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#Interview: Iris Berben: „In meinem Alter glaubt man nicht mehr, dass die Zeit unendlich ist“

„Interview: Iris Berben: „In meinem Alter glaubt man nicht mehr, dass die Zeit unendlich ist““




Es sind besondere Wochen für Iris Berben: Gleich zwei Filme laufen bald mit ihr an. Die 72-Jährige weiß sehr wohl, was für ein privilegiertes Leben sie führt.

Frau Berben, in einem Interview vom Dezember letzten Jahres meinten Sie, Sie würden sich fragen, wie viele Sommer Sie noch barfuß herumlaufen könnten. Stellen Sie sich diese Frage wirklich?

Iris Berben: Doch. In meinem Alter glaubt man nicht mehr, dass die Zeit unendlich ist. Dazu bin ich zu sehr ein Realist. Erst mal bin ich froh, dass ich viel geschafft habe, bei dem Lebenswandel, den ich hatte. Ich habe ja nichts ausgelassen. Darüber denkt man in sentimentalen Momenten schon mal nach.

Aber dafür sind Sie nun aktiver denn je. Aktuell sind Sie mit zwei Filmen im Kino – unter anderem mit dem Gewinnerfilm von Cannes, „Triangle of Sadness“. War diese Präsenz beim prominentesten Filmfestival der Welt Teil Ihrer Lebensplanung?

Berben: So präzise ist die nicht. Ich habe keine Liste, die ich abarbeite. Aber nachdem ich schon viele Jahre nach Cannes komme, habe ich mir schon gedacht, es wäre schön, wenn ich hier einmal mit einem Film vertreten bin. Und dass sich das dann mit einem so klugen Film eingelöst hat, ist natürlich etwas Besonderes.

Sie sprechen darin in verschiedensten Intonationen nur den einen Satz „In den Wolken“, nachdem Ihre Figur an den Folgen eines Schlaganfalls leidet. Wie nervtötend ist das?

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Berben: Ich finde diesen Satz sehr poetisch. Natürlich war es eine Herausforderung, mit dem einen Satz Befindlichkeiten, Ängste und Gefühle zu erklären und einer Figur, die ja alles wahrnimmt und nur mit diesen Worten darauf reagieren kann, Seriosität zu geben. Aber Regisseur Ruben Östlund ist auch ein Regisseur, der die Stellschrauben so anzieht, dass du etwas leistest, was du nicht erwartet hast. Er nimmt dir deine Mechanismen und Sicherheitspolster und versucht, dich so pur wie möglich zu machen.

Wie ist es, wenn Sie künftig mit Regisseuren zu tun haben, die nicht an diesen Stellschrauben drehen? Würden Sie das akzeptieren?

Berben: Du musst wissen, auf wen du dich einlässt. Wobei ich gleichzeitig auch gerne ins Ungewisse gehe, weil ich nicht zu viel Absicherung möchte. Aber Sie haben natürlich recht. Ich werde hoffentlich keine Filme mehr machen, wo etwas von mir verlangt wird, das abrufbar ist. Wenn ich merke, dass ein Regisseur zu schnell zufrieden ist, sage ich immer „Können wir das noch mal weiterentwickeln und anders herangehen?“ Ich bin in der exklusiven und glücklichen Situation, dass ich mir aussuchen kann, was ich drehe.

Bei Kinoproduktionen wie „Der Nachname“, dem zweiten Ihrer aktuellen Filme, mag das ja funktionieren, aber Sie arbeiten ja auch immer wieder fürs Fernsehen, wo die Drehzeiten massiv gekürzt wurden.

Berben: Das ist unser aller Problem, dass wir nicht mehr die Zeit haben, zu proben. Als wir zum Beispiel 2009 die RAF-Geschichte „Es kommt der Tag“ gedreht haben, sind wir eine Woche vorher dort gewesen und haben die Szenen erarbeitet. So etwas ist fast nicht mehr möglich. Dabei soll alles intensiver, genauer und besser werden. Aber die Zeit gibt man uns nicht. Die einzige Lösung ist, dass man sich sehr gut vorbereitet.

