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#Es geht nicht mehr nur um Verteidigung

„Es geht nicht mehr nur um Verteidigung“

Der ukrainische Präsident drückt aufs Tempo. „Die Partner müssen ihre Hilfe an die Ukraine erhöhen. Das sind meine Worte: Sie müssen!“, drängte Wolodymyr Selenskyj vor ein paar Tagen. Und wünschte den Partnern nur „ein Prozent des Mutes“, den die Verteidiger von Mariupol täglich an den Tag legten.

Thomas Gutschker

Politischer Korrespondent für die Europäische Union, die Nato und die Benelux-Länder mit Sitz in Brüssel.

Als er sich vorige Woche an die Anführer der NATO wandte, hatte er ein Prozent ihrer Panzer verlangt, außerdem Kampfflugzeuge, Raketenwerfer und Antischiffsraketen. Das meiste davon wird er nicht bekommen, etwas mehr als bisher jedoch schon.

In den ersten Kriegswochen haben NATO-Staaten und ihre Partner der Ukraine vor allem tragbare Panzer- und Flugabwehrwaffen geliefert. Allein die Zahl der Panzerabwehrwaffen wurde Anfang März mit 17.000 angegeben, seither sind Tausende hinzugekommen. Täglich sollen Waffen ins Land fließen. Dass die Ukrainer die Offensiven der Russen abwehren und sie in einen Stellungskampf zwingen konnten, wäre ohne diese Lieferungen nicht möglich gewesen. Schon mehr als 2000 Fahrzeuge haben die Truppen des Kremls verloren, die Hälfte davon wurde zerstört.

Logistische Probleme

Nun aber ändern sich die ukrainischen Bedürfnisse. Die Ukrainer sind an einigen Stellen zum Gegenangriff übergegangen und wollen die eingekesselten Städte befreien. Es sei unmöglich, die Blockade von Mariupol „ohne eine ausreichende Zahl von Panzern, anderen gepanzerten Fahrzeugen und natürlich Kampfflugzeugen“ zu brechen, sagte Selenskyj. 200 Panzer hat er von den NATO-Staaten gefordert. Doch konnte ihm selbst Boris Johnson keine Hoffnungen machen. Mit Panzern und Kampfflugzeugen sehe es „sehr schwierig“ aus, sagte der britische Premierminister und verwies auf „logistische Probleme“.

Panzer lassen sich nicht so leicht ins Land bringen wie Panzerfäuste, die man in Lastwagen oder Zügen transportieren kann. Zudem erbeuten ukrainische Truppen weit mehr Fahrzeuge von den Russen, als ihnen der Westen liefern könnte – Fahrzeuge, die sie auch bedienen können.

Bei Flugzeugen kommt noch ein weiteres Problem hinzu: Sie müssen in den ukrainischen Luftraum geflogen werden, was Moskau als Kriegsakt des Landes betrachten könnte, in dem das Flugzeug gestartet ist. Deshalb waren weder Polen noch Amerika bisher bereit, sowjetische MiG-29 aus Altbeständen auf ihren Basen starten zu lassen. Niemand will Putin einen Vorwand liefern, um den Krieg auszuweiten – was man ihm zutraut, so irrational es auch wäre.

Allerdings ist Amerika bereit, der Ukraine eine neue Klasse von Waffen zu verschaffen: Schiffabwehrraketen. Man habe begonnen, mit Verbündeten darüber zu beraten, gab ein Vertreter der amerikanischen Regierung während des jüngsten NATO-Gipfeltreffens preis. Es könne aber einige „technische Herausforderungen“ geben, um das umzusetzen. Welche Verbündeten, welche Waffen, welche Herausforderungen – das blieb alles im Dunkeln.

Klar ist, dass solche landgestützten Raketen, die Ziele auf ferner See treffen können, der Ukraine sehr zupass kämen. Damit könnten sie russischen Nachschub für den Sturm auf Mariupol und eine mögliche Landungsoperation in der Nähe von Odessa wirksam abschrecken.

Anfang Februar hatte der ukrainische Botschafter im Vereinigten Königreich in einem Radiointerview angekündigt, man werde erstmals „echte Waffen bekommen, die es uns endlich erlauben werden, den Russen im Schwarzen und Asowschen Meer etwas entgegenzusetzen“. Das war zwei Wochen vor Kriegsbeginn.

„Es gibt Raum, um mehr zu tun“

Die Briten verfügen über das in Amerika produzierte Modell Harpoon, das von Land aus verschossen werden und Ziele in 130 Kilometern Entfernung treffen kann. Möglicherweise geht es nun um diese Raketen, die sich in den Arsenalen vieler NATO-Staaten finden, auch Polens und Deutschlands.

London hat Kiew in den vergangenen Tagen schon eine anderes System geliefert, das einen qualitativen Sprung darstellt: Starstreak, eine Hochgeschwindigkeitsrakete zur Abwehr von Luftzielen. Sie kann wie andere Systeme, die schon an Kiew geliefert wurden (Stinger und Strela), von der Schulter abgeschossen werden, ist jedoch deutlich leistungsfähiger. Sie fliegt schneller, hat eine höhere Reichweite (bis zu sieben Kilometern) und wird mit einem Laserstrahl ins Ziel gelenkt. Dagegen verwenden herkömmliche Systeme einen Infrarotsuchkopf, der mit Täuschkörpern abgelenkt werden kann.

Ausgebildet wurden die ukrainischen Soldaten in einem osteuropäischen Nachbarland, wahrscheinlich in Polen. Sie können mit dem neuen System Hubschrauber und tiefer fliegende Bomber angreifen – für Piloten ist es extrem schwer, der Starstreak auszuweichen. Auf größere Entfernungen setzen die Ukrainer das schwere Abwehrsystem S-300 ein, das noch aus Sowjetzeiten stammt. Kiew hat auch hier seine Verbündeten um Hilfe gebeten, einige haben es noch aus Zeiten des Warschauer Pakts in ihren Arsenalen. Die Slowakei zeigte sich Mitte März bereit, ihre Batterien zu liefern, sofern die Verbündeten dann den slowakischen Luftraum schützen. Das ist bald der Fall, die Bundeswehr bringt gerade ihr Patriot-System in Stellung.

„Es gibt Raum, um mehr zu tun“, sagte ein hoher EU-Beamter dieser Tage, als er nach Waffenhilfe für die Ukraine gefragt wurde. Man brauche dafür keine neue Grundsatzentscheidung. Mit dem Beschluss der Mitgliedstaaten, Waffen aus einem EU-Fonds zu finanzieren, sei der Weg frei. „Wir müssen nur die politische Entscheidung auf die neuen Gegebenheiten anwenden.“ Selenskyj wird die Staaten daran messen.

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