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#Interview: Bundestagsabgeordneter: „Die Ukraine muss gewinnen, alles andere wäre fatal“

„Interview: Bundestagsabgeordneter: „Die Ukraine muss gewinnen, alles andere wäre fatal““



Exklusiv

Der CDU-Sicherheitsexperte Roderich Kiesewetter über die Debatte um mögliche Kriegsziele und seine harsche Kritik am Kanzler.

Wie bewerten Sie die Kriegsziel-Debatte? Wie legitim ist es, wenn das Ausland über Kriegsziele der Ukraine debattiert und dabei die eigene Perspektive und Interessen voranstellt?

Roderich Kiesewetter : Die Partner in Nato und EU wie auch liberalen Demokratien insgesamt sollten die Debatte über das eigene Kriegsziel definitiv führen. Diese Kriegsziel-Debatte ist nicht nur legitim, sie ist auch notwendig, um in den jeweiligen Staaten auch langfristig die Unterstützung der eigenen Bevölkerung zu erhalten und eine „Syrifizierung“ des Krieges zu verhindern. Wir müssen leider davon ausgehen, dass der Krieg noch lange andauern wird und sich zu einem Stellungs- und Abnutzungskrieg entwickelt. Dabei ist entscheidend, die Ukraine langfristig militärisch, finanziell und zivil zu unterstützen. Erforderlich bei der Kriegsziel-Debatte ist es, dass der Sieg der Ukraine auch das Kriegsziel der westlichen Partner sein muss.

Wie sehr stimmen diese Ziele überein? US-Verteidigungsminister Lloyd Aust gab für die Vereinigten Staaten das Ziel aus, Russland so sehr zu schwächen, dass es nicht mehr in der Lage sein werde, Invasionskriege wie in der Ukraine zu führen …

Kiesewetter: Unser oberstes Ziel ist es, die internationale regelbasierte Ordnung zu erhalten – dies geht ausschließlich dann, wenn Russland durch seinen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg keine Landgewinne macht. Völkerrechtswidriges Vorgehen darf sich nicht lohnen, sonst gilt künftig das Recht des Stärkeren. Auch für die westlichen Partner, insbesondere die europäischen Staaten bestünde sonst weiterhin eine dauerhafte Bedrohung durch Russland. Deshalb ist das Ziel, das unter anderem auch die USA sehen, Russland langfristig so zu schwächen, dass die Ukraine gewinnt und zusätzlich die Bedrohung durch Russland nachhaltig eingedämmt wird, meiner Einschätzung nach richtig. Auch für China sollte Russland kein attraktiver Juniorpartner sein, auch das ist ein Kriegsziel des Westens, das mit dem Sieg der Ukraine übereinstimmt.

Hieße das, ein Sieg der Ukraine wäre auch im deutschen Interesse? Welches Ziel aus Sicht der Ukraine halten Sie für realistisch?

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Kiesewetter: Es ist unser eigenes Interesse, dass die Ukraine gewinnt, das heißt uneingeschränkte Souveränität genießt in den Grenzen zumindest vom Januar 2022, Bündnisfreiheit hat, eine klare EU-Perspektive und glaubhafte Sicherheitsgarantien. Dazu kommt die Frage der Reparationszahlungen für die unermesslichen Schäden an Leib und Seele wie Infrastruktur in der Ukraine und die Aufarbeitung der Kriegsverbrechen vor dem Internationalen Strafgerichtshof.

Vor drei Monaten gab der Ukraine kaum jemand eine Chance gegen die russische Armee. Heute debattiert der Westen darüber, wie ein militärischer Sieg der Ukraine aussehen könnte. Erst wurde Russlands militärische Kraft überschätzt, besteht nun des Risiko, Russland zu unterschätzen?

