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#Hoffnungsland Indien

„Hoffnungsland Indien“

Wohl schon im nächsten Jahr wird Indien das be­völkerungsreichste Land der Welt sein. Dann werde es, so haben die Vereinten Nationen Mitte dieser Woche vorhergesagt, China bei der Zahl der Einwohner überholen. Ist es so weit, werden die Berater der indischen Regierung auch dies als gute Nachricht verkünden, als eine Nachricht von Macht, Einfluss und „demographischer Dividende“: 2050 soll es dann 1,668 Milliarden Inder geben, während die Zahl der ­Chinesen auf 1,317 Milliarden zurückgefallen ist.

Christoph Hein

Wirtschaftskorrespondent für Südasien/Pazifik mit Sitz in Singapur.

Das lässt auf ein starkes Wirtschaftswachstum hoffen. Die Mittelschicht wächst und damit auch die Kaufkraft – und die Nachfrage nach höherwertigen Produkten und Dienstleistungen. Für Anleger könnte Indien ein gutes Investment sein.

Hohe Arbeitslosigkeit

Doch so gut die Nachricht der wachsenden Bevölkerung in manchen Ohren klingen mag, kündet sie zunächst von dramatischen Zuständen. Denn die „größte Demokratie der Erde“, wie das Land oft bezeichnet wird, findet schon heute nicht annähernd genug Arbeit für ihre Menschen. Und sie versorgt sie schlecht. Bis 2050 werden weitere 183 Millionen Inder in die arbeitsfähige Bevölkerung hineinwachsen.

„Die Arbeitslosigkeit steht schon jetzt auf dem höchsten Stand seit 45 Jahren, hinzu kommen eine schlechte Gesundheitsvorsorge und Ausbildung. Damit wird die demographische Dividende zu einem Risiko“, warnt die Ökonomin Neethi P vom Indian Institute for Human Settlements in Bangalore.

Die Vereinten Nationen weisen darauf hin, dass Indien unter den größten zehn Ländern der Welt bei den meisten Sozialindikatoren nur den zweit- oder drittletzten Platz belege, fast immer noch hinter dem benachbarten Bangladesch – das lange als Armenhaus der Welt galt. Gleich ob Kindersterblichkeit, Lebenserwartung oder Sterblichkeitsrate Neugeborener – noch schlechter als Indien sehen unter den großen Ländern allenfalls noch Pakistan und Nigeria aus.

Der umstrittene Ministerpräsident

Für Ministerpräsident Narendra Modi, der das Land aufheizt mit immer neuen Parolen, die immer mehr Hochschullehrer, Vertreter der Zivilgesellschaft und kritische Denker ins Ausland treiben, sind das schlechte Nachrichten. 2014 errang er als Wirtschaftsreformer einen überwältigenden Wahlsieg, hatte den raschen Aufstieg des Subkontinents versprochen. Eine Landreform scheiterte nach dem einjährigen Protest der Bauern. Eine Steuerreform drückte er durch, sie hakt aber auf Länderebene. Die Regierung ließ Toiletten, Stromnetze, Straßen und Bahnlinien bauen, sie zahlte den Armen höhere Hilfen – nie aber war es genug.

Im Bundesstaat Bihar bewarben sich gerade zehn Millionen Menschen auf 35 000 ausgeschriebene Arbeitsplätze. Die meisten von Modis Ankündigungen verdampften. Die Armen litten, nachdem er über Nacht das Bargeld entziehen ließ, sie litten noch mehr, als er die Corona-Pandemie gleich zweimal brutal unterschätzte. Bis heute erkennt die Regierung die offiziellen Opferstatistiken der Weltgesundheitsorganisation nicht an. Statistiken, besonders wenn sie kritisch ausfallen, sieht Indiens Führung nicht gern. „Die Zahl jener im arbeitsfähigen Alter legte zwischen 2017 und 2021 um 115,5 Millionen zu, aber das Heer der Arbeitskräfte wuchs nur um 7,7 Millionen“, warnt die Wissenschaftlerin Neethi P. Die Vereinten Nationen schlugen 2019 Alarm, weil fast die Hälfte aller indischen Jugendlichen nicht so ausgebildet werden, dass sie 2030 beschäftigt werden könnten.

Und doch jubeln Zehn-, manchmal Hunderttausende wenn Modi im Inland und Ausland auftritt. Zum einen, weil er Indien ein Antlitz verleiht, dem leidenden Subkontinent Würde zurückgibt. Zum anderen, weil die indische Mittel- und Oberschicht von Modi profitiert. Die auf rund 100 Millionen Menschen geschätzte Gruppe der Ingenieure und Entwickler, der Manager und höheren Beamten gewinnt im neuen Indien. Sie genießt eine bessere Infrastruktur als jemals zuvor und träumt die Träume, die Modi erzählt.

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