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#Nächstenliebe als politische Aufgabe

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Nächstenliebe als politische Aufgabe

Gut sieben Monate lang war Papst Franziskus im Vatikan buchstäblich eingesperrt. Physisch mochte er zwar ein Gefangener der Pandemie gewesen sein, doch geistlich hat er sich gewissermaßen in der Rolle des obersten Mauerspringers geübt. Seine Frühmessen in der Kapelle des Santa-Marta-Gästehauses, wo Franziskus wohnt, erreichten über Fernsehen und Internet jeden Tag Millionen Gläubige. In der Karwoche, während des landesweiten Lockdowns, spendete Franziskus auf einem verregneten menschenleeren Petersplatz einen denkwürdigen Urbi-et-Orbi-Segen, und er betete den Kreuzweg, begleitet von einer Handvoll Ärzte und Pfleger, nicht wie gewohnt im Kolosseum, sondern wiederum auf einem verwaisten Petersplatz. Die Ostermesse zelebrierte er fast allein vor dem Kathedra-Altar im verriegelten Petersdom.

Matthias Rüb

Matthias Rüb

Politischer Korrespondent für Italien, den Vatikan, Albanien und Malta mit Sitz in Rom.

Am Samstag nun ist der Papst zum ersten Mal wieder „wirklich“ gereist, zu einem Tagesausflug nach Assisi in der mittelitalienischen Region Umbrien, gut 180 Kilometer nördlich von Rom gelegen. Er hat dort, am Grab des Heiligen Franz von Assisi (1182 bis 1226) in der Krypta der Basilika, eine Messe unter Ausschluss der Öffentlichkeit zelebriert und vor allem seine neue Enzyklika „Fratelli tutti – Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft“ unterzeichnet. Der gut 150 Seiten lange Text der Enzyklika wurde nach dem Angelus-Gebet des Papstes auf dem Petersplatz am Sonntagmittag veröffentlicht.

Seine letzte Reise davor hatte Franziskus Ende Februar nach Bari in Apulien unternommen. Anlass dieser Reise in die Hafenstadt am süditalienischen „Stiefelabsatz“ war die Konferenz „Friedensgrenze Mittelmeer“, zu der die italienische Bischofskonferenz (CEI) und der Heilige Stuhl Bischöfe aus allen Anrainerstaaten des Mittelmeers eingeladen hatten. Die Mittelmeerregion sei zu einem „Problemhaufen“ geworden, hatte der CEI-Vorsitzende Kardinal Gualtieri Bassetti im Vorfeld des Treffens geklagt. Das Treffen von Bari sollte diesem Narrativ, für welches das Elend der Bootsflüchtlinge beispielhaft steht, die Suche nach Frieden, Solidarität und Religionsfreiheit entgegensetzen. Franziskus zelebrierte die Abschlussmesse unter freiem Himmel bei strahlendem Sonnenschein, vor Zehntausenden Gläubigen.

Ein offenes Herz für die ganze Welt

Die Reisen nach Bari und Assisi werden die einzigen des Papstes in diesem Jahr sein. Auch für 2021 sind bisher keine Reisen geplant, schon gar nicht ins Ausland. 2019 absolvierte Franziskus im Zweimonatstakt sieben Auslandsreisen, von Panama über die Arabischen Emirate und Ostafrika bis nach Thailand und Japan, dazu zwei Reisen innerhalb Italiens.

„Fratelli tutti“ (auf Deutsch etwa: Brüder sind wir alle) ist die dritte Enzyklika von Papst Franziskus. „Lumen fidei – Licht des Glaubens“ erschien vier Monate nach der Papstwahl im Juli 2013, noch als Gemeinschaftswerk mit seinem Amtsvorgänger Benedikt XVI. verfasst. Mit seinem zweiten Lehrschreiben „Laudato si – Über die Sorge für das gemeinsame Haus“ vom Juni 2015 setzte Franziskus dann einen ersten wichtigen Akzent für sein Pontifikat: den Umweltschutz. Auch wenn der gleichzeitig im spanischen Original sowie in mehreren Übersetzungen erschienene Text von „Fratelli tutti“ bis Sonntagmittag vom Vatikan streng geheim gehalten wurde, findet man in dem Lehrschreiben viel Bekanntes. In den insgesamt acht Kapiteln wird manches kompiliert und wörtlich zitiert, was Franziskus schon an anderer Stelle geäußert und geschrieben hat. Papst Franziskus war zuletzt die oberste „undichte Stelle“: In den Katechesen bei der Generalaudienz, die er nach der monatelangen Zwangspause Anfang August wiederaufnahm, hat er wesentliche Abschnitte seiner Enzyklika vorab bekanntgemacht.

Im ersten Kapitel „Die Schatten einer abgeschotteten Welt“ reflektiert der Papst, wie die Pandemie Tendenzen der vergangenen Jahrzehnte zugespitzt hat. Völker und Staaten kapselten sich voneinander ab, statt einander die Hände zum gemeinsamen Kampf zu reichen – konkret gegen das Virus, allgemein für den Erhalt der Schöpfung und für eine gerechtere Welt. Dem entspricht auf individueller Ebene die Vereinzelung des Menschen, der sich im Zeitalter der sozialen Medien „stereotype Masken“ aufsetze und sein Ego mit einem „eigenen Image“ ausstaffiere. Der „Sturm“ der Pandemie habe aber klargemacht, schreibt Franziskus, „dass wir alle im gleichen Boot sitzen“, und „dass wir alle Brüder und Schwestern sind“. Das zweite Kapitel „Ein Fremder auf dem Weg“ bringt, als eine Art Zwischenbetrachtung, eine Exegese des Gleichnisses vom barmherzigen Samariter aus dem Lukas-Evangelium. Sie mündet in den Aufruf, gerade den Fremdem als den Nächsten zu sehen, im Wanderer zwischen den Welten und im Grenzgänger den Bruder beziehungsweise die Schwester zu sehen.

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