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#Zwei Liebende brennen durch

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Als Bonnie Elizabeth Parker und Clyde Chestnut Barrow am 23. Mai 1934 in einem Kaff in Louisiana mit ihrem Auto in einen Hinterhalt der Behörden geraten und in einem wahren Kugelhagel gemeinsam sterben, ist das nicht bloß das Ende einer Verbrecherjagd durch den Mittleren Westen der USA in Zeiten der Großen Depression. Es ist auch der Anfang eines Mythos von unverbrüchlicher Liebe und hemmungsloser Gewalt, der seither zahllose Filme, Serien, musika­lische Bearbeitungen und Bücher inspiriert hat.

1967 entstand die bekannteste Spielfilmbearbeitung „Bonnie und Clyde“, in der Faye Dunaway und Warren Beatty eine Romeo-und-Julia-Version der Geschichte spielen. Mit allen Elementen, die dazugehören: einem Paar gegen den Rest der Welt, einer Liebe bis in den Tod, Gewalt und Verwüstung als Nebenprodukt und Konsequenz, Regel- und Zügellosigkeit als Prüfstein der Hingabe. Aber die Kunst imitiert nicht nur das Leben, die Interpretationen zeitigen auch neue Verwirklichung. So geschehen in den Niederlanden 2014, als ein Paar der Wirkungsgeschichte Realität hinzufügte. Offenbar beabsichtigt, doch bot sich diese Referenz auch als griffige Zuschreibung der Berichterstattung, in denen aufmerksamkeitssteigernd von „Bonnie und Clyde der Niederlande“ die Rede war.

Für die niederländische Miniserie „Bonnie & Clyde“ von 2021 war diese Verbrechensserie die Tatsachenvorlage. Entstanden ist eine rasante, gleicher­maßen brutale wie mit erhellender Hintergrundgeschichte angereicherte Version des Mythos der gemeinschaftlichen Raserei, die hier freilich weder roman­tische Gewaltverherrlichung noch amoralische Amour fou ist, sondern eine zeitgenös­sische Aktualisierung unternimmt. Stoff, der es in sich hat. Furios gespielt werden die Outlaws, die zu „Pu­blic Enemies“ werden, von Dilan Yurdakul (die auch für Idee und Produktion verantwortlich zeichnet) und Yannick Jozefzoon (der in diesem Jahr bei der Berlinale als „European Shooting Star“ ausgezeichnet wurde).

Zwei Außenseiter finden sich

Yurdakul ist Esra, die zu Beginn der vier dicht erzählten Folgen noch wenige Monate im Gefängnis absitzen muss und beim Freigang mit Greg durchbrennt. Das „Scherenmädchen“, wie sie von Mitinhaftierten genannt wird, gilt als „Psycho“, nicht nur in ihrer türkischstämmigen Community. Ihre ablehnende Mut­ter Aynur (Nazmiye Oral) hat Esras jün­geren Bruder Cem (Siawaash Cyrroes) als Aufpasser über die Tochter bestimmt, er drangsaliert sie. Der Vater (Murat Toker) schweigt und leidet. Esras Wut, deren Ursache erst später enthüllt wird, zeigt sich in Selbstverletzungen und fürchterlichen Gewaltaus­brüchen.

Greg ist überlegter, ein Brasilianer, der als Kind von weißen niederländischen Eltern adoptiert wurde, die seine Suche nach Identität nicht begreifen. „Bonnie & Clyde“ zeigt diese Hintergründe nicht in psychologisierenden Erklärungsblöcken, sondern bietet im Lauf dieses Miniserien-Roadmovies bruchstückhafte Einblicke ins Früher, zeigt Kindheitsszenen und Rückblendengeschehnisse wie bildliche Faustschläge. Die Aggression der beiden, der Druck unterm Kessel, den Regisseur Arne Toonen in Ausbrüchen explodieren lässt, wird in der Entstehung sichtbar.

Zwei Liebende ohne Zukunft, auf ei­ner Flucht, auf der wenig geplant ist, immer krassere Bluttaten, dazu slapstick­artiges Pech, Momente des großen Ver­gessens, in denen beide heiß auf­einan­der sind, zärtliche Momente, ausgelas­sene Szenen, Heranwachsendenspiele, in denen Esra und Greg sich in immer neue Verkleidungen werfen, wechseln sich ab mit Verfolgungen und schlechten Spontanentscheidungen. Ungehemmter Konsum gehört zu ihren Vorstellungen von Freiheit. Alles haben, auf alles ein Anrecht haben. Zwei verlassene Kinder auf der Suche nach Macht und Kontrolle, ausrastende Königskinder. Die in ei­ner gefährlich lustigen Szene mit ihrer Geisel, einem gekidnappten Paarthe­rapeu­ten, Selbst- und Beziehungserforschung unternehmen. Bis bei Esra wieder die Sicherung durchbrennt.

Das Ende der Serie mögen manche enttäuschend finden, aber es passt. „Bonnie & Clyde“ ist eine erstaunlich gelungene Neufassung. Ein Roadmovie in vier konzentriert erzählten Teilen, wie es nicht im Buche steht, sondern in Biographien Marginalisierter. Cems Ho­mosexualität wird nur angedeutet, Esras ursprünglicher Wunsch nach Selbstbestimmung als Frau ist der eigentliche Familienskandal. Gregs kriminelle Karriere spielt sich fast ausschließlich unter Einwandererkindern ab. Das einzige Freiheitsmoment ist die Liebe. Insofern bleibt auch diese Bearbeitung der Geschichte treu. Die es sich und uns nicht übermäßig leicht macht, über die Hauptfiguren zu urteilen, glücklicherweise.

Alle vier Folgen von Bonnie & Clyde laufen bei ZDFneo am Freitag, ab 23.15 Uhr, in der ZDF Mediathek ab Samstag.

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