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#Die Teilnahmslosigkeit der Russen

„Die Teilnahmslosigkeit der Russen“

Die Ukrainer könnten nicht verstehen, warum die Russen nicht auf die Straße gingen, als die ersten Raketen auf Kiew, Charkiw und Odessa fielen. Sie hätten auf große Unterstützung gehofft, gedacht, Millionen würden zum Protest aufbrechen. Natürlich verstehe man die Risiken, aber wenn es Millionen wären, hätte man den Protest nicht unterdrücken können, und der Spuk wäre längst vorbei. Jetzt aber, wo nichts dergleichen geschehen sei, habe man für die Russen lediglich Mitleid und Verachtung übrig. Das sagte die ukrainische Journalistin Anastasia Magazova, zugeschaltet live aus Kiew, bei einer Veranstaltung mit dem Titel „Wie geht die russische Gesellschaft mit ihrer Mitverantwortung für den Krieg in der Ukraine um?“, die in Berlin stattfand. Danach redeten die russischen Teilnehmer darüber, wie gefährlich das Leben in Russland geworden sei und wie die Leute dort in ihrer gelernten Hilflosigkeit versänken. Die Antwort auf die Titelfrage schien eindeutig: Der russischen Gesellschaft ist das Geschehen in der Ukraine genauso egal wie das eigene Schicksal, der Tod der eigenen Soldaten, der Verlust der eigenen Rechte.

Es waren keine Millionen, dennoch gingen Zehntausende Russen auf die Straße, eine Rekordzahl an Menschen wurde bei den Protesten festgenommen. Sie erhielten unterschiedlich harte Strafen, manchen drohen jetzt mehrere Jahre Haft. Doch alles in allem ist der Protest gegen den Angriffskrieg kein gesamtgesellschaftliches Phänomen, und es gibt kaum gesellschaftliche Gruppen, mit der bemerkenswerten Ausnahme feministischer Aktivistinnen, die sich durch mehrheitliche Proteststimmung auszeichnen. Studentenschaft, Kultur- und Medienschaffende, schwer von den Kriegsfolgen betroffene Branchen der Wirtschaft wie etwa Tourismus oder Einzelhandel – keine Reaktion. Die regimekritische Öffentlichkeit, die sich mithilfe von VPN auf den gesperrten Plattformen wie Facebook oder Instagram immer noch austauscht, beklagt sich viel über neue Verbote und Repressalien und mindestens genauso häufig über die Sanktionen des Westens, die, so die verbreitete Ansicht, viel härter die unschuldigen Menschen träfen, als sie dem Regime schadeten.

Der Leiter des Meinungsforschungsinstituts Lewada-Zentrum, Lew Gudkow, berichtete jüngst über einen sich formierenden lagerübergreifenden antiwestlichen Konsens: 74 Prozent der Befragten seien überzeugt, der Westen wolle Russland erniedrigen und schwächen, wogegen nur 36 Prozent sich mitverantwortlich für den Tod von Zivilisten sehen. Die letzte Zahl ist besonders erstaunlich, denn lediglich 20 Prozent der Befragten äußerten sich gegen den Krieg. Die Unterstützung liege dagegen zwischen 81 Prozent im März und 75 Prozent im Juni.

Woher kommt die Empa­thielosigkeit der Russen?

Die Zahlenexegese ist heute eine der populären Beschäftigungen unter den regimekritischen Kommentatoren. Viele verwerfen die Ergebnisse der Meinungsforschung als nichtssagend. Nur ein Bruchteil der Angesprochenen erkläre sich bereit, an den Umfragen teilzunehmen, und diejenigen, die es doch tun, hätten zu viel Angst, um ehrliche Antworten zu geben. Daraus wird gern gefolgert, die Antikriegsstimmung sei trotz aller Evidenz in Wirklichkeit stark und das russische Volk gar nicht so schlimm, wie es die Ukrainer sehen und die Meinungsumfragen zeigen; es sei vielmehr das Hauptopfer des Regimes. Dieser Gedanke ist in regimekritischen Kreisen allgegenwärtig.

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