Nachrichten

#„Ich lasse mich nicht unterkriegen“

„Ich lasse mich nicht unterkriegen“

Dutzende Menschen sind im Hochwasser gestorben, andere haben ihr Hab und Gut verloren. Zu den persönlich Betroffenen zählt auch Thomas Aßmann, der sonst auf der Seite „Leib & Seele“ für die F.A.S. über seine Patienten berichtet. Mit solcher Kraft wütete das Wasser in Engelskirchen im Bergischen Land, dass Aßmanns Zweitpraxis kollabierte. Ein Anruf ins Katastrophengebiet.

Herr Aßmann, wie geht es Ihnen heute?

Ich stehe unter Schock, ich denke, das kann doch gar nicht wahr sein. Wir hatten die Praxis in Engelskirchen erst 2016 gegründet, es ist meine zweite neben der Hauptpraxis in Lindlar. Seit zwei Jahren lief sie richtig gut. Ich war stolz darauf, fühlte mich dort wohl. Dann ist so was wie ein Kind. Und wenn Sie so ein Kind verlieren, geht das nah. Es kommt darauf an, ob Sie sich der Trauer ergeben oder sagen: Ich gebe nicht auf.

Wie können wir uns die Praxis vorstellen, die es getroffen hat?

Die Praxis war eine ehemalige Sägefa­brik. Über 120 Jahre alt, richtig schön über einem Bach errichtet. Ich hatte damals den Architekten gefragt, ob es ein Risiko wegen Hochwasser gebe. Er sagte zu mir: „In 120 Jahren ist noch nie etwas passiert.“

Das war also tatsächlich ein Jahrhundertereignis. Erzählen Sie uns davon.

Ich hatte schon am Tag davor die Warnung vor Starkregen gehört. Es regnete dann am Mittwoch wirklich ohne Ende. Ich war noch nachmittags in der Praxis, da stellten wir schon sicherheitshalber alle technischen Geräte höher, auf Bier- und Wasserkästen, auf Sandsäcke. Wir wollten vorsichtig sein. Da waren zwischen Bach und Fundament bestimmt noch 50 bis 60 Zentimeter Platz.

Wenn die Idylle zur Hölle wird: Das Eifeldorf Schuld mit seinen Fachwerkhäusern und der Lage an der Ahr zählt zu den besonders pittoresken Orten im Land. Ebendiese Nähe zum Fluss wurde dem Dorf nun zum Verhängnis, viele Häuser wurden schwer beschädigt, auch Tote sind zu beklagen.


Wenn die Idylle zur Hölle wird: Das Eifeldorf Schuld mit seinen Fachwerkhäusern und der Lage an der Ahr zählt zu den besonders pittoresken Orten im Land. Ebendiese Nähe zum Fluss wurde dem Dorf nun zum Verhängnis, viele Häuser wurden schwer beschädigt, auch Tote sind zu beklagen.
:


Bild: EPA

Aber man konnte das Wasser ansteigen sehen?

Ja. Um etwa 18 Uhr reichte der Pegel bis nach oben, bis zum Anschlag des Querträgers, auf dem die Praxis liegt. In der Umgebung trat das Wasser schon über die Ufer. Überschwemmung in den Orten, überflutete Straßen, Sirenengeheule.

Wann konnten Sie das Wasser nicht mehr aufhalten?

Ab 19 Uhr mussten wir akzeptieren, dass ein bisschen Wasser eintrat. Wie ein Rinnsal. Meine Mitarbeiter und ich brachten alle Geräte in der Nachbarpraxis bei einem Kollegen unter, die einen Meter höher liegt. In dem Komplex waren drei Praxen untergebracht. Ich sagte mir, ich würde später am Abend noch mal kommen.

Haben Sie das Unglück da schon ahnen können?

Dass die Praxis geflutet wird, konnte man am Nachmittag erwarten. Aber nie hätte ich gedacht, dass wir die Praxis verlieren würden. Das Ding ist ja: Das Ganze passierte erst, als der Regen schon aufgehört hatte. Um 22 Uhr regnete es nicht mehr. Wir waren optimistisch und sagten uns: Morgen kommt die Firma zum Trocknen, alles wird gut. Jeder dachte, jetzt haben wir das Schlimmste geschafft – dabei kam das Schlimmste erst. Von den Bergen her kam das Wasser wie eine Welle, als hätte man einen Schwamm ausgedrückt.

Oje.

Als wir die Praxis untersuchten, sagte meine Freundin auf einmal: „Was sind das denn für Risse in der Wand?“ – „Wir gehen jetzt sofort hier raus“, sagte der Architekt. Zehn Minuten später sahen wir draußen, wie sich die ersten Backsteine aus dem Fundament lösten. Man konnte wirklich beobachten, wie der Strom da wühlte und arbeitete und das Fundament unterhöhlte. Schließlich dann, innerhalb von Sekunden, krachte die ganze Wand nach unten.

Wie haben Sie diesen Moment erlebt?

Es war surreal. Ich hatte gar nicht das Gefühl, dass ich anwesend war. Es fühlte sich an, als ob ich unbeteiligt sei, als würde ich einen Film anschauen. In der Sekunde, bevor die Wand kollabierte, blitzte es noch aus der Stromleitung, dann war alles dunkel – wie im Film „Titanic“. Ich sah das und stand völlig neben mir. Erst heute, einen Tag später, merke ich, dass das etwas mit mir zu tun hat.

Wie geht es jetzt für Sie weiter?

Wir waren heute morgen dort: Man kann das Ding nur noch abreißen. Ich bin zwar gegen Elementarschäden versichert, sogar gegen Vulkanausbruch. Jetzt ist nur die Frage, ob die Versicherung auch zahlt. Bei Versicherern und auf hoher See sind wir in Gottes Hand.

Was bedeutet das Unglück für Ihre Patienten?

In den letzten Jahren hörten immer mehr Kollegen auf, daher wird es immer schwieriger, ihre Versorgung sicherzustellen. Die Patienten müssen jetzt weiter fahren, um in unsere Hauptpraxis nach Lindlar zu kommen. Wir haben Glück, dass wir diese Praxis überhaupt haben. Der Kollege aus der Nachbarpraxis steht vor dem Nichts, er weinte, als das passierte. Diese Praxis war sein Lebenswerk.

Wie mag es da erst Menschen gehen, die nicht ihre Praxis, sondern ihr Haus verloren haben.

Diesen Menschen ist im wahrsten Sinne des Wortes der Boden unter den Füßen weggezogen.

Sie wollen aber trotzdem wieder eine zweite Praxis eröffnen?

Jetzt erst recht! Ich lasse mich von dieser Katastrophe nicht unterkriegen.

Wenn Ihnen der Artikel gefallen hat, vergessen Sie nicht, ihn mit Ihren Freunden zu teilen. Folgen Sie uns auch in Google News, klicken Sie auf den Stern und wählen Sie uns aus Ihren Favoriten aus.

Wenn Sie an Foren interessiert sind, können Sie Forum.BuradaBiliyorum.Com besuchen.

Wenn Sie weitere Nachrichten lesen möchten, können Sie unsere Nachrichten kategorie besuchen.

Quelle

Ähnliche Artikel

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Schaltfläche "Zurück zum Anfang"
Schließen

Please allow ads on our site

Please consider supporting us by disabling your ad blocker!