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#„Jeder hat das Recht, einen Bikini zu tragen“

„Jeder hat das Recht, einen Bikini zu tragen“

Den ersten Bikini führte die Tänzerin eines Nachtclubs vor. Gewöhnliche Mannequins, wie man Models damals noch nannte, fürchteten um ihren Ruf, hätten sie die Kreation des Franzosen Louis Réard präsentiert. Ein Kleidungsstück, das den Bauchnabel freilegt – so etwas gehörte sich nicht im Jahr 1946.

Julia Anton

Redakteurin im Ressort Gesellschaft bei FAZ.NET

Seit seiner Erfindung vor 75 Jahren hat der Bikini viel erlebt. Vom Papst noch 1951 als sündhaft bezeichnet, hatte er ein Jahr später seinen ersten Film-Auftritt, getragen von der damals erst 17 Jahre alten Brigitte Bardot. Ursula Andress machte er 1962 zur Ikone, als sie im James-Bond-Film „Dr. No“ im weißen Bikini aus dem Wasser stieg. Im Laufe der sechziger und siebziger Jahre wurde der einst so skandalöse Zweiteiler während der sexuellen Revolution schließlich zu einem Symbol für Befreiung und Emanzipation. Und heute?

Ikonischer Filmauftritt: Ursula Andress 1962 in „James Bond jagt Dr. No“


Ikonischer Filmauftritt: Ursula Andress 1962 in „James Bond jagt Dr. No“
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Bild: dpa

Kein Bikini ohne Bikinifigur

Sein skandalöses Image hat der Bikini hinter sich gelassen, heute ist es eher der Burkini, der die Gemüter erregt. Aber auch an emanzipatorischer Strahlkraft hat der Bikini schnell eingebüßt. Noch in den Siebzigern, so dokumentiert es das Bikini Art Museum in Bad Rappenau, wurden erste Werbeanzeigen mit Models im Bikini veröffentlicht: Für Autos, Batterien, Getränke und Zigaretten. Einen inhaltlichen Bezug des Bikinimodels zum beworbenen Produkt gab es nicht, es war allenfalls eine „Art Dekoration“, wie es in dem Museum heißt – der Spruch „sex sells“ hält sich hartnäckig.

Stattdessen scheint der Bikini heute vor allem für Stress zu stehen. Hört man sich in Umkleiden in Bademodegeschäften um, ist neben der Suche nach dem passenden Zweiteiler stets auch die Bikinifigur allgegenwärtig – oder genauer gesagt ihre vermeintliche Abwesenheit. In Deutschland trägt die Durchschnittsfrau Größe 42 bis 44, den Bikini probiert sie häufig neben einem Werbeplakat mit einem schlanken Model an. Marken wie Victoria’s Secret haben dazu beigetragen, die Idealvorstellung einer Frau mit flachem Bauch und faltenfreien Beinen zu prägen. Dass die Models sich vor den Aufnahmen häufig tagelang nur von Saft ernährt haben und die Bilder bearbeitet sind – geschenkt. Instagram hat dieses Bild verstärkt, und schon im Wort Bikinifigur schwingt mit: Wer im Zweiteiler am Strand liegen will, muss sich erst mal einen normschönen Körper erarbeiten.

In Bad Rappenau will man mit diesem Bild brechen. „Als Museum ist es uns ein großes Anliegen, uns gegen das Schönheitsideal der vermeintlichen Perfektion zu wehren. Jede Frau, jeder Mensch hat das Recht, einen Bikini zu tragen, wenn er oder sie das möchte“, sagt Alexandra Regiert, die das Forum Sexismus contra Befreiung des Museums leitet. Die Ausstellung zeigt auch Models jenseits der Norm, mit den unterschiedlichsten Körperformen, und Bademodelabels, die Bikinis für Frauen entwerfen, die beispielsweise eine Brustamputation hatten. „Wir wollen einen Diskurs anregen, was Freiheit in Bezug auf Körperlichkeit bedeutet und wo Grenzen gesetzt werden müssen.“

Bikini als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen

Aber wenn der Bikini genutzt wird, um Frauen zu sexualisieren, und sie in Sachen Figur unter Druck setzt – wäre es dann nicht an der Zeit, ihn zu verabschieden? So verzichten etwa die Macher der Miss-Germany-Wahl seit drei Jahren auf die Bikini-Präsentation. Regiert findet nicht, dass eine Abkehr nötig ist: „Der Bikini ist komfortabel, erschwinglich, und ermöglicht einen gebräunten Teint, der nach wie vor als attraktiv wahrgenommen wird.“ Die Kulturwissenschaftlerin verweist auch auf den historischen Kontext: Lange war es Frauen untersagt, überhaupt einen Einteiler am Strand zu tragen – er setzte sich parallel zur ersten Welle der Frauenbewegung erst Anfang des 20. Jahrhunderts durch.

„Bademode ist immer auch ein Spiegel für gesellschaftliche Entwicklungen“, sagt Regiert. Beim Janara Swimwear Award, der jährlich die besten Kollektionen für Bademoden prämiert, wurde kürzlich das brasilianisches Label „Fernando Cozendey“ ausgezeichnet, das einen Bikini für Männer entwickelt hat. Der Bikini spiegle so die Genderdebatte und das Verwischen der Geschlechtergrenzen wider. Überhaupt bewege sich die Gesellschaft derzeit in eine Richtung, in der Werte statt Körperlichkeit in Mittelpunkt stünden.

Langsam wird das auch in der Werbung und auf Instagram sichtbar. Die Influencerin Anna-Maria Damm postete kürzlich ein Foto von sich im Bikini, auf dem sie auf schlank machende Posen und Baucheinziehen verzichtete. „Jeder Körper, egal welche Form ist schön und sollte einfach mehr in der Gesellschaft normalisiert werden“ schrieb die 25-Jährige dazu. Das Foto erhielt deutlich mehr „Gefällt mir Angaben“ als ihre übrigen Posts.

Zur Sommerkampagne von H&M zählen in diesem Jahr auch Plus-Size-Models. Wenn große Konzerne auf solche Trends aufspringen, sei das immer ambivalent, sagt Regiert. Mehr Größen bedeuteten schließlich auch mehr Kundinnen. „Grundsätzlich ist es aber positiv zu bewerten, wenn das Bild der vermeintlichen Perfektion aufgebrochen wird.“

Und wer weiß: Vielleicht steht der Bikini ja bald für Diversität.

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