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#Wenn der Job zur Billiglohn-Falle wird

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Wenn der Job zur Billiglohn-Falle wird

In wenigen Ländern der Europäischen Union arbeiten so viele Menschen im Niedriglohnsektor wie in Deutschland. Jeder fünfte abhängig Beschäftigte in der Bundesrepublik gehört dazu. Wirtschaftsminister Robert Habeck kritisierte vor Kurzem in der F.A.S. gar, Deutschland sei in der Fleischindustrie ein „Billiglohnland“ geworden. Da zeigt sich ein ziemlich düsteres Bild von der viertgrößten Volkswirtschaft der Welt. Wie kann es sein, dass an all dem Wohlstand, den die Menschen in Deutschland erwirtschaftet haben, so viele nicht teilhaben, obwohl sie einen Beitrag dazu leisten?

Was Staat und Wirtschaft bisher unternommen haben, um die Situation zu verbessern, funktioniert offenbar nicht. Der Anteil der Geringverdiener an der arbeitenden Bevölkerung stagniert seit Jahren. Dazu zählt, wer weniger als 12,27 Euro in der Stunde verdient. Ihre absolute Zahl, 7,8 Millionen, ist dem Statistischen Bundesamt zufolge zwar seit dem Jahr 2018 leicht gefallen, doch das liegt vor allem daran, dass viele der Betroffenen aufgrund der Corona-Einschränkungen Kurzarbeitergeld erhielten und deshalb nicht mitgezählt wurden. Einen höheren Anteil an Geringverdienern gab es 2018 nur in den baltischen Staaten, in Polen und in Bulgarien. Besonders oft betroffen sind Frauen, Jüngere, Ostdeutsche, Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund. Den höchsten Niedriglohnanteil gibt es in der Landwirtschaft, im Gastgewerbe und bei den „sonstigen wirtschaftlichen Dienstleistungen“, etwa bei Sicherheits- oder Reinigungspersonal.


Bild: F.A.S.

Viele könnten mehr verdienen

Einen Ausweg aus der Stagnation sucht der Ökonom Simon Jäger vom Massachusetts Institute of Technology. Er greift dazu eine alte Idee der Volkswirtschaftslehre auf: dass Arbeitsmärkte selten unter perfekten Wettbewerbsbedingungen existieren und dass die Marktmacht der Arbeitgeber eine wichtige Rolle spielt. Jäger und seine Ko-Autoren fragten sich: Wissen Arbeitnehmer überhaupt, was ihre Alternativen zum aktuellen Job sind und was sie anderswo verdienen könnten? Mithilfe detaillierter Arbeitsmarktdaten und einer repräsentativen Umfrage konnten die Ökonomen zeigen, dass das in Deutschland oft nicht der Fall ist: „Wir können einen Anker-Effekt nachweisen, ein Phänomen, das aus der Psychologie und Verhaltensökonomik in anderen Bereichen als dem Arbeitsmarkt bekannt ist. Gerade in Firmen im Niedriglohnsektor sehen wir eine hohe Konzentration von Leuten, die unterschätzen, was sie woanders verdienen können. Das ist dann eine Art von Armutsfalle. Arbeitnehmer stecken in Beschäftigungsverhältnissen fest, in denen sie womöglich nicht stecken würden, wenn sie wüssten, was für Löhne anderswo gezahlt werden.“

Warum es möglich ist, dass so viele Menschen so wenig über ihre eigene Branche wissen, dafür macht Jäger drei Gründe aus: „Einerseits haben Arbeitnehmer selber womöglich keinen großen Anreiz, ihr eigenes Gehalt offenzulegen. Gerade in Deutschland gibt es gewisse Tabus, darüber zu sprechen.“ Zweitens hätten Unternehmen zwar einen externen Anreiz, ihre hohen Gehälter publik zu machen, täten dies aber oft nicht, um interne Gehaltsgefüge zu bewahren. Ein dritter Faktor sei womöglich die Abnahme der Tarifbindung in Deutschland, vermutet Jäger. „Über die letzten drei Jahrzehnte hat der Anteil der Beschäftigungsverhältnisse, in denen Tarifverträge die Löhne und Gehälter regeln, abgenommen. Tarifverträge schaffen eine gewisse Transparenz. Ich weiß dann, was in meiner Branche gezahlt wird.“

Jäger betont, dass die Welt nicht monokausal sei. Dennoch, glaubt er, könnten seine Erkenntnisse einen wichtigen Beitrag dazu leisten, zu erklären, warum es einen großen Niedriglohnsektor in Deutschland gebe. Denn die Ökonomen gehen noch einen Schritt weiter: Sie berechnen, wie viele Menschen im Niedriglohnsektor anderswo mehr verdienen könnten, und kommen zu dem Schluss: Etwa 40 Prozent der Niedriglohnjobs wären in der jetzigen Form nicht mehr tragbar, wenn die Arbeitnehmer besser über Alternativen Bescheid wüssten.

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