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#Ich bin ganz ich selbst, ich verwandle mich

„Ich bin ganz ich selbst, ich verwandle mich“

Die 29 Jahre alte Sängerin Rosalía aus der Nähe von Barcelona ist – neben Dua Lipa – die aktuell erfolgreichste europäische Popsängerin der Welt. Sie gilt als iberische Antwort auf Björk und Beyoncé zugleich. Avantgarde und Kommerz sind bei ihr keine Widersprüche. Mit ihren Solo-Veröffentlichungen und ihren Kollaborationen mit Stars wie The Weeknd, James Blake, Travis Scott oder J Balvin erzielte sie in den letzten Jahren Milliarden von Clicks und Streams.

Unter den wenigen spanischsprachigen Popstars, die es zu Weltruhm gebracht haben, stach Rosalía bislang dadurch hervor, dass sie die iberische Kultur als Markenzeichen dekonstruierte und neu zusammensetzte. Klänge des Flamenco wurden dafür auseinandergenommen und mit den Rhythmen der spanischsprachigen Karibik und des Urban-Pop verwoben. In ihren innovativen Musikvideos verband sie die Bildwelten eines Pablo Almodóvar, des Surrealismus oder auch des Bullenreitens mit der Meme-Kultur des Internets.

Rosalía gehört einer Generation an, in der sich musikalische Barrieren weitgehend aufgelöst haben und Genres nebeneinanderher existieren. Doch wenn alles im Fluss ist, was macht dann den Unterschied? In ihrem Fall ist es vor allem ihre Stimme, die in der heutigen Poplandschaft ihresgleichen sucht und von keinem Produzententeam dieser Welt digital erstellt werden könnte.

Rosalías Gesangsgewandtheit ist das Ergebnis hochkonzentrierter Arbeit und eines langjährigen Musikstudiums. Ihr Vorbild ist Camarón de la Isla, ein Roma aus Andalusien, der als einer der ersten Superstars des Flamenco galt. Die Sängerin stammt aus Katalonien im Norden Spaniens. Ihre Klassenkameraden und Freunde dort waren Kinder von Arbeitern aus Andalusien, die sie in den Flamenco einführten, als sie dreizehn Jahre alt war. Sie war so begeistert von der Musik Camarón de la Islas, dass sie begann, Flamencogesang und Klavier zu studieren. Im Alter von neunzehn Jahren wurde sie an der Escola Superior de Música de Catalunya aufgenommen, um vier Jahre bei José Miguel Vizcaya in die Lehre zu gehen, einem legendären Flamenco-Lehrer, der nur eine Schülerin pro Jahr an der Hochschule aufnimmt.

Flamenco, urbane Sounds und Pop

Sie begann in Bars und auf Hochzeiten aufzutreten, um erste Live-Erfahrungen zu sammeln und ihr Können zu präsentieren. Als sie 22 Jahre alt war, nahm sie ihr erstes Album „Los Angeles“ auf. Es erschien 2016 und wurde zu einem Achtungserfolg, aber außerhalb der spanischsprachigen Welt kaum wahrgenommen. 2017 begann sie für ihre Abschlussarbeit an der Musikschule mit dem Produzenten El Guincho an dem Album „El Mal Querer“ zu arbeiten. Es erschien 2018; der darauf enthaltene Hit „Ma­lamente“ machte sie schlagartig international berühmt. Weitere Chart-Hits folgten, denn auf ihrem Zweitling hatte sie ihr Flamenco-Talent um urbane Sounds und Pop erweitert. Polyrhythmische Handclaps, wilder, melismatischer Gesang, phrygische Skalen – all das war auf „El Mal Querer“ zu hören, aber zusammengewürfelt mit Trap-Beats, Dembow-Rhythmen und der Sonic Fiction des Schwarzen Atlantiks.

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Für ihr drittes Album „Motomami“, das jetzt erscheint, hat sich Rosalía künstlerisch nun noch weiter hervorgewagt. „Motomami“ ist ein innovatives, avantgardistisches Werk, das den Hörer mit mehr Fragen als Antworten zurücklässt. Schon der Titel des Albums ist wie ein sperriges Binom gebaut; zwei gegensätzliche Formen von Energie markieren das Spannungsfeld des Albums. „Moto“ – das Motorrad, die maschinenbetriebene Energie – und „Mami“, das im lateinamerikanischen Spanisch umgangssprachlich „Schätzchen“ bedeutet. Die sechzehn Tracks des Albums sind eine musikalische Illustration dieses Binoms. Fragile A-cappella-Stücke wechseln sich ab mit südamerikanischen und karibischen Rhythmen; James Blake ist mit einer neuen Kollaboration als Gastsänger vertreten, und hinzu kommen die beiden bereits veröffentlichten Hitsin­gles mit The Weeknd sowie der Reggaetonsängerin Tokischa.

„Olé!“ im Micky-Maus-Pitch

Auf dem gesamten Album spielt Rosalía mit dem großen Spektrum ihrer Stimme; sie geht bis an die Grenzen, um den Rhythmus und die Melodien immer wieder neu ineinander zu verflechten. Ihre Musik kann disharmonisch und asymmetrisch erscheinen, gleichzeitig aber beweist sie immer ein großes Gespür für Pop. Auf „Motomami“ ist Platz für alles. Der Track „Bulerías“ eignet sich dabei als anschauliches Beispiel, wie Rosalías Pop-Metabolismus funktioniert. Ein klassischer Bulería-Auftakt mit anfeuernden Schreien, heftigen Anschlägen und rhythmischem Handklatschen reist durch einen elektronischen Effekttunnel, wird verschluckt und zu einem gedämpften Puls, wie etwas, das man im Untergrund oder durch die Wand eines Clubs hört. Darüber singt Rosalía elegisch in Halbton-Serpentinen, dann öffnet sich der Effekt schlagartig, und mit einem Mal entlädt sich die ungefilterte Aufnahme in Ekstase, und am Ende jubelt die Rhythmusgruppe „Olé!“ im Micky-Maus-Pitch.

Oder der erste Track des Albums, „Saoko“, eine Hommage an den Reggaeton-Pionier Daddy Yankee. Das nur zweiminütige Stück startet wie ein klassischer Reggaeton, der jedoch überladen und verzerrt ist, mit dem Brummen einer kaputten Orgel, einem überraschenden Jazz-Piano-Break und einem taumelnden Finale, das sich zu einem feurig-stotternden Crescendo aufbaut. Der Song ist eine Anspielung auf das international derzeit erfolgreichste lateinamerikanische Pop-Genre Reggaeton, erinnert aber auch an die waghalsige Zusammenarbeit des venezolanischen Produzenten Arca mit Kanye West, der 2013 beschloss, weit entfernt von der Erwartungshaltung seiner Fans mit „Yeezus“ musikalisch etwas völlig Abenteuerliches zu veröffentlichen, und damit einen noch viel größeren Erfolg feierte als mit seinem früheren Gefälligkeits-Rap. Rosalía ist dieser Idee auf dem ganzen Album gefolgt. „Yo soy muy mía, yo me transformo“, singt sie auf „Saoko“: „Ich bin ganz ich selbst, ich verwandle mich.“

Rosalía: „Motomami“ (Columbia Records)

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