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Holland am Limit

Auf der Fahrt von Amsterdam südlich hinaus nach Utrecht: Einer der ältesten Autobahnabschnitte in den Niederlanden; die A 2 führt von hier aus weiter in den Süden des Landes durch städtische Gebiete über Eindhoven nach Maas­tricht, was sie zu einer der am dichtesten befahrenen Autobahnen des Landes macht. Hinter dem Knotenpunkt Holendrecht – einem aus zwei Autobahndrei­ecken gebildeten Kreuz – tauchen ­Warnschilder auf: „Trajectcontrole“, Abschnittskontrolle zur Tempo-Überwachung. Gemessen wird nicht an einem Punkt, sondern die Durchschnittsgeschwindigkeit über eine längere Strecke. Kameras hängen über den elektronischen Tempoanzeigen und fotografieren die Kennzeichen. Hinter der Abfahrt Breukelen tauchen wieder Kameras auf.

Die Höchstgeschwindigkeit auf dem Autobahnabschnitt variiert: 130 Kilometer pro Stunde sind im Prinzip erlaubt, aber nur von 19 Uhr bis 6 Uhr. Tagsüber gilt – wie seit eineinhalb Jahren im ganzen Land – Tempo 100. Die Messung mit Abschnittskontrolle verbreitet sich immer weiter. Nach Angaben der Justiz ist sie landesweit inzwischen auf zehn Autobahnen im Einsatz und wird sukzessive auf 20 weiteren Straßen eingeführt. 130 km/h nach 19 Uhr gilt aber nicht überall. Auf manchen Strecken sind 120 km/h erlaubt, auf wieder anderen gilt Tempo 100 grundsätzlich.

„Niemand findet das schön“

Tempo 100 als Tages-Maximum wurde im März vergangenen Jahres eingeführt. Hintergrund war nicht die Verkehrssicherheit, sondern ein Umwelturteil. Weil die fünftgrößte EU-Volkswirtschaft zu viele Stickoxide ausstößt, hatte das oberste Verwaltungsgericht 2019 angeordnet, große Bauvorhaben zu stoppen. Das betraf auch Tausende Wohnimmobilien – in einem Land, das vielerorts unter Wohnungsnot ächzt. Der rechtsliberale Ministerpräsident Mark Rutte sah sich vor der Wahl, die Bauprojekte zu streichen oder die Emissionen anderweitig zu senken. Da bleibe nichts weiter übrig, als Tempo 100 zu verordnen, sagte Rutte. „Niemand findet das schön.“ Aber es gehe hier um höhere Interessen.

Der Protest fiel erstaunlich leise aus. Der Gewerbeverband BOVAG kritisierte, das niedrigere Tempo wirke sich kaum auf die Stickoxidbilanz aus. Der Verkehrsclub ANWB – der dem ADAC ähnelt – äußerte Verständnis wegen der Interessenabwägung, solange das eine vorübergehende Maßnahme sei. „Eine knappe Mehrheit von ANWB-Mitgliedern findet, dass der Bau nicht zum Stillstand kommen darf, und steht daher der Höchstgeschwindigkeitssenkung positiv gegenüber“, hieß es zur Einführung der Maßnahme. „Dagegen ist ungefähr ein Drittel der Mitglieder negativ oder sehr negativ, was die Maßnahme angeht.“ Der ANWB drängte darauf, dass die alten Regeln zurückkehren, sobald die Stickoxidwerte das erlaubten – und da sieht der Lobbyverband auch andere Sektoren in der Pflicht.

Mit mehr elektrischen Autos sänken die Emissionen im Übrigen von selbst. Ruttes Partei VVD, die bei der Wahl im März eine relative Mehrheit gewann und ein halbes Jahr später noch immer um eine neue Koalition ringt, sieht das ähnlich: „Am liebsten möchten wir auch tagsüber wieder 130 fahren, aber das geht erst, wenn der Stickstoffoxidausstoß ausreichend gesenkt ist. Bis dahin ist das niedrigere Tempolimit nötig, damit der Wohnungsbau weitergehen kann“, ist in den „Standpunkten“ der Partei zu dem Thema zu lesen.

Ältere bewerteten Tempo 100 positiver als Jüngere

Von Februar bis Juni dieses Jahres ließ das Statistikamt CBS 3600 Bürger zu allerlei Themen um den Autogebrauch befragen, auch zum neuen Tempolimit. Vier von zehn Befragten befürworteten die Maßnahme. Etwas mehr als die Hälfte wollte dagegen schneller fahren: Neun Prozent wünschten 110 km/h, 24 Prozent 120 km/h und 15 Prozent 130 km/h. Nur drei Prozent sprachen sich für ein höheres oder gar kein Limit aus. Ältere bewerteten Tempo 100 tendenziell deutlich positiver als Jüngere, überproportional viele Befürworter finden sich außerdem unter Akademikern und Einwohnern städtischer Gebiete.

Außenstehende mögen die nach Strecken uneinheitlichen Limits verwirrend finden, auch wenn die auf Schildern an der Straße oder den elektronischen Temposchildern angegeben sind. Den landesweiten Überblick gibt das Verkehrsministerium in einem PDF mit dem Autobahnnetz in Ampelfarben. Wer etwa die A 2 weiter herunter reist, fährt am Großraum Utrecht auf einem roten Abschnitt vorbei (dauerhaft Tempo 100), dann eine Weile auf einer grünen Strecke (130) und einer gelben (120) und im Raum Den Bosch noch mal auf ein wenig Rot. Es folgen im Wechsel Grün und Gelb, bis die Strecke sich ganz im Süden bei Maastricht abermals rötet. Vereinzelt taucht auf dem Autobahnnetz Rosa auf, mit einer besonderen Beschränkung: Ganze 80 Kilometer pro Stunde sind hier einzuhalten, das gilt etwa auf einem westlichen Abschnitt des Rings um die Metropole Amsterdam, der ansonsten durchgehend „rot“ ist, also Tempo 100 gebietet.

Ausländer sollten nicht auf Milde hoffen. Mehr als früher sorgen die Behörden dafür, dass ein Bußgeldbescheid auch grenzüberschreitend im Briefkasten landet. Die Niederlande arbeiten nach Angaben des Regierungsportals „Rijksoverheid“ mit elf anderen EU-Mitgliedstaaten – darunter Deutschland – sowie der Schweiz zusammen: „Auch Verkehrsregelverletzer aus den angeschlossenen Ländern bekommen die Buße, wenn sie im jeweils anderen Land fahren.“ Was in der Regel auch nicht funktioniert: die Trajectcontrole zu umgehen, indem man eine andere Auffahrt nimmt oder auf einer Raststätte pausiert und anschließend rast. Die Abschnitte sind in Unterabschnitte mit Extrakameras unterteilt. Überwachung total.

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