Kiesewetter: Ein Krieg ist immer dynamisch. Wir haben gesehen, dass die Ukraine einen unglaublichen Willen hat und mutig kämpft. In Irpin wurde der Marsch auf Kiew gegen eine zwölffach überlegene russische Armee gestoppt. Aber die Ukraine ist eben auch besonders auf die Unterstützung durch Waffenlieferungen angewiesen. In Charkiw konnte die Ukraine deshalb erfolgreich die russische Armee zurückdrängen. Tatsächlich ist es aber so, dass auf den eigentlichen Schlachtfeldern – insbesondere im Osten der Ukraine – Russland kleine, aber beständige Gebietserfolge verzeichnet. Die russische Armee kommt zwar langsamer vorwärts als viele zu Beginn angenommen haben, aber sie kommt vorwärts. Und die russische Armee hinterlässt überall ein schreckliches Grauen, völkerrechtswidrige Landnahme, Russifizierung, Verschleppung von Menschen und insbesondere schlimmste Kriegsverbrechen, sexualisierte Gewalt und brutale Ermordungen.

Was bedeutet das für den weiteren Kriegsverlauf?

Kiesewetter: Wir müssen uns auf eine Materialschlacht und einen Abnutzungskrieg einstellen – das war auch die wesentliche Botschaft aus der Rede Putins vom 9. Mai und wir müssen die Kriegsdynamik realistisch einschätzen: Russland ist willens und in der Lage einen Abnutzungskrieg zu führen. Putin hat seine eigene Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten darauf vorbereitet. Umso entscheidender sind härtere und entschlossenere Sanktionen des Westens sowie die rasche Lieferung von funktionsfähigen weitreichenden Waffen an die Ukraine, wie Schützenpanzer und Kampfpanzer sowie schwere Artillerie inklusive Munition.

Für wie realistisch halten Sie inzwischen einen tatsächlichen Sieg der Ukraine?

Kiesewetter: Wie realistisch ein Sieg der Ukraine ist, also ob die Gebiete zurückerobert werden können, zumindest in den Grenzen vom Januar 2022, hängt vorrangig auch davon an, wie stark der Westen die Ukraine unterstützt und Russland durch weitere Sanktionen schwächt. Dabei ist es entscheidend, dass die westlichen Partner geschlossen und entschlossen auftreten.

Sie haben am Sonntag bei „Anne Will“ Bundeskanzler Olaf Scholz vorgeworfen, genau das nicht zu tun. Sie sagten, Sie befürchten dass der Bundeskanzler nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Meinen Sie das wirklich? Welche Reaktionen erleben Sie auf Ihre Kritik?

Kiesewetter: Die Ukraine muss gewinnen, alles andere wäre fatal. Putin versteht nur die Sprache der Härte. Deshalb sorgt die zögerliche und unklare Haltung des Bundeskanzlers auch für viele Fragezeichen bei unseren Partnern. Deutschland ist der viertgrößte Waffenexporteur der Welt. Wenn Deutschland liefern will, kann es liefern. Die ersten Schützenpanzer und Leopard-Kampfpanzer könnten bereits inklusive Instandsetzung und Ausbildung in der Ukraine im Einsatz sein. Warum sind sie es nicht? Das wirft bei vielen Parlamentariern, die sich mit dem Bundestagsbeschluss klar für die Lieferung entschieden haben, vor allem aber bei unseren Partnern, große Fragezeichen auf. Ich habe darauf hingewiesen, dass die Diskrepanz zwischen Ankündigung, Beschlusslage und tatsächlicher Umsetzung groß ist und dies berechtigte offene Frage aufwirft. Ich befürchte, dass der Kanzler nicht will, dass die Ukraine diesen Krieg gewinnt. Das wäre eine Erklärung für die Verzögerungen. Ich nehme aus den Reaktionen wahr, dass viele meine Befürchtung teilen.

Über die Person: Roderich Kiesewetter ist CDU-Obmann im Auswärtigen Ausschuss und direkt gewählter Bundestagsabgeordneter für den Wahlkreis Aalen-Heidenheim. Der 58-jährige Oberst a. D führte bis 2016 den Reservistenverband.

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