Mit „Triangle of Sadness“ sind Sie aber nun auf der internationalen Plattform angekommen, die Sie früher vereinzelt bespielt hatten. Haben Sie nicht den Gedanken, im Ausland durchzustarten?

Berben: Mit 72?

Wenn einem so eine Produktion die Tür öffnet, sollte das Alter keine Rolle spielen.

Berben: Ich genieße es, dass ich bei dieser Produktion dabei sein konnte. Wenn es möglich ist, würde ich nur noch so außergewöhnlich drehen. Aber das richtet sich nach Nachfrage und Angebot.

Verschiedene Ihrer deutschen Kolleginnen und Kollegen haben doch internationale Agenturen.

Berben: Das Lustige ist, dass ich mir seit Jahren vornehme, weniger zu arbeiten, um es langsam auslaufen zu lassen. So gesehen ist Ihre Frage sehr kontraproduktiv.

Sie meinten in dem schon zitierten Interview, dass Sie sich auch sonst beschränken und Ihre Besitztümer reduzieren wollten. Warum eigentlich?

Berben: In der selbst verordneten Corona-Einsamkeit habe ich gemerkt, dass man viele Dinge nicht mehr besitzen muss, weil man sie auf Knopfdruck bekommen kann. Wenn ich einen bestimmten Film sehen oder bestimmte Musik hören möchte, dann möchte ich die neuen Techniken nutzen. Deshalb habe ich 500 bis 600 Filmkassetten und ebenso viele Musik-CDs herausgehauen. Ich habe gemerkt, dass es viel Überfluss gibt, von dem ich mich trennen kann.

In „Triangle of Sadness“ spielen Sie eine Vertreterin der Luxuswelt. Als erfolgreiche Schauspielerin kommen Sie mit der ja zwangsläufig auch real in Berührung. Wie gehen Sie damit um?

Berben: Erst mal sind wir alle verführbar, wenn es möglich ist, an Luxus teilzunehmen. Cannes ist das beste Beispiel dafür. Sinnigerweise gewann dann mit „Triangle of Sadness“ ein Film, der das alles infrage stellt. Natürlich ist es wichtig, dass man schon sehr genau analysiert, in was für einer Welt man sich da bewegt und dass man auch im Widerspruch lebt. Ich weiß nicht erst durch diesen Film, wie privilegiert ich bin. Deshalb mache ich mir oft klar, dass das nicht die Norm ist, wie ich leben kann. Dieses Bewusstsein öffnet mir dann meine Augen und Empathie für die Welt und alle Ungerechtigkeiten. Ich versuche, dagegen etwas mit meinen finanziellen Mitteln zu tun, wo ich kann. Das ist das eine. Und das andere ist, dass ich mir bei der Entscheidung für einen Film ganz bewusst ansehe, was damit erzählt wird.

Im Film geht dann diese mondäne Sphäre sprichwörtlich unter, und die Figuren müssen sich in der freien Natur durchschlagen. Kämen Sie damit zurecht?

Berben: Ziemlich gut. Das weiß ich, weil ich ein zweites Standbein in Portugal habe, dort bin ich von Natur umgeben und führe ein bäuerliches Leben.

Wie häufig tun Sie das?

Berben: Wenn Sie mir nicht noch weiter Fragen nach einem ausländischen Agenten stellen, werde ich es wahrscheinlich noch häufiger genießen. Ich suche mir die Zeit. Über Weihnachten war ich einige Wochen da. Ich merke aber auch, wie schwer es mir fällt, dann wieder zurückzugehen.

Haben Sie denn Überlebenstalente?

Berben: Ich bin ziemlich pragmatisch und ein guter Organisator. Und vor allem bin ich angstfrei. Ich würde dann in Situationen, wo diese Talente gebraucht sind, einfach einen Schritt nach dem anderen machen.

