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#Hygge hat hier nichts zu suchen

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Hygge hat hier nichts zu suchen

In der dänischen Kleinstadt Balling auf der Insel Fünen, nahe Odense, gibt es eine Kneipe, eine große Autowerkstatt, eine Kiesgrube, ein Ärztezentrum, einen vielbeschäftigten Pflegedienst, ansonsten Landwirtschaft, verstreute Höfe und Eintönigkeit. Das Wort Hygge hat hier niemand erfunden, obwohl die Brauchtums-Sonnenwendfeier den gesellschaftlichen Höhepunkt des Jahres darstellt. Die meiste Zeit sieht der Ort so nüchtern aus wie die Gesichter durchschnittlich und die Personen uninteressant, bis auf nachts, wenn ein einzelner Wolf die Mitte der Straße blockiert (Bildgestaltung Martin Munch). Wer kann, der zieht weg, aber die wenigsten, die wollen, können.

Wer bleibt, wirkt wie jemand, der für jemanden anderes aushalten muss. Oder Zuflucht vor Dämonen sucht. Balling sieht aus, als hätte jemand einen Feenkreis um den Ort gezogen und ihn dann vergessen. Oder einen Bann ausgesprochen, den Achtzehnjährige wie Kasper (Sylvester Byder) oder Mia (Frieda Krogholt), nach allgemeiner Ansicht die „Bescheuerten“, nicht zu brechen vermögen. Selten kommt jemand zurück, wie Martin (Anders Juul), der es mit einem einzigen Roman zum ungerechtfertigten Ruf des Erfolgsliteraten gebracht hat. In Wirklichkeit ist Martin mittellos und will seinen Bruder Peter (Claus Riis Ostergaard) dazu bringen, das gemeinsam geerbte Elternhaus zu verkaufen, in dem sich der Ältere immer häufiger verschanzt und Rache phantasiert, denn in Balling gibt es neben allem Durchschnittlichen auch Mike, den Dorftyrannen. Mike, der Peters Sohn auf dem Gewissen hat, der den Kneipenbesitzer Tom (Jesper Riefenstahl) quält, seinen Ruf ruiniert und mit dessen Frau Bibi (Lene Maria Christensen) schläft.

Sein Spiel heißt Zerstörung

„Spaß an der Angst“ heißt eine frühe Folge der acht Stunden, die die dänische Serie „Killing Mike“ für ihr exquisites antimoralisches Rachedrama braucht. Sie entfaltet zunächst in dramaturgisch gebremster Scheinruhe Mikes Spielanordnungen und -züge. Danach ist die Zwickmühle, die die Autoren Christian Torpe und Marie Osterbye sich vorgenommen haben, plausibel und der Zusehende als machtloser Zeuge wahrscheinlich bereit, die Seite der Geplagten zu wählen. Die Perfidie, mit der „Killing Mike“ das Selbstjustiz-szenario auf den Kopf stellt, beginnt so erst. Dass die Erniedrigten und Geschädigten nicht die zweifelsfrei Guten sind, verabreicht die Serie in kleinen, aber manipulativ hochwirksamen Dosen. Niemand bleibt hier sympathisch, nur weil er Opfer ist. Unter den Selbstjustizfilmen oder -serien ist „Killing Mike“ eine moralische Stinkbombe (Regie u.a. Louise N.D. Friedberg).

Mike, ein hochintelligenter sadistischer Psychopath wie er im Lehrbuch steht, lässt niemanden in Ruhe. Sein Spiel heißt Zerstörung. Für jede und jeden findet er die passende Qual, ganz individuell. Rohe Gewalt hier, Psychoterror da. Vor anderthalb Jahren hat Mike Peters Sohn überfahren, Kasper saß mit ihm im Auto, drehte anschließend durch und wurde gerade erst aus der Psychiatrie entlassen. Er sieht immer noch imaginäre Rasenmäher und Hühner. Mike hat etwas gegen den Polizisten in der Hand, der den Tod des Arztsohns als Unfall zu den Akten legen lässt. Kaspers Eltern, Anna (Marijana Jankovic) und John (Mads Romer), fürchten sich vor Mikes neuem Einfluss. Selbst der friedfertige Milad (Dar Salim), vor zwanzig Jahren aus dem Irak geflüchtet, alleinerziehender Vater von Jakob (Victor Skov Dahl Christiansen), lebt in Unsicherheit. Als der vierzehnjährige Jakob von Mike zusammengeschlagen wird – „Gruß an den Vater“ –, zeigt der geflüchtete Pazifist Härte.

Fünf Ballinger beschließen: Mike muss weg, niemand soll deswegen ins Gefängnis. Milad beherrscht Nahkampftechniken, kann schießen und bleibt selbst bei der unvermeidlichen Moraldiskussion, die bald geführt wird, unerbittlich. Ist er ein Schläfer, wie John mutmaßt? Und schert das jemanden? Die Mitglieder des Rächerclubs blühen auf. Lebensträume gehen wie als Vorgriff auf eine unbeschwerte Zukunft schon einmal in Erfüllung. Bevor unerwartete Wendungen die einfachen Lösungen durchkreuzen. Aus einer Zwickmühle werden viele, und die durch Zufälle erschwerte Beseitigung Mikes hat mit der Lösung aller Probleme immer weniger zu tun.

Dass aus Dänemark immer wieder Ausnahmeproduktionen kommen, daran hat man sich fast schon gewöhnt. Auch die öffentlich-rechtliche Produktion „Killing Mike“ ist als Thriller von besonderer Qualität – besonders genau, besonders schlau und besonders klischeefern erzählt. Schauspielerisch glänzen vor allem Lene Maria Christensen als Bibi und Dar Salim als Milad (Salim ist Teil des neuen Ermittlerteams im Bremer „Tatort“). Die Serie beginnt dabei nach dramatischem Auftakt fast behäbig, im Nachhinein aber fügen sich die detailverliebten Abschweifungen ähnlich wie in „Broadchurch“ zum Porträt eines Ortes, der weniger heile Welt als Eingang zum psychopathologischen Abgrund ist.

Killing Mike, am Freitag (23.30 Uhr) und am Samstag (23.25 Uhr), jeweils vier Folgen bei ZDFneo oder in der ZDFmediathek.

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