#„Ich weiß, dass ich nicht alleine bin“
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„„Ich weiß, dass ich nicht alleine bin““
Irgendwann kann Kyle Beach die Emotionen nicht mehr zurückhalten. Seine Stimme wird zittrig, er schließt die Augen, atmet tief durch. Man muss starke Nerven haben, wenn man sich das Interview ansieht, das der 31-Jährige dem kanadischen Sender TSN gab. Aber vor allem musste Beach stark sein, um endlich offen darüber zu reden, was ihm vor elf Jahren widerfuhr. Der damals 20 Jahre alte Nachwuchsspieler wurde vom Videocoach der Chicago Blackhawks aus der nordamerikanischen NHL sexuell missbraucht und danach bedroht, nicht darüber zu sprechen, sonst sei seine Eishockey-Karriere vorbei, bevor sie richtig begonnen habe. Beach meldete den Fall trotzdem, doch nichts passierte. Jahrelang. Bis diese Woche die Ermittlungsergebnisse einer Kanzlei veröffentlicht wurden, die alle schrecklichen Details offenlegen. Seitdem brennt es in der NHL, diverse Personen mussten zurücktreten, unter ihnen Manager Stan Bowman und Star-Trainer Joel Quenneville, dreimaliger Meister mit Chicago, zuletzt in Florida tätig.
Beach erlebt das aus der Ferne, spielt heute in Erfurt in der deutschen Oberliga. „Wie eine Familie“ sei es dort, sagt der Kanadier, dessen Vita so gar nicht in die dritte deutsche Liga passen will. Beach wurde 2008 beim Draft, der jährlichen Talentewahl, an Nummer elf gezogen. Die Millionen-Karriere war vorgezeichnet. Doch er machte kein einziges NHL-Spiel, spielte erst unterklassig, später in Österreich, Ungarn und Schweden. Da wurde auf den Tribünen schon mal geraunt: Hat nichts aus seinem Talent gemacht, lebt nicht wie ein Profi, trinkt auch mal zu viel. Beach bestreitet das nicht.
„Zerstört“ von den Ereignissen
Er habe „dumme Dinge getan“, spricht von „Alkohol, Drogen“. Aber er ist eben kein Lebemann, die Ereignisse in 2010 haben ihn „zerstört“. Erst der Missbrauch, dann die fehlenden Konsequenzen. Obwohl die Blackhawks Bescheid wussten. Beach erzählt von homofeindlichen Sprüchen der Mitspieler. Es gab laut dem Report sogar eine interne Besprechung der Führungsetage. Das Ergebnis: Die Chance, Meister zu werden, ist wichtiger, bloß keine Unruhe jetzt. Kurz später wurde Chicago wirklich Meister, und Videocoach Brad Aldrich feierte mit.
„Sein Leben ging einfach weiter, bei der Meisterparade, beim Meisterfoto, bei den Feierlichkeiten. Ich fühlte mich, als hätte ich nicht existiert, als sei ich nicht wichtig“, sagt Beach bei TSN. Erst ein paar Wochen später trennten sich die Blackhawks von Aldrich, ohne weitere Ermittlungen. Sie schrieben ihm gar ein gutes Zeugnis, Aldrich arbeite danach für den amerikanischen Verband, später an einer Highschool, wo er einen 16-Jährigen sexuell missbrauchte.
Als Beach von dem Fall erfuhr, entschloss er sich, es noch mal zu versuchen. Bis dahin, sei es nur darum gegangen, „zu überleben, nicht darüber nachdenken“. Doch Klub, Liga und Spielergewerkschaft reagierten wieder nicht, versuchten gar, Ermittlungen zu behindern. Überraschen kann das nicht in der NHL, in der Menschen, die Missstände ansprechen, keinen guten Stand haben. Rassismus, Sexismus, Gewalt, mentale Probleme, Schmerzmittel bis Doping, sexueller Missbrauch – kaum jemand spricht öffentlich.
Diesmal müssen sie es, nach Recherchen mehrerer Medien und dem Report ist das kollektive Versagen nicht wegzudiskutieren. Liga-Chef Gary Bettman zeigte sich „entsetzt“. Ehemalige Mitspieler bleiben indes bei ihrer Version, nichts gewusst haben. Profis anderer Klubs äußern sich kaum. Zahlreiche Personen verweigerten laut der Kanzlei eine Aussage für den Report. Und über eines will ohnehin niemand sprechen: Dass es ein strukturelles Problem gibt. Beach weiß das: „Ich bin ein Überlebender. Und ich weiß, dass ich nicht allein bin.“
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