Der Film könnte auch eine Metapher für die aktuelle Situation sein, in der sich zeigt, dass die Blase unserer Zivilisation brüchiger ist, als wir denken. Wie nehmen Sie diese Verwerfungen wahr?

Berben: Ich musste, wie viele andere, die bittere Pille der Erkenntnis schlucken, dass alles zusammenbricht, wenn man sich nicht an die Regeln hält, die wir uns im Sinne des gemeinsamen Zusammenlebens auferlegt haben. Dabei ist das ja nicht der erste Krieg, den wir bewusst mitbekommen. Mit den Kriegen in Jugoslawien und in Syrien haben wir einfach normal weitergelebt, aber plötzlich ist er extrem nah an uns dran und verändert unsere Lebensform. Ich fürchte, wir sind zu spät aufgewacht. Da zähle ich mich auch dazu. Diese Garantien, die wir auch gerne haben, weil wir uns darin so gut und wohlig einrichten können, gibt es nicht mehr. Sie hat es vielleicht auch nie gegeben.

Haben Sie eine Erklärung, warum wir so spät aufgewacht sind?

Berben: Es mag daran liegen, dass wir, obwohl wir seinerzeit der Aggressor waren, 70 Jahre ohne Krieg gelebt haben. Der Fokus war daher: ‚Nie wieder, und wir nicht.‘ Da haben wir vieles vernachlässigt.

Die erwähnten Kriege wurden alle von Männern begonnen und gesteuert. Wäre es eine Lösung, wenn noch mehr Frauen an die Macht kämen?

Berben: Das sollten sie. Vielleicht ist das eine naive Antwort, aber Frauen schenken Leben. Da lernt man das Leben anders zu schätzen und nicht auf diese brachiale Weise damit umzugehen. Doch ich sage nicht, dass wir Frauen das alles hier alleine rocken. Lasst uns das gemeinsam mit den Männern tun. Ich bin ja nicht zufällig letztes Jahr in Cannes in einem Kleid mit der Aufschrift ‚plus fort ensemble’– also: ‚Gemeinsam sind wir stärker’– aufgetreten. Aber es müssen mehr Frauen in Positionen kommen, um gemeinsam mit den klugen Männern, die es ja gibt, Dinge zu bewegen.

Wie man in „Der Nachname“ sieht, ist für das Zusammenleben der menschliche Austausch entscheidend, der in der Pandemie massiv beeinträchtigt wurde. Wie kommunizieren Sie in diesen Zeiten?

Berben: Die Spontaneität ist natürlich verloren gegangen. Heute plant man dann eine Zoom-Konferenz. Und so glücklich ich über diese Möglichkeit an sich bin, mir gefällt diese Tendenz nicht. Denn ich tausche mich gerne mit jemand aus, wenn ich spontan Lust bekomme. Ich will nichts lange vorplanen. Grundsätzlich bemühe ich mich um den regelmäßigen Austausch mit Freunden und Menschen, die mir wichtig sind. Dann organisiere ich eben mal schnell ein kleines Essen.

Am Ende von „Der Nachname“ versucht Ihre Figur ihre Erkenntnisse zum Zusammenleben der ganzen Familie zu vermitteln. Haben Sie auch so einen Hang oder halten Sie sich mit Ratschlägen zurück?

Berben: Was heißt Ratschlag? Ich halte nicht viel davon, jemandem Anweisungen zu geben, was er tun soll. Aber gibt es die Situation, wo jemand meint: ‚Ich komme nicht weiter. Hast du einen Vorschlag? Wie würdest du dich verhalten?‘ Dann bin ich gerne bereit, meine Erfahrungen, die guten wie die schlechten, mitzuteilen. Aber ich bin niemand, der sagt: ‚Ich muss eine Familie auf Trab bringen, indem ich ihr zeige, wie sie das Leben führen soll.‘

Zur Person:

Iris Berben, 72, gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Schauspielerinnen Deutschlands. Bald ist Sie in den beiden Filmen „Triangle of Sadness“ und „Der Vorname“ im Kino zu sehen.

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