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#Die blinden Flecken antirassistischer Diskurse

„Die blinden Flecken antirassistischer Diskurse“

Es gibt Dinge, die hierzulande noch nicht so flutschen. Dazu gehören Digitalisierung (Glas­faser), Nah- und Fernverkehr (Deutsche Bahn) und die Antidiskriminierungspolitik. Letzteres muss man etwas genauer erklären. Viel hat sich getan in den letzten Jahren. Ein Antidiskriminierungsgesetz (Beamtendeutsch: Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) wurde auf den Weg gebracht. In Universitäten, Unternehmen und Institutionen hat man Antidiskriminierungsstellen geschaffen. Also Stellen, an die Sie sich wenden können, wenn Sie wegen Ihrer Schwangerschaft gekündigt werden, Ihr Professor der Meinung ist, dass Sie als Frau mit Migrationshintergrund lieber putzen gehen sollten als zu promovieren, oder wenn man Sie an ihrem Arbeitsplatz als „Schwulette“ beschimpft. (Falls Sie so ei­ne Stelle nicht nötig haben, freuen Sie sich Ihres Glückes.)

Nun soll endlich auch die Stelle des Antidiskriminierungsbeauftragten des Bundes neu besetzt werden. Das ist die gute Nachricht. Die schlechte ist: der Stand der Antidiskriminierungspolitik. Für das Amt der Antidiskriminierungsbeauftragten wurde jüngst Ferda Ataman vorgeschlagen. Ferda Ataman, bekannt als Journalistin und Vorsitzende des Vereins „Neue Deutschen Me­dienmacher*innen“, der sich für mehr Vielfalt in den Medien einsetzt (auch ich wurde übrigens durch deren Mentoring-Programm gefördert). Be­kannt ist Ataman aber auch für ihre polarisierenden Statements („Ich habe eine Ah­nung, welche Bevölkerungsgruppen in den Krankenhäusern zuerst behandelt werden, wenn die Beatmungsgeräte knapp werden“).

Ronya Othmann


Ronya Othmann
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Bild: Kat Menschik

Noch nicht einmal ins Amt gewählt, war Atamans erste Handlung, ungefähr 10.000 Tweets auf Twitter zu löschen. Neben der zu erwartenden Hetze von Rechts gegenüber Ataman kam auch ei­nige berechtigte Kritik. In einem offenen Brief der Initiative „Migrantinnen für Säkularität und Selbstbestimmung“ heißt es, Ferda Ataman habe sich in den letzten Jahren besonders gegenüber Mi­granten diskriminierend geäußert, die ihre politischen Meinungen nicht teilen. Zudem blende sie den Rassismus von Mi­granten gegenüber anderen ethnisch-religiösen Minderheiten aus. Ja, auch Menschen, die Rassismus erfahren, können rassistisch sein. Und ja, auch der an­tialevitische Rassismus, der antikurdische oder antischwarze Rassismus ist eine Realität in diesem Land.

Es gibt nicht nur „weiß“ und „nicht weiß“

Der Antirassismus ist in den letzten Jahren bisweilen zu einem identitätspolitischen Spektakel verkommen, das nur Dichotomien kennt, „weiß“ und „nicht weiß“, „privilegiert“ und „nicht privilegiert“, „Dominanzkultur“ und „Marginalisierte“. Das betrifft bei Weitem nicht nur Ataman. Dabei erhebt das Antidiskriminierungsgesetz einen universalis­tischen Anspruch, da es den Schutz vor Dis­kriminierung aus rassistischen Gründen, wegen Geschlecht, Religion, Herkunft, Behinderung, Alter oder sexueller Orientierung durchzusetzen versucht.

Im Grunde versucht es nur das zu erwirken, was schon im Artikel 3 des Grundgesetzes geschrieben steht, aber in der Realität noch anders aussieht: Da kommt Frau Rezai mit ihrem Rollstuhl nicht ins Kino, weil es immer noch keinen Aufzug gibt, da findet Herr Trabelsi wegen seines arabischen Namens keine Wohnung, und Frau Müller verheimlicht ihre Partnerin, aus Angst, nicht mehr als katholische Religionslehrerin ar­beiten zu können.

Antisemitismus ist überall Antisemitismus

Eine andere Sache, die in diesen Ta­gen ebenso wie die potentielle Antidiskriminierungsbeauftragte die Schlagzeilen füllt, ist die Documenta mit ihrem riesigen Wandgemälde des indonesischen Kollektivs Taring Padi, auf dem ein Schwein mit Davidstern und „Mossad“-Aufschrift und ein Mann mit Kippa, Zigarre und SS-Zeichen auf dem Hut zu sehen sind. Auf den ersten Blick ha­ben diese beiden Themen wenig miteinander zu tun, außer dass Antisemitismus, wenngleich er ein paar Wesensunterschiede zum Rassismus aufweist, auch in den Zuständigkeitsbereich einer Antidiskriminierungsbeauftragten fällt. Doch wenn man genauer hinsieht, lassen sich Berührungspunkte ausmachen in beiden Debatten, die Frage nach doppelten Standards: Wie bewerten wir Rassismus und Antisemitismus, je nachdem, von wem er kommt?

In dem Statement der Gruppe Taring Padi heißt es, die Bildsprache sei kulturspezifisch auf ihre eigenen Erfahrungen bezogen, die Figuren würden nämlich in Indonesien häufig verwendet, „um ein ausbeuterisches kapitalistisches System (…) zu kritisieren“, und die Arbeit werde nur „in diesem speziellen Kontext in Deutschland als beleidigend empfunden“. Dabei verkennen sie, dass Anti­semitismus nun mal Antisemitismus ist, ob in Deutschland, Mexiko oder Indonesien, einem Land in dem kaum Juden leben. Und dass es eine lange Tradition der „Kapitalismuskritik“ gibt, die in antisemitischen Bildern daherkommt und de­ren Bildmotive sich vom mittelalter­lichen Wittenberg über Yogyakarta bis ins zeitgenössische Kassel ziehen (Stichwort „Judensau“). Sowohl die Debatte um die Documenta als auch um die Antidiskriminierungsbeauftragte deuten auf blinde Flecken gegenwärtiger antirassistischer und postkolonialer Diskurse hin. Und gerade in ihnen zeigt sich der Wi­derstreit kulturalistischer und universalistischer Positionen.

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