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#Kann die CSU überhaupt Kanzler?

Kann die CSU überhaupt Kanzler?

Zweimal in der Geschichte der Union gab es CSU-Kanzlerkandidaten. 1980 war es Franz Josef Strauß, 2002 Edmund Stoiber. Beide Male war die Union in der Opposition. Trotz überraschend guter Ergebnisse verlor Strauß gegen Helmut Schmidt, Stoiber gegen Gerhard Schröder. Was aber an den CSU-Kandidaturen als Lehre viel wichtiger war: Beide Mal wurde es eine Belastungsprobe für die Einheit der Union, bei Strauß freilich viel mehr als bei Stoiber.

Frank Pergande

Frank Pergande

Politischer Korrespondent der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung in Berlin.

Die Sache mit Strauß ist in ihrer ganzen Dramatik nur zu verstehen, wenn man noch weitere fünf Jahre zurückschaut. 1975 hatte die CDU kurzerhand Kohl zum Kanzlerkandidaten ausgerufen, bei der Bundestagswahl 1976 machte er die Union zwar zum Wahlsieger, konnte aber nicht Kanzler werden, weil es bei der sozialliberalen Koalition unter dem SPD-Kanzler Helmut Schmidt blieb. Kurz darauf, im November, fasste die CSU in Kreuth ihren Beschluss, die Fraktionsgemeinschaft mit der CDU aufzukündigen.

Große Aufregung, bis heute ist der „Geist von Kreuth“ sprichwörtlich in der Union. Der Beschluss wurde zwar schon im Dezember offiziell wieder zurückgenommen, dennoch rumorte es weiter in der Union. Der Konflikt brach so richtig aus, als die nächste Kanzlerkandidatur anstand. Zwischen beiden Parteien wuchs sich der Konflikt zu einer regelrechten Schlacht aus. Von „Krieg“ war die Rede und von „kriegsmarschmäßigem“ Aufmarsch der CSU im Konrad-Adenauer-Haus. Die Sache wurde in einer Offenheit ausgetragen, die sich heute kaum noch vorstellen lässt. Gegenseitige Angriffe, Beleidigungen, ständige Sticheleien. Oder wie die „Stuttgarter Zeitung“ damals schrieb: „Jetzt wird nicht mehr abgebusselt, jetzt wird gerauft.“

Edmund Stoiber


Edmund Stoiber
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Bild: picture-alliance / dpa

Die Streithähne kamen zusätzlich in Fahrt, weil sich Strauß und Kohl so wenig leiden konnten wie die Generalsekretäre ihrer Parteien damals, Stoiber und Heiner Geißler. Eine Strategiekommission sollte das Verfahren klären, sie tagte immerzu und kam doch nicht weiter. Wie sollte es auch zu einem Kompromiss kommen, wenn etwa Generalsekretär Stoiber in einem Interview klarstellte: „Strauß ist für die CSU ein Programm, und es ist für die CSU nicht mehr vorstellbar, dass Herr Strauß nicht als Kanzlerkandidat der Unionsparteien in den Wahlkampf zieht“?

Es fehlte der Koalitionspartner

Bevor Kohl abermals „handstreichartig“ (Stoiber) einen CDU-Kandidaten hätte durchsetzen können, erklärte Strauß, dass er antreten werde. Kohl als CDU-Vorsitzender hatte den niedersächsischen Ministerpräsidenten Ernst Albrecht vorgeschlagen, bundespolitisch damals wenig bekannt. So bekam der Konflikt auch noch eine Nord-Süd-Note. Die CSU gab sich entschlossen, die Gemeinschaft mit der CDU aufzukündigen, wenn Strauß nicht der Kandidat würde.

Am Ende einigte man sich auf ein Verfahren, das freilich auch früher schon gehandhabt wurde: Die Bundestagsfraktion sollte entscheiden. Die Fraktion tagte dann Anfang Juli. Fast sieben Stunden lang dauerte das, was die „Entscheidungsschlacht“ genannt wurde. Kurz vor Mitternacht war klar: Strauß hatte sich durchgesetzt. Spielend sogar, Kohl gab seine Niederlage unumwunden zu. Die CSU-Abgeordneten stimmten naturgemäß für ihren großen Mann, aber eben auch ungefähr vierzig Prozent der CDU-Leute. Die F.A.Z. kommentierte damals: „Kohl wollte der Union Albrecht aufzwingen – jetzt zwingt sich Strauß der Union auf.“ Immerhin kam die Union damals auf 44,5 Prozent der Wählerstimmen. Dennoch war es eine Niederlage, es fehlte der Koalitionspartner. Strauß blieb Ministerpräsident in Bayern. Kohl indes konnte sich endgültig durchsetzen, er wurde Fraktionsvorsitzender und 1982 nach dem konstruktiven Misstrauensvotum gegen Schmidt Kanzler. Kanzler blieb er sechzehn Jahre lang, bis 1998.

Angebot Stoiber

Nach der Jahrtausendwende gab es den zweiten CSU-Versuch, diesmal stand Stoiber im Vordergrund. CDU-Vorsitzende war seit 2000 Angela Merkel. Sowohl Stoiber als auch Merkel hatten schon 2001 Interesse an der Kanzlerkandidatur erkennen lassen. Dann kam 2002. Gleich Anfang Januar machte die CSU – es war wieder in Kreuth – ihr „Angebot Stoiber“, wie es damals hieß. Es war kein Angebot, es war eine Kampfansage. Die CSU wollte die Initiative und verstand ihren Beschluss als Weckruf an die bis dahin in Sachen Kanzlerkandidatur beredt schweigende CDU.

Letzter Auslöser für den CSU-Vorstoß war gewesen, dass ausgerechnet zu dem Zeitpunkt, da die CSU-Granden mit ihrem Gast bei der Klausur, dem jordanischen Prinzen, am Kamin in Kreuth zusammensaßen, Merkel im Fernsehen bei „Beckmann“ erklärte: „Ich sage, dass ich ganz klare Vorstellungen habe, was ich als Bundeskanzlerin mit anderen zusammen in diesem Land besser machen könnte.“ Als Bundeskanzlerin! Das konnte die CSU nicht auf sich sitzen lassen. Nun wurde es endgültig hochdramatisch. Zwei Tage später sollte in Magdeburg – Sachsen-Anhalt stand vor der Landtagswahl im April – der CDU-Vorstand zur traditionellen Klausur zu Jahresbeginn zusammenkommen.

Von dort wurde eine endgültige Entscheidung über die Kanzlerkandidatur erwartet. Merkel spürte, dass sie verlieren würde. Sie löste das Problem eiskalt auf eine Weise, die in die Geschichtsbücher eingehen sollte. Sie traf sich mit Stoiber in seinem Haus in Wolfratshausen zum Frühstück, bot ihm die Kanzlerkandidatur an und flog gleich danach weiter nach Magdeburg. Dort wurde sie schon erwartet, ausgerechnet im Tagungshotel Herrenkrug und von einigen Herren, die gleichsam die Dolche schon gezückt hatten. Denen konnte sie sagen: Lasst stecken, Stoiber macht es. Sie hatte die Zusage in der Tasche, nach der Wahl Fraktionsvorsitzende zu werden, unabhängig vom Ergebnis. Der Wahltag kam heran, Stoiber sah sich schon als Sieger. Erst gegen Mitternacht wurde klar: Schröder hatte mit Rot-Grün denkbar knapp die Wiederwahl geschafft. Aber gerade das war auch Merkels Triumph. 2005 bei der vorgezogenen Bundestagswahl wurde sie Kanzlerin. Sie ist es immer noch.

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