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#Kampf der Orchester

Kampf der Orchester

Orchestermusiker in Deutschland tun derzeit vielerlei: Sie helfen in Kommunalverwaltungen aus, unterstützen Ordnungs- und Gesundheitsämter (auch bei der Nachverfolgung von Infektionsketten); manch einer hat sich gleich drei Völker Bienen zugelegt und produziert nun Stadthonig in Frankfurt am Main. So erzählte es jedenfalls Jean-Marc Vogt, Bratschist im Opern- und Museumsorchester und zugleich Vorsitzender der Deutschen Orchestervereinigung (DOV), jetzt. Konzerte gibt es derweil kaum; mancherorts wurden sogar die Proben völlig eingestellt. Aber zumindest bei den knapp zehntausend festangestellten Musikern der 129 öffentlich finanzierten Orchester in Deutschland ist die aktuelle Lage wirtschaftlich nicht dramatisch.

Jan Brachmann

Gerald Mertens, Geschäftsführer der DOV, teilte auf deren Jahresmedienkonferenz am Dienstag mit, dass die Pandemie die Orchester mitten in einer guten Zeit getroffen habe. Im Jahr vor Corona war der Stellenabbau, seit der Wiedervereinigung zunächst vorangeschritten, erstmals in einen Zuwachs umgeschlagen. Die Auslastungszahlen beim Publikumszuspruch lagen sehr hoch, bei den Festivals mit klassischer Musik durchschnittlich um neunzig Prozent. Gegenwärtig befänden sich 109 Orchester in Kurzarbeit; elf Rundfunkorchester und neun weitere Ensembles, darunter die Berliner Philharmoniker und die Bamberger Symphoniker, würden die Kurzarbeiterregelung nicht in Anspruch nehmen. Die Arbeitsplätze blieben alle erhalten.

In den Nothilfefonds der Deutschen Orchesterstiftung, ausschließlich für Freiberufler aufgelegt, gingen seither 4,1 Millionen Euro an Spenden ein; davon konnten zwei Millionen Euro an 3300 Antragsteller verteilt werden, bislang in Form von Einmalzahlungen über sechshundert Euro. Man wolle, so Mertens, jetzt auf Stipendien von zweitausend Euro pro Person umstellen, da wieder mit enormen Verdienstausfällen bei Freiberuflern durch den Wegfall von Konzerten in der Passionszeit zu rechnen sei. Eine nichtrepräsentative Umfrage des Landesmusikrates Berlin habe kürzlich ergeben, dass 29 Prozent der freiberuflichen Musiker ihren Beruf aufgeben wollen.

Als einer der einflussreichsten Berufsverbände fordert die DOV aktuell eine regional und zeitlich differenzierte Lockerung bis Aufhebung der Schließung von Kulturbetrieben für alle Landkreise, sobald eine Inzidenz von fünfzig unterschritten werde. „Wenn eine Stadt oder ein Landkreis bei besonders hohen Inzidenzwerten Schulen und Kitas schließen und Ausgangssperren anordnen darf, so muss es möglich sein, bei niedrigen Werten auch Konzertsäle, Theater und Museen wieder zu öffnen“, sagte Mertens. „Natürlich müssen dabei alle Hygienevorschriften beachtet werden.“ Dass die Landesregierungen von Schleswig-Holstein und Niedersachsen für Kulturbetriebe inzwischen den strengeren Inzidenzwert von 35 in die Diskussion bringen, rüttele an der Verlässlichkeit der Bundesvorgaben, an denen auch die DOV sich bislang orientiert habe.

Die Gewerkschaft fordert weiterhin Bundeshilfen für kommunale Kulturhaushalte, sofern die Städte und Gemeinden – anders als München und Jena – sich bereit erklären, ihren Kulturetat nicht abzusenken. Denn dass die sinkenden Gewerbesteuereinnahmen sich auf die Kulturausgaben niederschlagen werden, steht zu befürchten. Da die Haushalte für 2021 und 2022 im Wesentlichen schon geplant oder beschlossen seien, müsse man mit Kürzungsdiskussionen erst für 2023 und 2024 rechnen. Mertens erwartet allerdings keinen weiteren Stellenabbau: Die Talsohle sei mit 129 Orchestern nach vielen Fusionen und Schließungen erreicht; und bei Kulturausgaben von 0,36 Prozent des Bruttoinlandsprodukts müsse sich kein Haushälter große Hoffnungen machen, hier große Einsparungen erzielen zu können.

Heiß umstritten ist gegenwärtig vor allem der Schutz der Urheberrechte durch das anwachsende Streaming. Die einzelnen Musiker bekämen von den Verwertungen ihrer Arbeit im Internet häufig gar nichts. Die DOV steht deshalb voll und ganz hinter der Forderung nach einer Abgabe für Betreiber und Plattformen, die durch Streams Erlöse erzielen.

Musiker des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin in einer Senioren-Residenz in Berlin Pankow im Mai 2020.


Musiker des Rundfunk-Sinfonieorchesters Berlin in einer Senioren-Residenz in Berlin Pankow im Mai 2020.
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Bild: Foto Vollvincent

Erfreulich auch, dass die DOV vermehrt für die Interessen der Freiberufler eintritt. Deren Eintritt in die Arbeitslosenversicherung solle erleichtert werden und gleichzeitig der Entgeltsatz für nichtkünstlerische Nebenjobs erhöht werden, ohne dass die Mitgliedschaft in der Künstlersozialkasse erlösche. Derzeit liegt er bei 450 Euro im Monat. Freiberufler sollen künftig auch für musikalische Einsätze in Alten- und Pflegeheimen honoriert werden.

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