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#Die Axt im Haus erspart den Philosophen

„Die Axt im Haus erspart den Philosophen“

Wenn man eine bestimmte Anzahl von Menschen opfern müsste, um eine größere Anzahl Menschen zu retten, wie würde man sich entscheiden? Dieses unter dem Namen „Trolley-Problem“ bekannte Ethik-Gedankenspiel hat sich der amerikanische Horrorregisseur M. Night Shyamalan für seinen neuen Film „Knock at the Cabin“ zur Vorlage genommen. Natürlich passt er die Voraussetzungen der Kino-Erzählbarkeit an; die Protagonisten des Films stehen also nicht an der Weiche, um einen Eisenbahnwaggon (trolley) umzuleiten und entsprechend ihrer Entscheidung mehr oder weniger Menschen zu retten. Sie befinden sich stattdessen in einer idyllischen Blockhütte im Wald.

Die kleine Tochter Wen fängt draußen in der Mittagshitze Grashüpfer, als ein Fremder (Dave Bautista) auftaucht und sie langsam nach ihren Eltern auszufragen beginnt. Shyamalan zieht schon hier, direkt am Anfang, die Spannung entschieden an, lässt die Kamera die Gesichter der beiden in einer extremen Nahaufnahme einfangen. Das Kind taxiert den Fremden misstrauisch. Der Fremde gibt vor, als Freund zu kommen, sein Blick behauptet ehrliche Offenheit, hält aber noch etwas zurück, von dem das Mädchen nichts ahnen darf. Erste Geigen zupfen in das Zikadenzirpen eine unheilvolle Vorahnung hinein.

Die Apokalypse steht bevor

Als drei weitere Fremde durch den lichten Wald auf die Hütte zukommen, alle mit großen Äxten, Knüppeln oder Heugabeln bewaffnet, rennt Wen ins Haus, um ihre beiden Väter Andrew (Ben Aldridge) und Eric (Jonathan Groff) zu warnen. Natürlich nützt das nichts. Die vier Gestalten verschaffen sich schon bald Zutritt zur Hütte und erzählen der kleinen Familie eine irrsinnige Geschichte: Die Apokalypse stehe bevor und könne nur abgewendet werden, wenn die kleine Familie in dieser Hütte eines ihrer Mitglieder auswählt, das sie opfert, um die Menschheit zu retten. Die vier seien nur anwesend, weil sie alle zur gleichen Zeit dieselben Visionen empfangen hätten, die sie zu dieser Hütte geführt haben, man wolle wirklich nichts Böses, versichern sie, außer eben besagte Entscheidung herbeizuführen.

Das gefesselte Paar versucht mit den Eindringlingen zu diskutieren, ihre Visionen als psychische Störung, ihre Mission als Sektenidee zu enttarnen. Als der Anführer der vier dann jedoch den Fernseher anschaltet und Bilder eines riesigen Tsunamis zeigt, der die amerikanische Westküste zu begraben droht, gerät zumindest der gläubige Christ Eric in Zweifel.

Shyamalan garniert dieses Ethikhorrorkammerspiel mit Referenzen der Güteklasse „Alfred Hitchcock“: Er lässt Dave Bautista einen Kampf im Bad austragen, bei dem ein Duschvorhang eine zentrale Rolle spielt, und ist sich auch nicht für einen längeren Cameo-Auftritt zu schade, wie sie in kürzerer Form auch der britische Regisseur in seine Filme einzubauen pflegte. Wo ein europäischer Regisseur den Erzählbogen über das Ende der Welt vielleicht mit allgemeinen kunstgeschichtlichen Anspielungen oder, konkreter, Verweisen auf den reichhaltigen Fundus der Bibelmalerei gespickt hätte, zeigt sich Shyamalan als Amerikaner durch und durch: Kein Schnickschnack, keine Metaebene, keine Symbolbilder, ihm genügt die Grundidee.

Bis zur Mitte des Films hat die sich allerdings ein wenig erschöpft, erst am Ende entfaltet sie noch ein paar dichtere Schockfolgen. Dass man den Film bis dahin trotzdem mit Interesse sehen kann, liegt an den Schauspielern, allen voran Dave Bautista. Durfte der ehemalige Wrestler bislang in einem runden Jahrzehnt seiner Filmkarriere zumeist nur in Actionrollen glänzen, wenngleich er bereits als ironieunfähiger Superheld Drax in der Marvel-Comicverfilmung „Guardians of the Galaxy“ zeigen durfte, dass er mehr kann, als Dinge und Menschen anmutig aus dem Weg zu räumen, legt er nun in „Knock at the Cabin“ eine Dimension zu.

Es gelingt ihm nämlich, die Offenheit, mit der er dem Mädchen Wen am Anfang begegnet ist, als sanften Charakterzug beizubehalten, wenn er später schreckliche Dinge tut. Die gewagte Vorgabe der Inszenierung, dass die Eindringlinge für das Publikum in ihren Handlungen nachvollziehbar werden sollen, liegt allein auf seinen Schultern. Nicht umsonst ließ Shyamalan die Kamera dieses Gesicht immer wieder so nah wie möglich einfangen. Der Schauspieler legt die Figur als Mann in einem sehr tiefen Zwiespalt an, dem das, was er hier tun muss, das Herz bricht.

Da Horrorfilme für Breitenpublikum gern aktuelle Probleme mit den Mitteln des Genres verhandeln, ist der interessanteste Part dieses Films in kurzen Rückblenden versteckt, die zeigen, wie sich die Beziehung zwischen Eric und Andrew entwickelt hat, wie sie das Mädchen Wen adoptiert haben, wie sie sich gegen Ressentiments und Familieneinwände behaupten mussten. Einmal brechen sie dabei durch die vierte Wand. Die Szene spielt in einer Bar, die beiden Männer erzählen sich kurze Liebesgeständnisse. Daraufhin greift ein Betrunkener sie an, schlägt Andrew krankenhausreif. Die umstehenden Gäste schauen dem homophoben Überfall tatenlos zu, niemand greift ein.

Shyamalan stellt so, nicht sonderlich subtil, die Frage: Will man eine solche Gesellschaft überhaupt retten? Sind diese Menschen es wert, ein Opfer zu bringen? Ist der Glaube an das Gute im Menschen größer und gerechtfertigter als der eigene Egoismus? Der Film gibt darauf übrigens, was ihn ehrt, eine ganz eindeutige Antwort.

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