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#Johnsons tote Katze und Frosts kühler Abschied

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Johnsons tote Katze und Frosts kühler Abschied

Der Tag, an dem Michel Barnier beinahe die Nerven verlor, lässt sich genau benennen. Es war Dienstag, der 8. September 2020. Am Morgen bekam der Brexit-Verhandlungsführer der Europäischen Union das Binnenmarktgesetz zu Gesicht, mit dem sich die britische Regierung das Recht gab, Bestimmungen für Nordirland im Austrittsabkommen einseitig abzuändern. „Ich empfinde das in diesem Augenblick wie einen Verrat“, schreibt Barnier über jenen Tag. „Sie sind also wirklich zu allem bereit. Für mich persönlich ist vielleicht noch schlimmer, dass die Truppe, die derzeit in Downing Street 10 sitzt, weder auf der Höhe dessen ist, was beim Brexit auf dem Spiel steht, noch ihrer eigenen Verantwortung für den Brexit gerecht wird, den sie wollte. Ich habe einfach kein Vertrauen mehr.“

So steht es nun zu lesen in Barniers „Geheimem Tagebuch des Brexits“, das an diesem Donnerstag im französischen Verlag Gallimard erscheint. An jenem Tag im September stand Barnier kurz davor, alles hinzuwerfen. Er, der seit Frühjahr 2017 geduldig verhandelt hatte und alle Sticheleien, Provokationen und Unzuverlässigkeit in London an sich hatte abperlen lassen. „Wir hätten sofort die Verhandlung aussetzen können, weil man nicht unter einer Drohung verhandelt“, schreibt er. Doch nach internen Beratungen setzte sich eine andere Linie durch. Ursula von der Leyen, die Kommissionspräsidentin, wollte nicht die Verantwortung für das Scheitern der Verhandlungen übernehmen.

Johnsons vermeintlicher Coup

Barnier lässt diesen Teil aus, er schreibt nur das Ergebnis auf. „Gemeinsam“ habe man entschieden, den Bruch zu vermeiden und gleichwohl bei den eigenen Interessen hart zu bleiben.In den Verhandlungen über die künftigen Beziehungen zum Vereinigten Königreich war das ein Schlüsselmoment. In London wurde er später als Coup von Premierminister Boris Johnson gepriesen: Der habe der EU so große Angst eingejagt, dass sie erstmals zu echten Zugeständnissen bereit gewesen sei. Tatsächlich kam danach Bewegung in die Verhandlungen.

Doch liest sich das bei Barnier ganz anders: Der britische Verhandlungsführer David Frost habe sich plötzlich konziliant und konstruktiv gezeigt. Der Franzose erklärt sich den Wandel mit einer Strategie, die Johnson ein paar Jahre früher im Telegraph so beschrieben hatte: Wenn man dabei sei, eine argumentative Auseinandersetzung zu verlieren, dann sei es am besten „eine tote Katze auf den Tisch zu werfen“. Also etwas völlig Unerwartetes, das vom eigentlichen Thema ablenkt. Für Barnier war das Binnenmarktgesetz diese „tote Katze“. Er schloss daraus, dass Johnson, der ein pragmatischer Politiker sei, „eine Einigung finden will, weil er sie selbst braucht“.

Natürlich muss man all das mit Vorsicht lesen. Barnier hat nicht sein Original-Tagebuch veröffentlicht, sondern eine redaktionelle Version mit ausgewählten Tagen. Wie sehr er unmittelbare Erlebnisse im Nachhinein verändert hat, weiß nur er selbst. Zusammengekommen sind immer noch 542 Seiten, die fast fünf Jahre umfassen: vom Morgen nach dem Brexit-Referendum im Juni 2016 bis zum Ende seines Mandats im Februar dieses Jahres. Über eines schreibt er freilich nie: die politischen Differenzen zwischen den Mitgliedstaaten. Gewiss hielten die mit erstaunlicher Disziplin zusammen, trotzdem lief nicht alles rund.

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