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#Im Zentrum der Anziehungskraft

In den letzten zwei Jahren seines Lebens telefonierte ich gelegentlich mit Gun­tram Vesper, der 1941 in Frohburg bei Leipzig geboren wurde und 2020 in Göttingen nach längerer Krankheit starb. Die oft umfangreichen Gespräche ähnelten in ihrer Ausführlichkeit und der Präzision, mit der sich der Schriftsteller er­innerte, seinen literarischen Arbeiten. Als ich ihn nach dem Sinn des ständigen Nachdenkens über die Vergangenheit fragte, erklärte er mir, dass er damit sich selbst besser verstehen könnte. Es ging um die Frage, wie er der Mensch wurde, der er war.

Bei Schöffling ist nun der Band „Lichtspiele – Essays und Berichte“ erschienen. Fortgesetzt wird damit eine Reihe von Büchern mit Texten von Guntram Vesper, die einer Werkausgabe gleicht; pu­bliziert sind bereits der Roman „Frohburg“, die Prosasammlung „Nördlich der Liebe und südlich des Hasses“ und der Gedichtband „Tieflandsbucht“. Herausgegeben wurde „Lichtspiele“ von Thomas Schaefer, der sich bei seiner Edition noch auf die Vorarbeiten des Autors stützen konnte, der bis zu seinem Tod vor drei Jahren über die Konzeption des Bandes nachgedacht hatte.

Ausgangspunkt der Sammlung sind die Texte des 1992 publizierten Buches „Lichtversuche. Dunkelkammer“; er­gänzt wurden sie von Arbeiten ähnlichen Charakters, die früher und vor allem später erschienen sind. „Lichtspiele“ ist ein umfangreicher und kurzweiliger Band. Vesper ribbelt die Erfahrungen seines Lebens anhand seiner persönlichen In­ter­essen auf; es geht um die Begegnungen mit Büchern und Autoren, um den Prozess des Schreibens, um die Geschichte seiner Familie und die Orte, an denen er gelebt hat. Vespers erzählerisches Ziel ist einerseits die Anschaulichkeit, andererseits die persönliche Relevanz des Dargestellten. „Lichtspiele“ ist ein eindrucksvolles Buch, weil die geschilderten Erfahrungen auf ein subjektives Motiv des Autors zurückgeführt werden können. Vespers Sätze haben einen emotionalen Hintergrund, sind gedeckt durch die Gefühle. Der Autor erzählt präzise, in einfachen Sätzen und einer klaren Sprache. Auffällig ist der Blick auf die Details, auf die Straße, in der sich ein Antiquariat befindet, auf den Zustand eines Buches, das er gekauft hat.

Guntram Vesper: „Lichtspiele“. Essays und Berichte. Hrsg. von Thomas Schaefer. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2023. 384 S., geb., 30,– €.


Guntram Vesper: „Lichtspiele“. Essays und Berichte. Hrsg. von Thomas Schaefer. Schöffling & Co., Frankfurt am Main 2023. 384 S., geb., 30,– €.
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Bild: Schöffling & Co. Verlag

In dem Text „Eingeladen, meiner Hinrichtung beizuwohnen“ schreibt Vesper, dass die neue Reisetasche aus Wildbison ist, in die er den Schlafanzug packt, mit der er 1967 zum Treffen der Gruppe 47 in den Gasthof Pulvermühle fährt. Dort soll er aus seinen Texten lesen. Der Blick auf diesen Nebenaspekt der Reise, also die Materialität des Gepäckstücks, verdeutlicht, dass der Autor den Ausflug in die Fränkische Schweiz als ganzheitliche Er­fahrung betrachtet. Vesper folgt in seiner Literatur den Gesetzen der Achtsamkeit. Die Texte des Bandes bestehen oft aus einer Folge von Szenen. Jede einzelne Sequenz dient der Erzähllogik. Die Passagen stehen gleichberechtigt neben­einander. Vesper folgt also keiner Ästhetik der Auflösung, er zieht keine Summe am Schluss, die Essays und Berichte be­sitzen keinen lehrhaften Charakter. Man könnte den Band „Lichtspiele“ an einer beliebigen Stelle aufschlagen und zu lesen beginnen. Durch die Anschaulichkeit des Dargestellten würde sich sofort ein Zugang ergeben.

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