahrenbewertung

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass der Unterwasser-Ausbruch wesentlich heftiger war als bislang angenommen: „Der geschätzte vulkanische Explosivitätsindex der Größenordnung 5 übertrifft die bisher für Santorin angenommenen schlimmsten Eruptionsszenarien“, so das Team. Selbst die Worst-Case-Schätzungen gingen bisher von Explosionsstärken von höchstens drei bis vier aus. Den Forschenden zufolge haben die neuen Erkenntnisse wichtige Implikationen für heutige Gefahrenbewertungen: „Unsere Feststellung, dass die Santorini-Caldera in der Lage ist, bereits in einem frühen Stadium des Caldera-Zyklus große explosive Eruptionen auszulösen, impliziert ein erhöhtes Gefahrenpotenzial für die östliche Mittelmeerregion“, schreibt das Team.

Käme es heutzutage zu einer ähnlichen Eruption, hätte das laut Preine und seinen Kollegen schwerwiegende Folgen für die Bevölkerung Santorinis und ihrer Nachbarinseln sowie für das gesamte östliche Mittelmeer. „Zu den Eruptionsphänomenen gehören Tsunamis, die durch Unterwasserexplosionen ausgelöst werden, ausgedehnte Bimssteinflöße und große Aschewolken aus der Luft, die erhebliche Auswirkungen auf die Küstengemeinden, die Luftfahrt, den Seeverkehr und Unterseekabel haben können“, so das Team. Zwar ist es nach aktuellem Stand sehr unwahrscheinlich, dass eine ähnliche Eruption in naher Zukunft vorkommen könnte, doch das Forschungsteam empfiehlt, einen verstärkten Fokus auf Frühwarnsysteme zu legen.

Relevant auch in anderen Regionen

Auch für andere Caldera-Systeme, bei denen man ebenfalls davon ausging, dass in der Frühphase des Zyklus nicht mit großen Ausbrüchen zu rechnen ist, können die Ergebnisse relevant sein. „Wenn uns die Ablagerungen eines so großen Ausbruchs von einem so gut untersuchten Vulkansystem wie Santorini nicht bekannt waren, müssen wir davon ausgehen, dass unsere globalen Eruptionsaufzeichnungen einen erheblichen blinden Fleck für submarine explosive Eruptionen aufweisen“, sagt Preine. „Das Verständnis des vergangenen und gegenwärtigen Verhaltens aktiver Calderen ist der Schlüssel zur Vorhersage ihres künftigen Verhaltens und von entscheidender Bedeutung für die Bewertung des regionalen und globalen Eruptionsrisikos.“

Quelle: Jonas Preine (Universität Hamburg) et al., Nature Geoscience, doi: 10.1038/s41561-024-01392-7

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Wissenschaft kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!