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#Jedes Tier ist eine Künstlerin

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Jedes Tier ist eine Künstlerin

Nein, diesen Halm verweigert der Zebrafink für sein Werk. Erst die nächste Faser, von der Hand des Künstlers Björn Braun auf einer weißen Fläche abgelegt, akzeptiert der Vogel und fliegt mit ihr im Schnabel aus dem Bild. Darbieten, Aufnehmen oder Zurücklassen, mehr zeigt das Video Brauns in knapp einer Stunde nicht von der Interaktion zwischen Mensch und Tier. Im Nebenraum erst warten Resultate der Kooperation aus dem Jahr 2012: Nester aus Zweigen und Federn, bunten Plastikstäbchen und Kunststoffbändern, mal zart gewirkt, mal kompakt verdichtet. Objekte, die kunstvoll erscheinen und in der Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim auf Sockel gehoben werden.

Ursula Scheer

„Jedes Tier ist eine Künstlerin“, hat Rosemarie Trockel 1993 behauptet und damit das zwar egalitäre, aber anthropozentrische Diktum Joseph Beuys’ von der Künstlerschaft eines jeden Menschen ins Feministische und Zoologische gewendet. In Rüsselsheim blickt einem Trockels Hündin Hannah auf Fotografien entgegen, die zwischen klassischem Porträt und erkennungsdienstlicher Erfassung changieren. In der Vitrine daneben kriecht auf einem Bild Peter Weibel an der Hundeleine, gehalten von seiner Partnerin Valie Export, durch eine Fußgängerzone: Dokument einer typischen Aufreger-Aktion der Sechziger, als die Frauenbewegung maskuline Ängste wachkitzelte.

Kultivierte Natur: „Ohne Titel (Zebrafinken-Nest)“, von einem Vogel mit vom Künstler Björn Braun bereitgestellten Materialien gewirkt


Kultivierte Natur: „Ohne Titel (Zebrafinken-Nest)“, von einem Vogel mit vom Künstler Björn Braun bereitgestellten Materialien gewirkt
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Bild: Björn Braun

Aus anderen Gründen, doch immer noch mit emanzipatorischem Anspruch, begeben sich Künstler heute auf alle viere. Krõõt Juurak und Alex Bailey agieren in eigens für die Schau dargebotenen und filmisch festgehaltenen Performances robbend, ruhend oder krabbelnd vor Hunden und Katzen. Die den Künstlern fremden Haustiere werden weder bedrängt noch manipuliert; sie können freiwillig mittun. Dazu, solche Übungen der achtsamen Annäherung auf Augenhöhe als Kunst zu goutieren, ist freilich nur der Mensch in der Lage: das Animal symbolicum, das sich zumindest teilweise aus dem Käfig der Verhaltensbiologie befreit hat, indem es komplexe Zeichen produziert und deutet. Ein tiefer Graben trennt uns vom Rest der Fauna.

Begegnungen auf Augenhöhe

Und doch leben wir seit jeher in so inniger, vielschichtiger Koexistenz mit ihr, dass drei koordinierte Ausstellungen von Gegenwartskunst und Design unter der Überschrift „Artentreffen“ in Rüsselsheim, Wiesbaden und Offenbach bloß an der Oberfläche kratzen können. Das Tier als Gefahr und Nahrung, Gefährte und Ekelobjekt, als Rohstofflieferant, Totem, verehrtes oder verhasstes Wesen; das Tier schließlich als fragile Existenz, von uns in seinem Fortbestand gefährdet oder bereits ausgelöscht: All das aufzuschlüsseln wäre ein unendliches Unterfangen. Doch Mensch-Tier-Relationen haben durch die Klimakrise eine neue Dringlichkeit erhalten. Dafür ist der Aufstieg des Veganismus vom Spleen weniger zum Lifestyle-Phänomen nur ein Symptom. Überdies scheint in Zeiten, in denen biologische Dichotomien wie die von Mann und Frau fragwürdig geworden sind, offenbar auch die Bereitschaft zu wachsen, die einst scharf gezogene Grenze zwischen Mensch und Tier als verschwommene Linie wahrzunehmen.

Für und mit dem Hund: Krõõt Juurak und Alex Bailey in „Performance for Orpheus“


Für und mit dem Hund: Krõõt Juurak und Alex Bailey in „Performance for Orpheus“
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Bild: Frank Möllenberg / Kunst- und Kulturstiftung Opelvillen Rüsselsheim

In „Kunst für Tiere“, so der Titel der Ausstellung in Rüsselsheim, die einen „Perspektivwechsel für den Menschen“ erreichen will, steht das tierische Gegenüber als Akteur, Partner, Mitschöpfer im Mittelpunkt, dessen Status weit über den eines Gegenstands der Darstellung oder eines Requisits hinausgeht. Vielleicht auch deshalb verschwendet sie keinen Gedanken an die Dobermänner in Anne Imhofs „Faust“-Installation oder den Kojoten, den Beuys zum Teil einer Aktion machte. Stattdessen wirkt das Tier selbst schöpferisch. Lecksteine von Elch, Ziege, Zebra, Giraffe und Bongo, von Jan Schmidt 2014 in Bronze gegossen, erweisen sich als unwillkürlich geformte Skulpturen, als angeeignete Readymades animalischen Ursprungs, Welten entfernt von den Pinseleien beschäftigungstherapierter Zooaffen.

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